ZWÖLFTES KAPITEL
Teilung der Arbeit und Manufaktur
1. Doppelter Ursprung der Manufaktur
Die auf Teilung der Arbeit beruhende Kooperation schafft sich
ihre klassische Gestalt in der Manufaktur. Als charakteristische
Form des kapitalistischen Produktionsprozesses herrscht sie vor
während der eigentlichen Manufakturperiode, die, rauh angeschlagen, von Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum letzten Drittel des
achtzehnten währt.
Die Manufaktur entspringt auf doppelte Weise.
Entweder werden Arbeiter von verschiedenartigen, selbständigen
Handwerken, durch deren Hände ein Produkt bis zu seiner letzten
Reife laufen muß, in eine Werkstatt unter dem Kommando desselben
Kapitalisten vereinigt. Z.B. eine Kutsche war das Gesamtprodukt
der Arbeiten einer großen Anzahl unabhängiger Handwerker, wie
Stellmacher, Sattler, Schneider, Schlosser, GürtIer, Drechsler,
Posamentlerer, Glaser, Maler, Lackierer, Vergolder usw. Die Kutschenmanufaktur vereinigt alle diese verschiednen Handwerker in
ein Arbeitshaus, wo sie einander gleichzeitig in die Hand arbeiten. Man kann eine Kutsche zwar nicht vergolden, bevor sie gemacht ist. Werden aber viele Kutschen gleichzeitig gemacht, so
kann ein Teil beständig vergoldet werden, während ein andrer Teil
eine frühre Phase des Produktionsprozesses durchläuft. Soweit
stehn wir noch auf dem Boden der einfachen Kooperation, die ihr
Material an Menschen und Dingen vorfindet. Indes tritt sehr bald
eine wesentliche Veränderung ein. Der Schneider, Schlosser, Gürtler usw., der nur im Kutschenmachen beschäftigt ist, verliert
nach und nach mit der Gewohnheit auch die Fähigkeit, sein altes
Handwerk in seiner ganzen Ausdehnung zu betreiben. Andrerseits
erhält sein vereinseitigtes Tun jetzt die zweckmäßigste Form für
die verengte Wirkungssphäre. Ursprünglich erschien die Kutschenmanufaktur als eine Kombination selbständiger Handwerke. Sie wird
allmählich Teilung der
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Kutschenproduktion in ihre verschiednen Sonderoperationen, wovon
jede einzelne zur ausschließlichen Funktion eines Arbeiters kristallisiert und deren Gesamtheit vom Verein dieser Teilarbeiter
verrichtet wird. Ebenso entstand die Tuchmanufaktur und eine
ganze Reihe andrer Manufakturen aus der Kombination verschiedner
Handwerke unter dem Kommando desselben Kapitals. 26)
Die Manufaktur entspringt aber auch auf entgegengesetztem Wege.
Es werden viele Handwerker, die dasselbe oder Gleichartiges tun,
z.B. Papier oder Typen oder Nadeln machen, von demselben Kapital
gleichzeitig in derselben Werkstatt beschäftigt. Es ist dies Kooperation in der einfachsten Form. Jeder dieser Handwerker
(vielleicht mit einem oder zwei Gesellen) macht die ganze Ware
und vollbringt also die verschiednen, zu ihrer Herstellung
erheischten Operationen der Reihe nach. Er arbeitet in seiner alten handwerksmäßigen Weise fort. Indes veranlassen bald äußere
Umstände, die Konzentration der Arbeiter in demselben Raum und
die Gleichzeitigkeit ihrer Arbeiten anders zu vernutzen. Es soll
z.B. ein größeres Quantum fertiger Ware in einer bestimmten Zeitfrist geliefert werden. Die Arbeit wird daher verteilt. Statt die
verschiednen Operationen von demselben Handwerkern einer zeitlichen Reihenfolge verrichten zu lassen, werden sie voneinander
losgelöst, isoliert, räumlich nebeneinander gestellt, jede derselben einem andren Handwerker zugewiesen und alle zusammen von
den Kooperierenden gleichzeitig ausgeführt. Diese zufällige Verteilung wiederholt sich, zeigt ihre eigentümlichen Vorteile und
verknöchert nach und nach zur systematischen Teilung der Arbeit.
Aus dem individuellen
#358# IV. Kapitel - Die Produktion des relativen Mehrwerts
Produkt eines selbständigen Handwerkers, der vielerlei tut, verwandelt sich die Ware in das gesellschaftliche Produkt eines Vereins von Handwerkern, von denen jeder fortwährend nur eine und
dieselbe Teiloperation verrichtet. Dieselben Operationen, die ineinander flossen als sukzessive Verrichtungen des deutschen zünftigen Papiermachers, verselbständigten sich in der holländischen
Papiernianufaktur zu nebeneinander laufenden Teiloperationen
vieler kooperierenden Arbeiter. Der zünftige Nadler von Nürnherg
bildet das Grundelement der englischen Nadelmanufaktur. Während
aber Jener eine Nadler eine Reihe von vielleicht 20 Operationen
nacheinander durchlief, verrichteten hier bald 20 Nadler nebeneinander, jeder nur eine der 20 Operationen, die infolge von Erfahrungen noch viel weiter gespaltet, isoliert und zu ausschließlichen Funktionen einzelner Arbeiter verselbständigt wurden.
Die Ursprungsweise der Manufaktur, ihre Herausbildung aus dem
Handwerk ist also zwieschlächtig. Einerseits geht sie von der
Kombination verschiedenartiger, selbständiger Handwerke aus, die
bis zu dem Punkt verunselbständigt und vereinseitigt werden, wo
sie nur noch einander ergänzende Telloperationen im Produktionsprozeß einer und derselben Ware bilden. Andrerseits geht sie von
der Kooperation gleichartiger Handwerker aus, zersetzt dasselbe
individuelle Handwerk in seine verschiednen besondren Operationen
und isoliert und verselbständigt diese bis zu dem Punkt, wo jede
derselben zur ausschließlichen Funktion eines besondren Arbeiters
wird. Einerseits führt daher die Manufaktur Teilung der Arbeit in
einen Produktionsprozeß ein oder entwickelt sie weiter, andrerseits kombiniert sie früher geschiedne Handwerke. Welches aber
immer ihr besondrer Ausgangspunkt, ihre Schlußgestalt ist dieselbe - ein Produktionsmechanismus, dessen Organe Menschen sind.
Zum richtigen Verständnis der Teilung der Arbeit in der Manufaktur ist es wesentlich, folgende Punkte festzuhalten: Zunächst
fällt die Analyse des Produktionsprozesses in seine besondren
Phasen hier ganz und gar zusammen mit der Zersetzung einer handwerksmäßigen Tätigkeit in ihre verschiednen Telloperationen. Zusammengesetzt oder einfach, die Verrichtung bleibt handwerksmäßig
und daher abhängig von Kraft, Geschick, Schnelle, Sicherheit des
Einzelarbeiters in Handhabung seines Instruments. Das Handwerk
bleibt die Basis. Diese enge technische Basis schließt wirklich
wissenschaftliche Analyse des Produktionsprozesses aus, da jeder
Teilprozeß, den das Produkt durchmacht, als handwerksmäßige Tellarbeit ausführbar sein muß. Eben weil das handwerksmäßige Geschick so die Grundlage des Produktionsprozesses bleibt, wird jeder Arbeiter ausschließlich
#359# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
einer Teilfunktion angeeignet und seine Arbeitskraft in das lebenslängliche Organ dieser Teilfunktion verwandelt. Endlich ist
diese Teilung der Arbeit eine besondre Art der Kooperation, und
manche ihrer Vorteile entspringen aus dem allgemeinen Wesen,
nicht aus dieser besondren Form der Kooperation.
2. Der Teilarbeiter und sein Werkzeug
Gehn wir nun näher auf das einzelne ein, so ist zunächst klar,
daß ein Arbeiter, der lebenslang eine und dieselbe einfache Operation verrichtet, seinen ganzen Körper in ihr automatisch einseitiges Organ verwandelt und daher weniger Zeit dazu verbraucht
als der Handwerker, der eine ganze Reihe von Operationen abwechselnd ausführt. Der kombinierte Gesamtarbeiter, der den lebendigen Mechanismus der Manufaktur bildet, besteht aber aus lauter
solchen einseitigen Tellarbeitern. Im Vergleich zum selbständigen
Handwerk wird daher mehr in weniger Zeit produziert oder die Produktivkraft der Arbeit gesteigert. 27) Auch vervollkommnet sich
die Methode der Teilarbeit, nachdem sie zur ausschließlichen
Funktion einer Person verselbständigt ist. Die stete Wiederholung
desselben beschränkten Tuns und die Konzentration der Aufmerksamkeit auf dieses Beschränkte lehren erfahrungsmäßig den bezweckten
Nutzeffekt mit geringstem Kraftaufwand erreichen. Da aber immer
verschiedne Arbeitergenerationen gleichzeitig zusammenleben und
in denselben Manufakturen zusammenwirken, befestigen, häufen und
übertragen sich bald die so gewonnenen technischen Kunstgriffe.
28)
Die Manufaktur produziert in der Tat die Virtuosität des Detailarbeiters, indem sie die naturwüchsige Sonderung der Gewerbe, die
sie in der Gesellschaft vorfand, im Innern der Werkstatt reproduziert und systematisch zum Extrem treibt. Andrerseits entspricht
ihre Verwandlung der Tellarbeit in den Lebensberuf eines Menschen
dem Trieb früherer Gesellschaften, die Gewerbe erblich zu machen,
sie in Kasten zu versteinem oder in Zünfte zu verknöchern, falls
bestimmte historische
#360# IV. Abschnitt - Die Produkion des relativen Mehrwerts
Bedingungen dem Kastenwesen widersprechende Variabilität des Individuums erzeugen. Kasten und Zünfte entspringen ius demselben
Naturgesetz, welches die Sonderung von Pflanzen und Tieren in Arten und Unterarten regelt, nur daß auf einem gewissen Entwicklungsgrad die Erblichkeit der Kasten oder die Ausschließlichkeit
der Zünfte als gesellschaftliches Gesetz dekretiert wird. 29)
"Die Muslime von Dakka sind an Feinheit, die Kattune und andre
Zeuge von Koromandel an Pracht und Dauerhaftigkeit der Farben
niemals übertroffen worden. Und dennoch werden sie produziert
ohne Kapital, Maschinerie, Teilung der Arbeit oder irgendeine der
andren Mittel, die der Fabrikation in Europa so viele Vorteile
bieten. Der Weber ist ein vereinzeltes Individuum, der das Gewebe
auf Bestellung eines Kunden, den verfertigt und mit einem Webstuhl von der einfachsten Konstruktion, manchmal nur bestehend
aus hölzernen, roh zusammengefügten Stangen. Er besitzt nicht
einmal einen Apparat zum Aufziehn der Kette, der Webstuhl muß daher in seiner ganzen Länge ausgestreckt bleiben und wird so unförmlich und weit, daß er keinen Raum findet in der Hütte des
Produzenten, der seine Arbeit daher in freier Luft verrichten
muß, wo sie durch jede Wetterändrung unterbrochen wird." 30)
Es ist nur das von Generation auf Generation gehäufte und von Vater auf Sohn vererbte Sondergeschick, das dem Hindu wie der
Spinne diese Virtuosität verleiht. Und dennoch verrichtet ein
solcher indischer Weber sehr komplizierte Arbeit, verglichen mit
der Mehrzahl der Manufakturarbeiter.
Ein Handwerker, der die verschiednen Teilprozesse in der Produktion eines Machwerks nacheinander ausführt, muß bald den Platz,
bald die Instrumente wechseln. Der Übergang von einer Operation
zur andren
#361# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
unterbricht den Fluß seiner Arbeit und bildet gewissermaßen Poren
in seinem Arbeitstag. Diese Poren verdichten sich, sobald er den
ganzen Tag eine und dieselbe Operation kontinuierlich verrichtet,
oder sie verschwinden in dem Maße, wie der Wechsel seiner Operation abnimmt. Die gesteigerte Produktivität ist hier entweder der
zunehmenden Ausgabe von Arbeitskraft in einem gegebnen Zeitraum
geschuldet, also wachsender Intensität der Arbeit oder einer Abnahme des unproduktiven Verzehrs von Arbeitskraft. Der Überschuß
von Kraftaufwand nämlich, den jeder Übergang aus der Ruhe in die
Bewegung erheischt, kompensiert sich bei längrer Fortdauer der
einmal erreichten Normalgeschwindigkeit. Andrerseits zerstört die
Kontinuität gleichförmiges Arbeit die Spann- und Schwungkraft der
Lebensgeister, die im Wechsel der Tätigkeit selbst ihre Erholung
und ihren Reiz finden.
Die Produktivität der Arbeit hängt nicht nur von der Virtuosität
des Arbeiters ab, sondern auch von der Vollkommenheit seiner
Werkzeuge. Werkzeuge derselben Art, wie Schneide-, Bohr-, Stoß-,
Schlaginstrumente usw., werden in verschiednen Arbeitsprozessen
gebraucht, und in demselben Arbeitsprozeß dient dasselbe Instrument zu verschiednen Verrichtungen. Sobald jedoch die verschiednen Operationen eines Arbeitsprozesses voneinander losgelöst sind
und jede Teiloperation in der Hand des Teilarbeiters eine möglichst entsprechende und daher ausschließliche Form gewinnt, werden Verändrungen der vorher zu verschiednen Zwecken dienenden
Werkzeuge notwendig. Die Richtung ihres Formwechsels ergibt sich
aus der Erfahrung der besondren Schwierigkeiten, welche die unveränderte Form in den Weg legt. Die Differenzierung der Arbeitsinstrumente, wodurch Instrumente derselben Art besondre feste
Formen für jede besondre Nutzanwendung erhalten, und ihre Spezialisierung, wodurch jedes solches Sonderinstrument nur in der Hand
spezifischer Teilarbeiter in seinem ganzen Umfang wirkt, charakterisieren die Manufaktur. Zu Birmingham allein produziert man
etwa 500 Varietäten von Hämmern, wovon jeder nicht nur für einen
besondren Produktionsprozeß, sondern eine Anzahl Varietäten oft
nur für verschiedne Operationen in demselben Prozeß dient. Die
Manufakturperiede vereinfacht, verbessert und ver mannigfacht die
Arbeitswerkzeuge durch deren Anpassung an die ausschließlichen
Sonderfunktionen der Teilarbeiter. 31) Sie schafft damit zugleich
#362# IV. Kapitel - Die Produktion des relativen Mehrwerts
eine der materiellen Bedingungen der Maschinerie, die aus einer
Kombination einfacher Instrumente besteht.
Der Detailarbeiter und sein Instrument bilden die einfachen Elemente der Manufaktur. Wenden wir uns jetzt zu ihrer Gesamtgestalt.
3. Die beiden Grundformen der Manufaktur - heterogene Manufaktur
und organische Manufaktur
Die Gliedenmg der Manufaktur besitzt zwei Grundformen, die trotz
gelegentlicher Verschlingung zwei wesentlich verschiedne Arten
bilden und namentlich auch bei der spätren Verwandlung der Manufaktur in die maschinenartig betriebne, große Industrie eine ganz
verschiedne Rolle spielen. Dieser Doppelcharakter entspringt aus
der Natur des Machwerks selbst. Es wird entweder gebildet durch
bloß mechanische Zusammensetzung selbständiger Teilprodukte oder
verdankt seine fertige Gestalt einer Reihenfolge zusammenhängender Prozesse und Manipulationen.
Eine Lokomotive z.B. besteht aus mehr als 5000 selbständigen Teilen. Sie kann jedoch nicht als Beispiel der ersten Art der eigentlichen Manufaktur gelten, weil sie ein Gebilde der großen Industrie ist. Wohl aber die Uhr, an welcher auch William Petty die
manufakturmäßige Teilung der Arbeit veranschaulicht. Aus dem individuellen Werk eines Nürnberger Handwerkers verwandelte sich
die Uhr in das gesellschaftliche Produkt einer Unzahl von TelIarbeitern, wie Rohwerkmacher, Uhrfedermacher, Zifferblattmacher,
Spiralfedermacher, Steinloch- und Rubinhebelmacher, Zeigermacher,
Gehäusemacher, Schraubenmacher, Vergolder, mit vielen Unterabteilungen, wie z.B. Räderfabrikant (Messing- und Stahlräder wieder
geschieden), Triebmacher, Zeigerwerkmacher, acheveur de pignon
(befestigt die Räder auf den Trieben, poliert die facettes usw.),
Zapfenmacher, planteur de finissage (setzt verschiedene Räder und
Triebe in das Werk), finisseur de barillet (läßt Zähne einschneiden, macht die Löcher zur richtigen Weite, härtet Stellung und
Gesperr), Hemmungmacher, bei der Zylinderhemmung wieder Zylindermacher, Steigradmacher, Unruhemacher,
#363# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
Requettemacher (das Rückwerk, woran die Uhr reguliert wird),
planteur d'échappement (eigentliche Hemmungmacher); dann der repasseur de barillet (macht Federhaus und Stellung ganz fertig),
Stahlpolierer, Räderpolierer, Schraubenpolierer, Zahlenmaler,
Blattmacher (schmilzt das Email auf das Kupfer), fabricant de
pendants (macht bloß die Bügel des Gehäuses), finisseur de charnière (steckt den Messingstift in die Mitte des Gehäuses etc.),
falseur de secret (macht die Federn im Gehäuse, die den Deckel
aufspringen machen), graveur, ciseleur, polisseur de boîte 1*)
usw., usw., endlich der repasseur, der die ganze Uhr zusammensetzt und sie gehend abliefert. Nur wenige Teile der Uhr laufen
durch verschiedne Hände, und alle diese membra disjecta sammeln
sich erst in der Hand, die sie schließlich in ein mechanisches
Ganzes verbindet. Dies äußerliche Verhältnis des fertigen Produkts zu seinen verschiedenartigen Elementen läßt hier, wie bei
ähnlichem Machwerk, die Kombination der Tellarbeiter in der selben Werkstatt zufällig. Die Teilarbeiten können selbst wieder als
voneinander unabhängige Handwerke betrieben werden, wie im Kanton
Waadt und Neuchâtel, während in Genf z.B. große Uhrenmanufakturen
bestehn, d. h. unmittelbare Kooperation der Teilarbeiter unter
dem Kommando eines Kapitals stattfindet. Auch im letztren Fall
werden Zifferblatt, Feder und Gehäuse selten in der Manufaktur
selbst verfertigt. Der kombinierte manufakturmäßige Betrieb ist
hier nur unter ausnahmsweisen Verhältnissen profitlich, weil die
Konkurrenz unter den Arbeitern, die zu Hause arbeiten wollen, am
größten ist, die Zersplittrung der Produktion in eine Masse heterogener Prozesse wenig Verwendung gemeinschaftlicher Arbeitsmittel erlaubt und der Kapitalist bei der zerstreuten Fabrikation
die Auslage für Arbeitsgebäude usw. erspart. 32) Indes ist auch
die Stellung dieser
#364# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
Detailarbeiter, die zu Hause, aber für einen Kapitalisten
(Fabrikant, établisseur) arbeiten, ganz und gar verschieden von
der des selbständigen Handwerkers, welcher für seine eignen Kunden arbeitet. 33)
Die zweite Art der Manufaktur, ihre vollendete Form, produziert
Machwerke, die zusammenhängende Entwicklungsphasen, eine Reihenfolge von Stufenprozessen durchlaufen, wie z.B. der Draht in der
Nähnadelmanufaktur die Hände von 72 und selbst 92 spezifischen
Teilarbeitern durchläuft.
Soweit solche Manufaktur ursprünglich zerstreute Handwerke kombiniert, vermindert sie die räumliche Trennung zwischen den besondren Produktionsphasen des Machwerks. Die Zeit seines Übergangs
aus einem Stadium in das andre wird verkürzt, ebenso die Arbeit,
welche diese Übergänge vermittelt. 34) Im Vergleich zum Handwerk
wird so Produktivkraft gewonnen, und zwar entspringt dieser Gewinn aus dem allgemeinen kooperativen Charakter der Manufaktur.
Andrerseits bedingt ihr eigentümliches Prinzip der Teilung der
Arbeit eine Isolierung der verschiednen Produktionsphasen, die
als ebenso viele handwerksmäßige Tellarbeiten gegeneinander verselbständigt sind. Die Herstellung und Erhaltung des Zusammenhangs zwischen den isolierten Funktionen ernötigt beständigen
Transport des Machwerks aus einer Hand in die andre und aus einem
Pro, zeß in den andren. Vom Standpunkt der großen Industrie tritt
dies als eine charakteristische, kostspielige und dem Prinzip der
Manufaktur immanente Beschränktheit hervor. 35)
Betrachtet man ein bestimmtes Quantum Rohmaterial, z.B. von Lumpen in der Papiermanufaktur oder von Draht in der Nadelmanufaktur, so durchläuft es in den Händen der verschiednen Tellarbeiter
eine zeitliche Stufenfolge von Produktionsphasen bis zu seiner
Schlußgestalt. Betrachtet
#365# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
man dagegen die Werkstatt als einen Gesamtmechanismus, so befindet sich das Rohmaterial gleichzeitig in allen seinen Produktionsphasen auf einmal. Mit einem Teil seiner vielen instrumentbewaffneten Hände zieht der aus den Detailarbeitern kombinierte Gesamtarbeiter den Draht, während er gleichzeitig mit andren Händen
und Werkzeugen ihn streckt, mit andren schneidet, spitzt etc. Aus
einem zeitlichen Nacheinander sind die verschiednen Stufenprozesse in ein räumliches Nebeneinander verwandelt. Daher Lieferung
von mehr fertiger Ware in demselben Zeitraum. 36) Jene Gleichzeitigkeit entspringt zwar aus der allgemeinen kooperativen Form des
Gesamtprozesses, aber die Manufaktur findet nicht nur die Bedingungen der Kooperation vor, sondern schafft sie teilweise erst
durch die Zerlegung der handwerksmäßigen Tätigkeit. Andrerseits
erreicht sie diese gesellschaftliche Organisation des Arbeitsprozesses nur durch Festschmieden desselben Arbeiters an dasselbe
Detail.
Da das Teilprodukt jedes Tellarbeiters zugleich nur eine besondre
Entwicklungsstufe desselben Machwerks ist, liefert ein Arbeiter
dem andren oder eine Arbeitergruppe der andern ihr Rohmaterial.
Das Arbeitsresultat des einen bildet den Ausgangspunkt für die
Arbeit des andren. Der eine Arbeiter beschäftigt daher hier unmittelbar den andren. Die notwendige Arbeitszeit zur Erreichung
des bezweckten Nutzeffekts in jedem Teilprozeß wird erfahrungsmäßig festgestellt, und der Gesamtmechanismus der Manufaktur beruht
auf der Voraussetzung, daß in gegebner Arbeitszeit ein gegebnes
Resultat erzielt wird. Nur unter dieser Voraussetzung können die
verschiednen, einander ergänzenden Arbeitsprozesse ununterbrochen, gleichzeitig und räumlich nebeneinander fortgehn. Es ist
klar, daß diese unmittelbare Abhängigkeit der Arbeiten und daher
der Arbeiter voneinander jeden einzelnen zwingt, nur die notwendige Zeit zu seiner Funktion zu verwenden, und so eine ganz andre
Kontinuität, Gleichförmigkeit, Regelmäßigkeit, Ordnung und namentlich auch Intensität der Arbeit
#366# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
erzeugt wird als im unabhänen Handwerk oder selbst der einfachen
Kooperation. Daß auf eine Ware nur die zu ihrer Herstellung gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit verwandt wird, erscheint
bei der Warenproduktion überhaupt als äußrer Zwang der Konkurrenz, weil, oberflächlich ausgedruckt, jeder einzelne Produzent
die Ware zu ihrem Marktpreis verkaufen muß. Lieferung von gegebnem Produktenquantum in gegebner Arbeitszeit wird dagegen in der
Manufaktur technisches Gesetz des Produktionsprozesses selbst.
38)
Verschiedne Operationen bedürfen jedoch ungleicher Zeitlängen und
liefern daher in gleichen Zeiträumen ungleiche Quanta von Tellprodukten. Soll also derselbe Arbeiter tagaus, tagein stets nur
dieselbe Operation verrichten, so müssen für verschiedne Operationen verschiedne Verhältnis. zahlen von Arbeitern verwandt werden, z.B. 4 Gießer und 2 Abbrecher auf einen Frottlerer in einer
Typenmanufaktur, wo der Gließer stündlich 2000 Typen gießt, der
Abbrecher 4000 abbricht und der Frottierer 8000 blank reibt. Hier
kehrt das Prinzip der Kooperation in seiner einfachsten Form zurück, gleichzeitige Beschäftigung vieler, die Gleichartiges tun,
aber jetzt als Ausdruck eines organischen Verhältnisses. Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit vereinfacht und vermannigfacht
also nicht nur die qualitativ unterschiednen Organe des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters, sondern schafft auch ein mathematisch festes Verhältnis für den quantitativen Umfang dieser Organe, d.h. für die relative Arbeiterzahl oder relative Größe der
Arbeitergruppen in jeder Sonderfunktion. Sie entwickelt mit der
qualitativen Gliederung die quantitative Regel und Proportionalität des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses.
Ist die passendste Verhältniszahl der verschiednen Gruppen von
Teilarbeitern erfahrungsmäßig festgesetzt für eine bestimmte Stufenleiter der Produktion, so kann man diese Stufenleiter nur ausdehnen, indem man ein Multipel jeder besondren Arbeitergruppe
verwendet. 39) Es kommt hinzu, daß dasselbe Individuum gewisse
Arbeiten ebensogut auf größerer als
#367# 12. Kapitel - Teilung der Arbit und Manufaktur
kleinerer Staffel ausführt, z.B. die Arbeit der Oberaufsicht, den
Transport der Teilprodukte aus einer Produktionsphase in die andre usw. Die Verselbständigung dieser Funktionen oder ihre Zuweisung an besondte Arbeiter wird also erst vorteilhaft mit Vergrößrung der beschäftigten Arbeiterzahl, aber diese Vergrößrung muß
sofort alle Gruppen proportionell ergreifen.
Die einzelne Gruppe, eine Anzahl von Arbeitern, die dieselbe
Teilfunktion verrichten, besteht aus homogenen Elementen und bildet ein besondres Organ des Gesamtmechanismus. In verschiednen
Manufakturen jedoch ist die Gruppe selbst ein gegliederter Arbeitsköjrper, während der Gesamtmechanismus durch die Wiederholung oder Vervielfältigung dieser produktiven Elementarorganismen
gebildet wird. Nehmen wir z.B. die Manufaktur von Glasflaschen.
Sie zerfällt in drei wesentlich unterschiedne Phasen. Erstens die
vorbereitende Phase, wie Bereitung der Glaskomposition, Mengung
von Sand, Kalk usw. und Schmelzung dieser Komposition zu einer
flüssigen Glasmasse. 40) In der ersten Phase sind verschiedne
Teilarbeiter beschäftigt, ebenso in der Schlußphase, der Entfernung der Flaschen aus den Trockenöfen, ihrer Sortierung, Verpackung usw. Zwischen beiden Phasen steht in der Mitte die eigentliche Glasmacherei oder Verarbeitung der flüssigen Glasmasse. An
demselben Munde eines Glasofens arbeitet eine Gruppe, die in England das "hole" (Loch) heißt und aus einem bottle maker oder finisher, einem blower, einem gatherer, einem putter up oder whetter off und einem taker in 1*) zusammengesetzt ist. Diese fünf
Teilarbeiter bilden ebenso viele Sonderorgane eines einzigen Arbeitskörs, der nur als Einheit, also nur durch unmittelbare Kooperation der fünf wirken kann. Fehlt ein Glied des fünfteiligen
Körpers, so ist er paralysiert. Derselbe Glasofen hat aber verschiedne Öffnungen, in England z.B. 4-6, deren jede einen irdenen
Schmelztiegel mit flüssigem Glas birgt und wovon jede eine eigne
Arbeitergruppe von derselben fünfgliedrigen Form beschäftigt. Die
Gliederung jeder einzelnen Gruppe beruht hier unmittelbar auf der
Teilung der Arbeit, während das Band zwischen den verschiednen
gleichartigen Gruppen einfache Kooperation ist, die eins der Produkionsmittel, hier den Glasofen, durch gemeinsamen
#368# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
Konsum ökonomischer verbraucht. Ein solcher Glasofen mit seinen
4-6 Gruppen bildet eine Glashütte, und eine Glasmanufaktur umfaßt
eine Mehrzahl solcher Hütten, zugleich mit den Vorrichtungen und
Arbeitern für die einleitenden und abschließenden Produktionsphasen.
Endlich kann die Manufaktur, wie sie teilweis aus der Kombination
verschiedner Handwerke entspringt, sich zu einer Kombination verschiedner Manufakturen entwickeln. Die größren englischen Glashütten z.B. fabrizieren ihre irdenen Schmelztiegel selbst, weil
von deren Güte das Gelingen oder Mißlingen des Produkts wesentlich abhängt. Die Manufaktur eines Produktionsmittels wird hier
mit der Manufaktur des Produkts verbunden. Umgekehrt kann die Manufaktur des Produkts verbunden werden mit Manufakturen, worin es
selbst wieder als Rohmaterial dient oder mit deren Produkten es
später zusammengesetzt wird. So findet man z.B. die Manufaktur
von Flintglas kombiniert mit der Glasschleiferei und der Gelbgießerei, letztre für die metallische Einfassung mannigfacher Glasartikel. Die verschiednen kombinierten Manufakturen bilden dann
mehr oder minder räumlich getrennte Departemente einer Gesamtmanufaktur, zugleich voneinander unabhängige Produktionsprozesse,
jeder mit eigner Teilung der Arbeit. Trotz mancher Vorteile, welche die kombinierte Manufaktur bietet, gewinnt sie, auf eigner
Grundlage, keine wirklich technische Einheit. Diese entsteht erst
bei ihrer Verwandlung in den maschinenmäßigen Betrieb.
Die Manufakturperiode, welche Verminderung der zur Warenproduktion notwendigen Arbeitszeit bald als bewußtes Prinzip ausspricht
41), entwickelt sporadisch auch den Gebrauch von Maschinen, namentlich für gewisse einfache erste Prozesse, die massenhaft und
mit großem Kraft, aufwand auszuführen sind. So wird z.B. bald in
der Papiermanufaktur das Zermalmen der Lumpen durch Papiermühlen
und in der Metallurgie das Zerstoßen der Erze durch sogenannte
Pochmühlen verrichtet. 42) Die elementarische Form aller Maschinerie hatte das römische Kaiserreich überliefert in der Wassermühle. 43) Die Handwerksperiode vermachte die großen
#369# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
#370# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
Einseitigkeit und selbst die Unvollkommenheit des Teilarbeiters
werden zu seiner Vollkommenheit als Glied des Gesamtarbeiters.
46) Die Gewohnheit einer einseitigen Funktion verwandelt ihn in
ihr naturgemäß sicher wirkendes Organ, während der Zusammenhang
des Gesamtmechanismus ihn zwingt, mit der Regelmäßigkeit eines
Maschinenteils zu wirken. 47)
Da die verschiednen Funktionen des Gesamtarbeiters einfacher oder
zusammengesetzter, niedriger oder höher, erheischen seine Organe,
die individuellen Arbeitskräfte, sehr verschiedne Grade der Ausbildung und besitzen daher sehr verschiedne Werte. Die Manufaktur
entwickelt also eine Herarchie der Arbeitskräfte, der eine Stufenleiteir der Arbeitslöhne entspricht. Wird einerseits der individuelle Arbeiter einer einseitigen Funktion angeeignet und lebenslang annexiert, so werden ensosehr die verschiednen Arbeitsverrichtungen jener Hierarchie der natürlichen und erworbnen Geschicklichkeiten angepaßt. 48) Jeder Produktionsprozeß bedingt
indes gewisse einfache Hantierungen, deren jeder Mensch, wie er
geht und steht, fähig ist. Auch sie werden jetzt von ihrem flüssigen Zusammenhang mit den inhaltvollern Momenten der Tätigkeit
losgelöst und zu ausschließlichen Funktionen verknöchert.
#371# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
Die Manufaktur erzeugt daher in jedem Handwerk, das sie ergreift,
eine Klasse sogenannter ungeschickter Arbeiter, die der Handwerksbetrieb streng ausschloß. Wenn sie die durchaus vereinseitigte Spezialität auf Kosten des ganzen Arbeitsvermögens zur Virtuosität entwickelt, beginnt sie auch schon den Mangel aller Entwicklung zu einer Spezialität zu machen. Neben die hierarchische
Abstufung tritt die einfache Scheidung der Arbeiter in geschickte
und ungeschickte. Für letztre fallen die Erlernungskosten ganz
weg, für erstre sinken sie, im Vergleich zum Handwerker, infolge
vereinfachter Funktion. In beiden Fällen sinkt der Wert der Arbeitskraft. 49) Ausnahme findet statt, soweit die Zersetzung des
Arbeitsprozes neue zusammenfassende Funktionen erzeugt, die im
Handwerksbetrieb gar nicht oder nicht in demselben Umfang vorkamen. Die relative Entwertung der Arbeitskraft, die aus dem Wegfall oder der Verminderung der Erlernungskosten entspringt,
schließt unmittelbar höhere Verwertung des Kapitals ein, denn alles, was die zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendige Zeit
verkürzt, verlängert die Domäne der Mehrarbeit.
#372# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
Die Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft und die entsprechende Beschränkung der Individuen auf besondre Berufssphären
entwickelt sich, wie die Teilung der Arbeit innerhalb der Manufaktur, von entgegengesetzten Ausgangspunkten. Innerhalb einer
Familie 50a), weiter entwickelt eines Stammes, entspringt eine
naturwüchsige Teilung der Arbeit aus den Geschlechts- und Altersverschiedenheiten, also auf rein physiologischer Grundlage, die
mit der Ausdehnung des Gemeinwesens, der Zunahme der Bevölkexung
und namentlich dem Konflikt zwischen verschiednen Stämmen und der
Unterjochung eines Stamms durch den andren ihr Material ausweitet. Andrerseits, wie ich früher bemerkt 1*), entspringt der Produktenaustausch an den Punkten, wo verschiedne Familien, Stämme,
Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatpersonen, sondern
Familien, Stämme usw. treten sich in den Anfängen der Kultur
selbständig gegenüber. Verschiedne Gemeinwesen finden verschiedne
Produktionsmittel und verschiedne Lebensmittel in ihrer Naturumgebung vor. Ihre Produktionsweise, Lebensweise und Produkte sind
daher verschieden. Es ist diese naturwüchsige Verschiedenheit,
die bei dem Kontakt der Gemeinwesen den Austausch der wechselseitigen Produkte und daher die allmähliche Verwandlung dieser Produkte in Waren hervorruft. Der Austausch schafft nicht den Unterschied der Produktionssphären, sondern setzt die unterschiednen
in Beziehung und verwandelt sie so in mehr oder minder voneinander abhängige Zweige einer gesellschaftlichen Gesamtproduktion.
Hier entsteht die gesellschaftliche Teilung der Arbeit
#373# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
durch den Austausch ursprünglich verschiedner, aber voneinander
unabhängiger Produktionssphären. Dort, wo die physiologische Teilung der Arbeit den Ausgangspunkt bildet, lösen sich die besondren Organe eines unmittelbar zusammengehörigen Ganzen voneinander
ab, zersetzen sich, zu welchem Zersetzungsprozeß der Warenaustausch mit fremden Gemeinwesen den Hauptanstoß gibt, und verselbständigen sich bis zu dem Punkt, wo der Zusammenhang der verschiednen Arbeiten durch den Austausch der Produkte als Waren
vermittelt wird. Es ist in dem einen Fall Verunselbständigung der
früher Selbständigen, in dem andren Verselbstindigung der früher
Unselbständigen.
Die Grundlage aller entwickelten und durch Warenaustausch vermitteln ten Teilung der Arbeit ist die Scheidung von Stadt und Land.
51) Man kann sagen, daß die ganze ökonomische Geschichte der Gesellschaft sich in der Bewegung dieses Gegensatzes resümiert, auf
den wir jedoch hier nicht weiter eingehn. Wie für die Teilung der
Arbeit innerhalb der Manufaktur eine gewisse Anzahl gleichzeitig
angewandter Arbeiter die materielle Voraussetzung bildet, so für
die Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft die Größe der
Bevölkerung und ihre Dichtigkeit, die hier an die Stelle der Agglome ration in derselben Werkstatt tritt. 52) Indes ist diese
Dichtigkeit etwas Relatives. Ein relativ spärlich bevölkertes
Land mit entwickelten Kommunikationsmitteln besitzt eine dichtere
Bevölkerung als ein mehr bevölkertes Land mit unentwickelten Kommunikationsmitteln, und in dieser Art sind z.B. die nördlichen
Staaten der amerikanischen Union dichter bevölkert als Indien.
53)
#374# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
Da Warenproduktion und Warenzirkulation die allgemeine Vpraussetzung der kapitalistischen Produktionsweise, erheischt manufakturmäßige Teilung der Arbeit eine schon bis zu gewissem Entwicklungsgrad gereifte Teilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft.
Umgekehrt entwickelt und vervielfältigt die manufakturmäßige Teilung der Arbeit rückwirkend jene gesellschaftliche Teilung der
Arbeit. Mit der Differenzierung der Arbeitsinstrumente differenzieren sich mehr und mehr die Gewerbe, welche diese Instrumente
produzieren. 54) Ergreift der manufakturmäßige Betrieb ein Gewerb, das bisher als Haupt- oder Nebengewerb mit andren enhing
und von demselben Produzenten ausgeführt wurde, so findet sofort
Scheidung und gegenseitige Verselbständigung statt. Ergreift er
eine besondre Produktionsstufe einer Ware, so verwandeln sich
ihre verschiednen Produktionsstufen in verschiedne unabhängige
Gewerbe. Es ward bereits angedeutet, daß, wo das Machwerk ein
bloß mechanisch zu sammengesetztes Ganze von Teilprodukten, die
Teilarbeiten sich selbst wieder zu eignen Handwerken verselbständigen können. Um die Teilung der Arbeit vollkommner innerhalb einer Manufaktur auszuführen, wird derselbe Produktionszweig, je
nach der Verschiedenheit seiner Rohstoffe oder der verschiednen
Formen, die derselbe Rohstoff erhalten kann, in verschiedne, zum
Teil ganz neue Manufakturen gespaltet. So wurden bereits in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich allein über 100
verschiedenartige Seidenzeuge gewebt, und in Avignon z.B. war es
Gesetz, daß "jeder Lehrling sich immer nur einer Fahrikationsart
widmen und nicht die Verfertigung mehrerer Zeugarten zugleich
lernen durfte". Die territoriale Teilung der Arbeit, welche besondre Produktionszweige an besondre Distrikte eines Landes
bannt, erhält neuen Anstoß durch den manufakturmäßigen Betrieb,
der alle Besonderheiten ausbeutet. 55) Reiches Material zur Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft liefert der
#375# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
Manufakturiode die Erweiterung des Weltmarkts und das Kolonialsystem, die zum Umkreis ihrer allgemeinen Existenzbedingungen gehören. Es ist hier nicht der Ort, weiter nachzuweisen, wie sie neben der ökonomischen jede andre Sphäre der Gesellschaft ergreift
und überall die Grundlage zu jener Ausbildung des Fachwesens, der
Spezialitäten, und einer Parzellierung des Menschen legt, die
schon A. Ferguson, den Lehrer A. Smiths, in den Ausruf ausbrechen
ließ: "Wir machen eine Nation von Heloten, und es gibt keine
Freien unter uns." 56)
Trotz der zahlreichen Analogien jedoch und der Zusammenhänge zwischen der Teilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft und der
Teilung innerhalb einer Werkstatt sind beide nicht nur graduell,
sondern wesentlich unterschieden. Am schlagendsten scheint die
Analogie unstreitig, wo ein innres Band verschiedne Geschäftszweige verschlingt. Der Viehzüchter z.B. produziert Häute, der
Gerber verwandelt die Häute in Leder, der Schuster das Leder in
Stiefel. jeder produziert hier ein Stufenprodukt, und die letzte
fertige Gestalt ist das kombinierte Produkt ihrer Sonderarbeiten.
Es kommen hinzu die mannigfachen Arbeitszweige, die dem Viehzüchter, Gerber, Schuster Produktionsmittel liefern. Man kann sich
nun mit A. Smith einbilden, diese gesellschaftliche Teilung der
Arbeit unterscheide sich von der manufakturmäßigen nur subjektiv,
nämlich für den Beobachter, der hier die mannigfachen Teilarbeiten auf einen Blick räumlich zusammensieht, während dort ihre
Zerstreuung über große Flächen und die große Zahl der in jedem
Sonderzweig Beschäftigten den Zusammenhang verdunkeln. 57) Was
aber stellt den Zusammenhang her
#376# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
zwischen den unabhängigen Arbeiten von Viehzüchter, Gerber, Schuster? Das Dasein ihrer respektiven Produkte als Waren. Was charakterisiert dagegen die manufakturmäßige Teilung der Arbeit? Daß
der Teilarbeiter keine Ware produziert. 58) Erst das gemeinsame
Produkt der Teilarbeiter verwandelt sich in Ware. 58a) Die Teilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft ist vermittelt durch
den Kauf und Verkauf der Produkte verschiedner Arbeitszweige, der
Zusammenhang der Teilarbeiten in der Manufaktur durch den Verkauf
verschiedner Arbeitskräfte an denselben Kapitalisten, der sie als
kombinierte Arbeitskraft verwendet. Die manufakturmäßige Teilung
der Arbeit unterstellt Konzentration der Produktionsmittel in der
Hand eines Kapitalisten, die gesellschaftliche Teilung der Arbeit
Zersplitterung der Produktionsmittel unter viele voneinander unabhängige Warenproduzenten. Statt daß in der Manufaktur das
eherne Gesetz der Verhältniszahl oder Proportionalität bestimmte
Arbeitermassen unter bestimmte Funktionen subsumiert, treiben Zufall und Willkür ihr buntes Spiel in der Verteilung der Warenproduzenten und ihrer Produktionsmittel unter die verschiednen gesellschaftlichen Arbeitszweige. Zwar suchen sich die verschiednen
Produktionssphären beständig ins Gleichgewicht zu setzen, indem
einerseits jeder Warenproduzent einen Gebrauchswert produzieren,
#377# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
also ein besondres gesellschaftliches Bedürfnis befriedigen muß,
der Umfang dieser Bedürfnisse aber quantitativ verschieden ist
und ein innres Band die verschiednen Bedürfnismassen zu einem naturwüchsigen System ve)rkettet; indem anctrerseits das Wertgesetz
der Waren bestimmt, wieviel die Gesellschaft von ihrer ganzen
disponiblen Arbeitszeit auf die Produktion Jeder besondren Warenart verausgaben kann. Aber diese beständige Tendenz der verschiednen Produktionssphären, sich ins Gleichgewicht zu setzen,
betätigt sich nur als Reaktion gegen die beständige Aufhebung
dieses Gleichgewichts. Die bei der Teilung der Arbeit im Innern
der Werkstatt a priori und planmäßig befolgte Regel wirkt bei der
Teilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft nur a posteriori
als innre, stumme, im Barometerwechsel der Marktpreise wahrnehmbare, die regellose Willkür der Warenproduzenten überwältigende
Naturnotwendigkeit. Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit unterstellt die unbedingte Autorität des Kapitalisten über Menschen, die bloße Glieder eines ihm gehörigen Gesamtmechanismus
bilden; die gesellschaftliche Teilung der Arbeit stellt unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber, die keine andre Autorität aner kennen als die der Konkurrenz, den Zwang, den der Druck
ihrer wechseln seitigen Interessen auf sie ausübt, wie auch im
Tierreich das bellum omnium contra omnes [104] die Existenzbedingungen aller Arten mehr oder minder erhält. Dasselbe bürgerliche
Bewußtsein, das die manufakturmäßige Teilung der Arbeit, die lebenslängliche Annexation des Arbeiters an eine Detailverrichtung
und die unbedingte Unterordnung der Teilarbeiter unter das Kapital als eine Organisation der Arbeit feiert, welche ihre Produktivkraft steigre, denunziert daher ebenso laut jede bewußte gesellschaftliche Kontrolle und Reglung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses als einen Eingriff in die unverletzlichen Eigentumsrechte, Freiheit und sich selbst bestimmende "Genialität"
des individuellen Kapitalisten. Es ist sehr charakteristisch, daß
die begeisterten Apologeten des Fabriksystems nichts Ärgres gegen
jede allgemeine Organisation der gesellschaftlichen Arbeit zu sagen wissen, als daß sie die ganze Gesellschaft in eine Fabrik
verwandeln würde.
Wenn die Anarchie der gesellschaftlichen und die Despotie der manufakturmäßigen Arbeitsteilung einander in der Gesellschaft der
kapitalistischen Produktionsweise bedingen, bieten dagegen frühere Gesellschaftsformen, worin die Besonderung der Gewerbe sich
naturwüchsig entwickelt, dann kristallisiert und endlich gesetzlich befestigt hat, einerseits das Bild einer plan- und autoritätsmäßigen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit, während
sie anderseits die Teilung der Arbeit innerhalb der
#378# IV. Abschnitt - Die Produktion den relativen Mehrwerts
Werkstatt ganz ausschließen oder nur auf einem Zwergstab oder nur
sporadisch und zufällig entwickeln. 59)
Jene uraltertümlichen, kleinen indischen Gemeinwesen z.B., die
zum Teil noch fortexistieren, beruhn auf gemeinschaftlichem Besitz des Grund und Bodens, auf unttelbairer Verbindung von Agrikultur und Handwerk und auf einer festen Teilung der Arbeit, die
bei Anlage neuer Gemeinwesen als gegebner Plan und Grundriß
dient. Sie bilden sich selbst genügende Produktionsganze, deren
Produktionsgebiet von 100 bis auf einige 1000 Acres wechselt. Die
Hauptmasse der Produkte wird für den unmittelbaren Selbstbedarf
der Gemeinde produziert. nicht als Ware, und die Produktion
selbst ist daher unabhängig von der durch Warenaustausch vermittelten Teilung der Arbeit im großen und ganzen der indischen Gesellschaft. Nur der Überschuß der Produkte verwandelt sich in
Ware, zum Teil selbst wieder erst in der Hand des Staats, dem ein
bestimmtes Quantum seit undenkfichen Zeiten als Naturalrente zußießt. Verschiedne Teile Indiens besitzen verschiedne Formen des
Gemeinwesens. In der einfachsten Form bebaut die Gemeinde das
Land gemeinschaftlich und verteilt seine Produkte unter ihre
Glieder, während jede Familie Spinnen, Weben usw. als häusliches
Nebengewerb treibt. Neben dieser gleichartig beschäftigten Masse
finden wir den Haupteinwohner, Richter, Polizei und Steuereinnehmer in einer Person; den Buchhalter, der die Rechnung über den
Ackerbau führt und alles darauf Bezügliche katastriert und registriert; einen dritten Beamten, der Verbrecher verfolgt und
fremde Reisende beschützt und von einem Dorf zum andren geleitet;
den Grenzmann, der die Grenzen der Gemeinde gegen die Nachbaremeinden bewacht; den Wasseraufseher, der das Wasser aus den gemeinschaftlichen Wasserbehältem zu Ackerbauzwecken verteilt; den
Braminen, der die Funktionen des religiösen Kultus verrichtet;
den Schulmeister, der die Gemeindekinder im Sand schreiben und
lesen lehrt; den Kalenderbraminen, der als Astrolog die Zeiten
für Saat, Ernte und die guten und bösen Stunden für alle besondren Ackerbauarbeiten bt; einen Schmied und
#379# 12. Kapitel. Teilung der Arbeit und Manufaktur
einen Zimmermann, welche alle Ackerbauwerkzeuge verfertigen und
ausbessern; den Töpfer, der alle Gefäße für das Dorf macht, den
Barbier, den Wäscher für die Reinigung der Kleider, den Silberschmied, hier und da den Poeten, der in einigen Gemeinden den
Silberschmied, in andren den Schulmeister ersetzt. Dies Dutzend
Personen wird auf Kosten der ganzen Gemeinde erhalten. Wächst die
Bevölkerung, so wird eine neue Gemeinde nach dem Muster der alten
auf unbebautem Boden angesiedelt. Der Gemeindemechanismus zeigt
planmäßige Teilung der Arbeit, aber ihre marrufakturmäßige Teilung ist unmöglich, indem der Markt für Schmied, Zimmermann usw.
unverändert bleibt und höchstens, je nach dem Größenunterschied
der Dörfer, statt eines Schmieds, Töpfers usw. ihrer zwei oder
drei vorkommen. 60) Das Gesetz, das die Teilung der Gemeindearbeit regelt, wirkt hier mit der unverbrüchlichen Autorität eines
Naturgesetzes, während jeder besondre Handwerker, wie Schmied
usw., nach überlieferter Art, aber selbständig und ohne Anerkennung irgendeiner Autorität in seiner Werkstatt, alle zu seinem
Fach gehörigen Operationen verrichtet. Der einfache produktive
Organismus dieser selbstgenügenden Gemeinwesen, die sich beständig in derselben Form reproduzieren und, wenn zufällig zerstört,
an demselben, mit demselben Namen, wieder aufbauen 61), liefert
den Schlüssel zum Geheimnis der Unveränderlichkeit asiatischer
Gesellschaften, so auffallend kontrastiert durch die beständige
Auflösung und Neubildung asiatischer Staaten und rastlosen Dynastenwechsel. Die Struktur der ökonomischen Grundelemente der Gesellschaft bleibt von den Stürmen der politischen Wolkenregion
unberührt.
Die Zunftgesetze, wie schon früher bemerkt, verhinderten planmäßig,
#380# IV. Abschniitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
durch äußerste Beschränkung der Gesellenzahl, die ein einzelner
Zunftmeister beschäftigen durfte, seine Verwandlung in einen Kapitalisten. Ebenso konnte er Gesellen nur beschäftigen in dem
ausschließlichen Handwerk, worin er selbst Meister war. Die Zunft
wehrte eifersüchtig jeden Obergriff des Kaufmannskapitals ab, der
einzig freien Form des Kapitals, die ihr gegenüberstand. Der
Kaufmann konnte alle Waren kaufen, nur nicht die Arbeit als Ware.
Er war nur geduldet als Verleger der Handwerksprodukte. Riefen
äußere Umstände eine fortschreitende Teilung der Arbeit hervor,
so zerspalteten sich bestehende Zünfte in Unterarten oder lagerten sich neue Zünfte neben die alten hin, jedoch ohne Zusammenfassung verschiedner Handwerke in einer Werkstatt. Die Zunftorganisation, sosehr ihre Besondrung, Isolierung und Ausbildung der
Gewerbe zu den materiellen Existenzbedingungen der Manufakturperiode gehören, schloß daher die manufakturmäßige Teilung der Arbeit aus. Im großen und ganzen blieben der Arbeiter und seine
Produktionsmittel miteinander verbunden wie die Schnecke mit dem
Schneckenhaus, und so fehlte die erste Grundlage der Manufaktur,
die Verselbständigung der Produktionsmittel als Kapital gegenüber
dem Arbeiter.
Während die Teilung der Arbeit im Ganzen einer Gesellschaft, ob
vermittelt oder unvermittelt durch den Warenaustausch, den verschiedenartigsten ökonomischen Gesellschaftsformationen angehört,
ist die manufakturmäßige Teilung der Arbeit eine ganz spezifische
Schöpfung der kapitalistischen Produktionsweise.
5. Der kapitalistische Charakter der Manufaktur
Eine größere Arbeiteranzahl unter dem Kommando desselben Kapitals
bildet den naturwüchsigen Ausgangspunkt, wie der Kooperation
überhaupt, so der Manufaktur. Umgekehrt entwickelt die manufakturmäßige Teilung der Arbeit das Wachstum der angewandten Arbeiterzahl zur technischen Notwendigkeit. Das Arbeiterminimum, das
ein einzelner Kapitalist anwenden muß, ist ihm jetzt durch die
vorhandne Teilung der Arbeit vorgeschrieben. Andrerseits sind die
Vorteile weitrer Teilung bedingt durch weitre Vermehrung der Arbeiteranzahl, die nur noch in Vielfachen ausführbar. Mit dem variablen muß aber auch der konstante Bestandteil des Kapitals
wachsen, neben dem Umfang der gemeinsamen Produktionsbedingungen,
wie Baulichkeiten, Ofen usw., namentlich auch und viel rascher
als die Arbeiteranzahl, das Rohmaterial. Seine Masse, verzehrt in
#381# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
gegebner Zeit durch gegebnes Arbeitsquantum, nimmt in demselben
Verhältnis zu wie die Produktivkraft der Arbeit infolge ihrer
Teilung. Wachsender Minimalumfang von Kapital in der Hand der
einzelnen Kapitalisten oder wachsende Verwandlung der gesellschaftlichen Lebensmittel und Produktionsmittel in Kapital ist
also ein aus dem technischen Charakter der Manufaktur entspringendes Gesetz. 62)
Wie in der einfachen Kooperation ist in der Manufaktur der funktionierende Arbeitskörper eine Existenzform des Kapitals. Der aus
vielen individuellen Tellarbeitern zusammengesetzte gesellschaftliche Produktionsmechanismus gehört dem Kapitalisten. Die aus der
Kombination der Arbeiten entspringende Produktivkraft erscheint
daher als Produktivkraft des Kapitals. Die eigentliche Manufaktur
unterwirft nicht nur den früher selbständigen Arbeiter dem Kommando und der Disziplin des Kapitals, sondern schafft überdem
eine hierarchische Gliederung unter den Arbeitern selbst. Während
die einfache Kooperation die Arbeitsweise der einzelnen im großen
und ganzen unverändert läßt, revolutioniert die Manufaktur sie
von Grund aus und ergreift die individuelle Arbeitskraft an ihrer
Wurzel. Sie verkrüppelt den Arbeiter in eine Abnormität, indem
sie sein Detailgeschick treibhausmäßig fördert durch Unterdrückung einer Welt von produktiven Trieben und Anlagen, wie man in
den La-Plata-Staaten ein ganzes Tier abschlachtet, um sein Fell
oder seinen Talg zu erbeuten. Die besondren Teilarbeiten werden
nicht nur unter verschiedne Individuen verteilt, sondern das Individuum selbst wird geteilt, in das automatische Triebwerk einer
Teilarbeit verwandelt 63) und die abgeschmackte Fabel des Menenius Agrippa [151] verwirklicht, die einen Menschen als bloßes
Fragment
#382# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
seines eignen Körpers darstellt. 64) Wenn der Arbeiter ursprünglich seine Arbeitskraft an das Kapital verkauft, weil ihm die materiellen Mittel zur Produktion einer Ware fehlen, versagt jetzt
seine individuelle Arbeitskraft selbst ihren Dienst, sobald sie
nicht an das Kapital verkauft wird. Sie funktioniert nur noch in
einem Zusammenhang, der erst nach ihrem Verkauf existiert, in der
Werkstatt des Kapitalisten. Seiner natürlichen Beschaffenheit
nach verunfähigt, etwas Selbständiges zu nmchen, entwickelt der
Manufakturarbeiter produktive Tätigkeit nur noch als Zubehör zur
Werkstatt des Kapitalisten. 65) Wie dem auserwählten Volk auf der
Stirn geschrieben stand, daß es das Eigentum Jehovas, so drückt
die Teilung der Arbeit dem Manufakturarbeiter einen Stempel auf,
der ihn zum Eigentum des Kapitals brandmarkt. Die Kenntnisse, die
Einsicht und der Wille, die der selbständige Bauer oder Handwerker, wenn auch auf kleinem Maßstab, entwickelt, wie der Wilde
alle Kunst des Kriegs als persönliche Lst ausübt, sind jetzt nur
noch für das Ganze der Werkstatt erheischt. Die geistigen Potenzen der Produktion erweitern ihren Maßstab auf der einen Seite,
weil sie auf vielen Seiten verschwinden. Was die Teilarbeiter
verlieren, konzentriert sich ihnen gegenüber im Kapital. 66) Es
ist ein Produkt der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit, ihnen
die geistigen Potenzen des materiellen Produktionsprozesses als
fremdes Eigentum und sie beherrschende Macht gegenüberzustellen.
Dieser Scheidungsprozeß beginnt in der einfachen Kooperation, wo
der Kapitalist den einzelnen Arbeitern gegenüber die Einheit und
den Willen des gesellschaftlichen Arbeitskörpers vertritt. Er
entwickelt sich in der Manufaktur, die den Arbeiter zum Tellarbeiter verstümmelt. Er vollendet sich in der großen Industrie,
welche die Wissenschaft als selbständige Produktionspotenz von
der Arbeit trennt und in den Dienst des Kapitals preßt. 67)
#383# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
In der Manufaktur ist die Bereicherung des Gesamtarbeiters und
daher des Kapitals an gesellschaftlicher Produktivkraft bedingt
durch die Verarmung des Arbeiters an individuellen Produktivkräften.
"Die Unwissenheit ist die Mutter der Industrie wie des Aberglaubens. Nachdenken und Einbildungskraft sind dem Irrtum unterworfen; aber die Gewohnheit, den Fuß oder die Hand zu bewegen, hängt
weder von dem einen noch von der andren ab. Mannfakturen prosperieren also da am meisten, wo man am meisten sich des Geistes
entschlägt, in der Art, daß die Werkstatt als eine Maschine betrachtet werden kann, deren Teile Menschen sind." 68)
In der Tat wandten einige Manufakturen in der Mitte des 18. Jahrhunderts für gewisse einfache Operationen, welche aber Fabrikgeheimnisse bildeten, mit Vorliebe halbe Idioten an." 69)
"Der Geist der großen Mehrzahl der Menschen", sagt A. Smith,
"entwickelt sich notwendig aus und an ihren Alltagsverrichtungen.
Ein Mensch, der sein ganzes Leben in der Verrichtung weniger einfacher Operationen verausgabt... hat keine Gelegenheit, seinen
Verstand zu üben... Er wird im allgemeinen so stupid und unwissend, wie es für eine menschliche Kreatur möglich ist."
Nachdem Smith den Stumpfsinn des Teilarbeiters geschildert, fährt
er fort:
"Die Einförmigkeit seines stationären Lebens verdirbt natürlich
auch den Mut seines Geistes... Sie zerstört selbst die Energie
seines Körpers und verunfihigt ihn, seine Kraft schwunghaft und
ausdauernd anzuwenden, außer in der Detaübeschäftigung, wozu er
herangezogen ist. Sein Geschick in seinem besondren Gewerke
scheint so erworben auf Kosten seiner intellektuellen, sozialen
und kriegerischen Tugenden. Aber in jeder industriellen und zivilisierten Gesellschaft ist dies der Zustand, worin der arbeitende
Arme (the labouring poor), d.h. die große Masse des Volks notwendig verfallen muß." 70)
#384# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
Um die aus der Teilung der Arbeit entspringende völlige Verkümmerung der Volksmasse zu verhindern, empfiehlt A. Smith Volksuntenicht von Staats wegen, wenn auch in vorsichtig homöopathischen
Dosen. Konsequent polermisiert dagegen sein französischer Übersetzer und Kommentator, G. Garnier, der sich unter dem ersten
französischen Kaisertum naturgemäß zum Senator entpuppte. Volksunterricht verstoße wider die ersten Gesetze der Teilung der Arbeit und mit demselben "proskribiere man unser ganzes Gesellschaftssystem".
"Wie alle andren Teilungen der Arbeit", sagte er, "wird die zwischen Handarbeit und Verstandesarbeit 71) ausgesprochner und entschiedner im Maße, wie die Gesellschaft" (er wendet richtig diesen Ausdruck an für das Kapital, das Grundeigentum und ihren
Staat) "reicher wird. Gleich jeder andren ist diese Teilung der
Arbeit eine Wirkung vergangner und eine Ursache künftiger Fortschritte... Darf die Regierung denn dieser Teilung der Arbeit
entgegenwirken und sie in ihrem naturgemäßen Gang aufhalten? Darf
sie einen Teil der Staatseinnahme zum Versuch verwenden, zwei
Klassen von Arbeit, die ihre Teilung und Trennung erstreben, zu
verwirren und zu vermischen?" 72)
Eine gewisse geistige und körperliche Verkrüppelung ist unzertrennlich selbst von der Teilung der Arbeit im ganzen und großen
der Gesellschaft. Da aber die Manufakturperiode diese gesellschaftliche Zerspaltung der Arbeitszweige viel weiter führt,
andrerseits erst mit der ihr eigentümlichen Teilung das Individuum an seiner Lebenswurzel ergreift, liefert sie auch zuerst das
Material und den Anstoß zur industriellen Pathologie. 73)
#385# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
"Einen Menschen unterabteilen, heißt ihn hinrichten, wenn er das
Todesurteil verdient, ihn meuchelmorden, wenn er es nicht verdient. Die Unterabteilung der Arbeit ist der Meuchelmord eines
Volks." 74)
Die auf Teilung der Arbeit beruhende Kooperation oder die Manufaktur ist in ihren Anfängen ein naturwüchsiges Gebild. Sobald
sie einige Konsistenz und Breite des Daseins gewonnen wird sie
zur bewußten, planmäßigen und systematischen Form der kapitalistischen Produktionsweise. Die Geschichte der eigentlichen Manufaktur zeigt, wie die ihr eigentümliche Teilung der Arbeit
zunächst erfahrungsmäßig, gleichsam hinter dem Rücken der handelnden Personen, die sachgemäßen Formen gewinnt, dann aber,
gleich dem zünftigen Handwerke, die einmal gefundne Form traditionell festzuhalten strebt und in einzelnen Fällen
j)ahrhundertlang festhält. Ändert sich diese Form, so, außer in
Nebendingen, immer nur infolge einer Revolution der Arbeitsinstrumente. Die moderne Manufaktur - ich spreche hier nicht von
der auf Maschinerie beruhenden großen Industrie - findet entweder, wie z.B. die Kleidermanufaktur, in den großen Städten, wo
sie entsteht, die disjecta membra poetae [108] bereits fertig vor
und hat sie nur aus ihrer Zerstreuung zu sammeln, oder das Prinzip der Teilung liegt auf flacher Hand, indem einfach die verschiednen Verrichtungen der handwerksmäßigen Produktion (z.B.
beim Buchbinden) besondren Arbeitern ausschließlich angeeignet
werden. Es kostet noch keine Woche Erfahrung, in solchen Fällen
die Verhältniszahl zwischen den für jede Funktion nötigen Händen
zu finden. 75)
#386# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit schafft durch Analyse der
handwerksmäßigen Tätigkeit, Spezifizierung der Arbeitsinstrumente, Bildung der Teilarbeiter, ihre Gruppierung und Kombination
in einem Gesamtmechanismus die qualitative Gliederung und quantitative Proportionalität gesellschaftlicher Produktionsprozesse,
also eine bestimmte Organisation gesellschaftlicher Arbeit und
entwickelt damit zugleich neue, gesellschaftliche Produktivkraft
der Arbeit. Als spezifisch kapitalistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses - und auf den vorgefundnen Grundlagen
konnte sie sich nicht anders als in der kapitalistischen Form
entwickeln - ist sie nur eine besondre Methode, relativen Mehrt
zu erzeugen oder die Selbstverwertung des Kapitals - was man gesellschaftlichen Reichtum, "Wealth of Nations" usw. nennt - auf
Kosten der Arbeiter zu erhöhn. Sie entwickelt die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit nicht nur für den Kapitalisten,
statt für den Arbeiter, sondern durch die Verkrüpplung des individuellen Arbeiters. Sie produziert neue Bedingungen der Herrschaft des Kapitals über die Arbeit. Wenn sie daher einerseits
als historischer Fortschritt und notwendiges Entwicklungsmoment
im ökonomischen Bildungsprozeß der Gesellschaft erscheint, so
andrerseits als ein Mittel zivilisierter und raffinierter Exploitation.
Die politische Ökonomie, die als eigne Wissenschaft erst in der
Manufakturperiode aufkommt, betrachtet die gesellschaftliche Teilung der Arbeit überhaupt nur vom Standpunkt der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit 76), als Mittel, mit demselben Quantum Arbeit mehr Ware zu produzieren, daher die Waren zu verwohlfeilern
und die Akkumulation des Kapitals zu beschleunigen. Im strengsten
Gegensatz zu dieser Akzentuierung der Quantität und des Tauschwerts halten sich die Schriftsteller des klassischen Altertums
ausschließlich an Qualität und Gebrauchswert. 77) Infolge
#387# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
der Scheidung der gesellschaftlichen Produktionszweige werden die
Waren besser gemacht, die verschiednen Triebe und Talente der
Menschen wählen sich entsprechende Wirkungssphären 78), und ohne
Beschränkung ist nirgendwo Bedeutendes zu leisten. 79) Also Produkt und Produzent werden verbessert durch die Teilung der Arbeit. Wird gelegentlich auch das Wachstum der Produktenmasse erwähnt, so nur mit Bezug auf die größre Fülle des Gebrauchswerts.
Es wird mit keiner Silbe des Tauschwerts, der Verwohlfeilerung
der Waren gedacht. Dieser Standpunkt des Gebrauchswerts herrscht
sowohl bei Plato 80), der die Teilung der Arbeit als
#388# IV. Abschnitt - Die Produktion des relativen Mehrwerts
Grundlage der gesellschaftlichen Scheidung der Stände behandelt,
als bei Xenophon 81), der mit seinem charakteristisch bürgerlichen Instinkt schon der Teilung der Arbeit innerhalb einer Werkstatt näher rückt. Platos Republik [112], soweit in ihr die Teilung der Arbeit als das gestaltende Prinzip des Staats entwickelt
wird, ist nur atheniensische Ideallsierung des ägyptischen Kastenwesens, wie Ägypten als industrielles Musterland auch andren
seiner Zeitgenossen gilt, z.B. dem Isokrates 82), und diese Bedeutung
#389# 12. Kapitel - Teilung der Arbeit und Manufaktur
selbst noch für die Griechen der römischen serzeit behielt. 83)
Während der eigentlichen Manufakturperiode, d.h. der Periode,
worin die Manufaktur die herrschende Form der kapitalistischen
Produktionsweise, stößt die volle Ausführung ihrer eignen Tendenzen auf vielseitige Hindernisse. Obgleich sie, wie wir sahen, neben der hierarchischen Gliederung der Arbeiter eine einfache
Scheidung zwischen geschickten und ungeschickten Arbeitern
schafft, bleibt die Zahl der letztren durch den überwiegenden
Einfluß der erstren sehr beschränkt. Obgleich sie die Sonderoperationen dem verschiednen Grad von Reife, Kraft und Entwicklung
ihrer lebendigen Arbeitsorgane anpaßt und daher zu produktiver
Ausbeutung von Weibern und Kindern drängt, scheitert diese Tendenz im großen und ganzen an den Gewohnheiten und dem Widerstand
der männlichen Arbeiter. Obgleich die Zersetzung der handwerksmäßigen Tätigkeit die, Bildungskosten und daher den Wert der Arbeiter senkt, bleibt für schwierigere Detallarbeit eine längre Erlernungszeit nötig und wird auch da, wo sie vom Überfluß, eifersüchtig von den Arbeitern aufrechterhalten. Wir finden z.B. in
England die laws of apprenticeship 1*) mit ihrer siebenjährigen
Lernzeit bis zum Ende der Manufakturperiode in Vollkraft und erst
von der großen Industrie über Haufen geworfen. Da das Handwerksgeschick die Grundlage der Manufaktur bleibt und der in ihr funktionierende Gesamtmechanismus kein von den Arbeitern selbst unabhängiges objektives Skelett besitzt, ringt das Kapital beständig
mit der Insubordination der Arbeiter.
"Die Schwäche der menschlichen Natur", ruft Freund Ure aus, "ist
so groß, daß der Arbeiter, je geschickter, desto eigenwilliger
und schwieriger zu behandeln wird und folglich dem Gesamtmechanismus durch seine rappelköpfigen Launen schweren Schaden zufügt."
#390# IV. Abschnitt - Die Prodt&ion des relativen Mehrwerts
Durch die ganze Manufakturperiode läuft daher die Klage über den
Disziplinmangel der Arbeiter. 85) Und hätten wir nicht die Zeugnisse gleichzeitiger Schriftsteller, die einfachen Tatsachen, daß
es vom 16. Jahrhundert bis zur Epoche der großen Industrie dem
Kapital mißlingt, sich der ganzen disponiblen Arbeitszeit der Manufakturarbeiter zu bemächtigen, daß die Manufakturen kurzlebig
sind und mit der Ein- oder Auswandrung der Arbeiter ihren Sitz in
dem einen Land verlassen und in dem andren auf schlagen, würden
Bibliotheken sprechen. "Ordnung muß auf die eine oder die andre
Weise gestiftet werden", ruft 1770 der wiederholt zitierte Verfasser des "Essay on Trade and Commerce". Ordnung, hallt es 66
Jahre später zurück aus dem Mund des Dr. Andrew Ure, "Ordnung"
fehlte in der auf "dem scholastischen Dogma der Teilung der Arbeit" beruhenden Manufaktur, und "Arkwright schuf die Ordnung".
Zugleich konnte die Manufaktur die gesellschaftliche Produktion
weder in ihrem ganzen Umfang ergreifen noch in ihrer Tiefe umwälzen. Sie gipfelte als ökonomisches Kunstwerk auf der breiten
Grundlage des städtischen Handwerks und der ländlich häuslichen
Industrie. Ihre eigne enge technische Basis trat auf einem gewissen Entwicklungsgrad mit den von ihr selbst geschaffnen Produktionsbedürfnissen in Widerspruch.
Eins ihrer vollendetsten Gebilde war die Werkstatt zur Produktion
der Arbeitsinstrumente selbst, und namentlich auch der bereits
angewandten komplizierteren mechanischen Apparate.
".Ein solches Atelier", sagt Ure, "bot dem Auge die Teilung der
Arbeit in ihren mannigfachen Abstufungen. Bohrer, Meißel, Drechselbank hatten jede ihre eignen Arbeiter, hierarchisch gegliedert
nach dem Grad ihrer Gecklichkeit." [113]
Dies Produkt der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit produzierte
seinerseits - Maschinen. Sie heben die handwerksmäßige Tätigkeit
als das regelnde Prinzip der gesellschaftlichen Produktion auf.
So wird einerseits der technische Grund der lebenslangen Annexation des Arbeiters an eine Teilfunktion weggeräumt. Andrerseits
fallen die Schranken, welche dasselbe Prinzip der Herrschaft des
Kapitals noch auferlegte.