VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
1. Das Geheimis der ursprünglichen Akkumulation
Man hat gesehn, wie Geld in Kapital verwandelt, durch Kapital
Mehrwert und aus Mehrwert mehr Kapital gemacht wird. Indes setzt
die Akkumulation des Kapitals den Mehrwert, der Mehrwert die kapitalistische Produktion, dieser aber das Vorhandensein größerer
Massen von Kapital und Arbeitskraft in den Händen von Warenproduzenten voraus. Diese ganze Bewegung scheint sich also in einem
fehlerhaften Kreislauf herumzudrehn, aus dem wir nur hinauskommen, indem wir eine der kapitalistischen Akkumulation vorausgehende "ursprüngliche" Akkumulation ("previous accumulation" bei
Adam Smith) unterstellen, eine Akkumulation, welche nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr
Ausgangspunkt.
Diese ursprüngliche Akkumulation spielt in der politischen Ökonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie.
Adam biß in den Apfel, und damit kam über das Menschengeschlecht
die Sünde. Ihr Ursprung wird erklärt, indem er als Anekdote der
Vergangenheit erzählt wird. In einer längst verfloßnen Zeit gab
es auf der einen Seite eine fleißige, intelligente und vor allem
sparsame Elite und auf der andren faulenzende, ihr alles und mehr
verjubelnde Lumpen. Die Legende vom theologischen Sündenfall erzählt uns allerdings, wie der Mensch dazu verdammt worden sei,
sein Brot im Schweiß seines Angesichts zu essen; die Historie vom
ökonomischen Sündenfall aber enthüllt uns, wieso es Leute gibt,
die das keineswegs nötig haben. Einerlei. So kam es, daß die ersten Reichtum akkumulierten und die letztren schließlich nichts
zu verkaufen hatten als ihre eigne Haut. Und von diesem Sündenfall datiert die Armut der großen Masse, die immer noch, aller
Arbeit zum Trotz, nichts zu verkaufen hat als sich selbst, und
der Reichtum der wenigen, der fortwährend wächst, obgleich sie
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längst aufgehört haben zu arbeiten. Solche fade Kinderei kaut
Herr Thiers z.B. noch mit staatsfeierlichem Ernst, zur Verteidigung der proptiété 1*), den einst so geistreichen Franzosen vor.
Aber sobald die Eigentumsfrage ins Spiel kommt, wird es heilige
Pflicht, den Standpunkt der Kinderfibel als den allen Altersklassen und Entwicklungsstufen allein gerechten festzuhalten. In der
wirklichen Geschichte spielen bekanntlich Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt die große Rolle. In der sanften
politischen Ökonomie herrschte von jeher die Idylle. Recht und
"Arbeit" waren von jeher die einzigen Bereichetungsmittel, natürlich mit jedesmaliger Ausnahme von "diesem Jahr". In der Tat sind
die Methoden der ursprünglichen Akkumulation alles andre, nur
nicht idyllisch.
Geld und Ware sind nicht von vornherein Kapital, sowenig wie Produktions- und Lebensmittel. Sie bedürfen der Verwandlung in Kapital. Diese Verwandlung selbst aber kann nur unter bestimmten Umständen vorgehn, die sich dahin zusammenspitzen: Zweierlei sehr
verschiedne Sorten von Warenbesitzern müssen sich gegenüber und
in Kontakt treten, einerseits Eigner von Geld, Produktions- und
Lebensmitteln, denen es gilt, die von ihnen geeignete Wertsumme
zu verwerten durch Ankauf fremder Arbeitskraft; andrerseits freie
Arbeiter, Verkäufer der eignen Arbeitskraft und daher Verkäufer
von Arbeit. Freie Arbeiter in dem Doppelsinn, daß weder sie
selbst unmittelbar zu den Produktionsmitteln gehören, wie Sklaven, Leibeigne usw., noch auch die Produktionsttel ihnen gehören,
wie beim selbstwirtschaftenden Bauer usw., sie davon vielmehr
frei, los und ledig sind. Mit dieser Polarisation des Warenmarkts
sind die Grundbedingungen der kapitalistischen Produktion gegeben. Das Kapitalverhältnis setzt die Scheidung zwischen den Arbeitern und dem Eigentum an den Verwirklichungsbedingungen der
Arbeit voraus. Sobald die kapitalistische Produktion einmal auf
eignen Füßen steht, erhält sie nicht nur jene Scheidung, sondern
reproduziert sie auf stets wachsender Stufenleiter. Der Prozeß,
der das Kapitalverhältnis schafft, kann also nichts andres sein
als der Scheidungsprozeß des Arbeiters vom Eigentum an seinen Arbeitsbedingungen, ein Prozeß, der einerseits die gesellschaftlichen Lebens- und Produktionsmittel in Kapital verwandelt, andrerseits die unmittelbaren Produzenten in Lohnarbeiter. Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist also nichts als der historische
Scheidungsprozeß von Produzent und Produktionsmittel. Er erscheint als "ursprünglich", weil er die Vorgeschichte des Kapitals und der ihm entsprechenden Produktionsweise bildet.
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Die ökonomische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft ist
hervorgegangen aus der ökonomischen Struktur der feudalen Gesellschaft. Die Auflösung dieser hat die Elemente jener freigesetzt.
Der unmittelbare Produzent, der Arbeiter, konnte erst dann über
seine Person verfügen, nachdem er aufgehört hatte, an die Scholle
gefesselt und einer andern Person leibeigen oder hörig zu sein.
Um freier Verkäufer von Arbeitskraft zu werden, der seine Ware
überall hinträgt, wo sie einen Markt findet, mußte er ferner der
Herrschaft der Zünfte, ihren Lehrlings- und Gesellenordnungen und
hemmenden Arbeitsvorschriften entronnen sein. Somit erscheint die
geschichtliche Bewegung, die die Produzenten in Lohnarbeiter verwandelt, einerseits als ihre Befreiung von Dienstbarkeit und
Zunftzwang; und diese Seite allein existiert für unsre bürgerlichen Geschichtschreiber. Andrerseits aber werden diese Neubefreiten erst Verkäufer ihrer selbst, nachdem ihnen alle ihre Produktionsmittel und alle durch die alten feudalen Einrichtungen gebotnen Garantien ihrer Existenz geraubt sind. Und die Geschichte
dieser ihrer Exproptiation ist in die Annalen der Menschheit eingeschrieben mit Zügen von Blut und Feuer.
Die industriellen Kapitalisten, diese neuen Potentaten, mußten
ihrerseits nicht nur die zünftigen Handwerksmeister verdrängen,
sondern auch die im Besitz der Reichtumsquellen befindlichen Feudalherren. Von dieser Seite stellt sich ihr Emporkommen dar als
Frucht eines siegreichen Kampfes gegen die Feudalmacht und ihre
empörenden Vorrechte sowie gegen die Zünfte und die Fesseln, die
diese der freien Entwicklung der Produktion und der freien Ausbeutung des Menschen durch den Menschen angelegt. Die Ritter von
der Industrie brachten es jedoch nur fertig, die Ritter vom Degen
zu verdrängen, dadurch, daß sie Ereignisse ausbeuteten, an denen
sie ganz unschuldig waren. Sie haben sich emporgeschwungen durch
Mittel, ebenso gemein wie die, wodurch der römische Freigelassene
sich einst zum Herrn seines patronus gemacht hat. Der Ausgangspunkt der Entwicklung, die sowohl den Lohnarbeiter wie den Kapitalisten erzeugt, war die Knechtschaft des Arbeiters. Der Fortgang bestand in einem Formwechsei dieser Knechtung, in der Verwandlung der feudalen in kapitalistische Exploitation. Um ihren
Gang zu verstehn, brauchen wir gar nicht so weit zurückzugreifen.
Obgleich die ersten Anfänge kapitalistischer Produktion uns schon
im 14. und 15. Jahrhundert in einigen Städten am Mittelmeer sporadisch entgegentreten, datiert die kapitalistische Ära erst vom
16. Jahrhundert. Dort, wo sie auftritt, ist die Aufhebung der
Leibeigenschaft längst vollbracht und der Glanzpunkt des Mittelalters, der Bestand souveräner Städte, seit geraumer Zeit im
Erbleichen.
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Historisch epochemachend in der Geschichte der ursprünglichen Akkumulation sind alle Umwälzungen, die der sich bildenden Kapitalistenklasse als Hebel dienen; vor allem aber die Momente, worin
große Menschenmassen plötzlich und gewaltsam von ihren Subsistenzmitteln losgerissen und als vogelfreie Proletarier auf den
Arbeitsmarkt geschleudert werden. Die Exproptiation des ländlichen Produzenten, des Bauern, von Grund und Boden bildet die
Grundlage des ganzen Prozesses. Ihre Geschichte nimmt in verschiedenen Undern verschiedene Färbung an und durchläuft die verschiedenen Phasen in verschiedener Reihenfolge und in verschiedenen Geschichtsepochen. Nur in England, das wir daher als Beispiel nehmen, besitzt sie klassische Form. 189)
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Bauern, durch welch feudales Aushängeschild ihr Eigentum immer
versteckt sein mochte. Auf den größren herrschaftlichen Gütern
war der früher selbst leibeigne balliff (Vogt) durch den freien
Pächter verdrängt. Die Lohnarbeiter der Agrikultur bestanden
teils aus Bauern, die ihre Mußezeit durch Arbeit bei großen
Grundeigentümern verwerteten, teils aus einer selbständigen, relativ und absolut wenig zahlreichen Klasse eigentlicher Lohnarbeiter. Auch letztre waren faktisch zugleich selbstwirtschaftende
Bauern, indem sie außer ihrem Lohn Ackerland zum Belauf von 4 und
mehr Acres nebst Cottages angewiesen erhielten. Sie genossen zudem mit den eigentlichen Bauern die Nutznießung des Gemeindelandes, worauf ihr Vieh weidete und das ihnen zugleich die Mittel
der Feuerung, Holz, Torf usw. bot. 191) In allen Ländern Europas
ist die feudale Produktion durch Teilung des Bodens unter möglichst viele Untersassen charakterisiert. Die Macht des Feudalherrn, wie die jedes Souveräns, beruhte nicht auf der Länge seiner Rentrolle, sondern auf der Zahl seiner Untertanen, und letztre hing von der Zahl selbstwirtschaftender Bauern ab. 192) Obgleich der englische Boden daher nach der normännischen Eroberung
in riesenhafte Baronien verteilt ward, wovon eine einzige oft 900
alte angelsächsische Lord schaften einschloß, war er besät von
kleinen Bauernwirtschaften, nur hier und da durchbrochen von größeren herrschaftlichen Gütern. Solche Verhältnisse, bei gleichzeitiger Blüte des Städtewesens, wie sie das 15. Jahrhundert auszeichnet, erlaubten jenen Volksreichtum, den der Kanzler Fortescue so beredt in seinen "Laudibus Legum Angliae" schildert,
aber sie schlossen den Kapitalreichtum aus.
Das Vorspiel der Umwälzung, welche die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise schuf, ereignet sich im letzten Dritteil
des 15. und den
#746# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
ersten Dezennien des 16. Jahrhunderts. Eine Masse vogelfreier
Proletarier ward auf den Arbeitsmarkt geschleudert durch die Auflösung der feudalen Gefolgschaften, die, wie Sir James Steuart
richtig bemerkt, überall nutzlos Haus und Hof füllten". [163] Obgleich die königliche Macht, selbst ein Produkt der bürgerlichen
Entwicklung, in ihrem Streben nach absoluter Souveränität die
Auflösung dieser Gefolgschaften gewaltsam beschleunigte, war sie
keineswegs deren einzige Ursache. Vielmehr im trotzigsten Gegensatz zu Königtum und Parlament schuf der große Feudalherr ein ungleich größeres Proletariat durch gewaltsame Verjagung der Bauernschaft von dem Grund und Boden, worauf sie denselben feudalen
Rechtstitel besaß wie er selbst, und durch Usurpation ihres Gemeindelandes. Den unmittelbaren Anstoß dazu gab in England namentlich das Aufblühn der flandrischen Wollmanufaktur und da entsprechende Steigen der Wollpreise. Den alten Feudaladel hatten
die großen Feudalkriege verschlungen, der neue war ein Kind seiner Zeit, für welche Geld die Macht aller Mächte. Verwandlung von
Ackerland in Schafweide ward also sein Losungswort. Harrison, in
seiner "Description of England. Prefixed to Hohnshed's Chronicles", beschreibt, wie die Expropriation der kleinen Bauern das
Land ruiniert "What care our great incroachers!" (Was fragen unsre großen Usurpatoren danach?) Die Wohnungen der Bauern und die
Cottages der Arbeiter wurden gewaltsam niedergerissen oder dem
Verfall geweiht.
"Wenn man", sagt Harrison, "die älteren Inventarien jedes Ritterguts vergleichen will, so wird man finden, daß unzählige Häuser
und kleine Bauernwirtschaften verschwunden sind, daß das Land
viel weniger Leute nährt, daß viele Städte verfallen sind, obgleich einige neue aufblühn... Von Städten und Dörfern, die man
für Schaftriften zerstört hat und worin nur noch die Herrschaftshäuser stehn, konnte ich etwas erzählen."
Die Klagen jener alten Chroniken sind immer übertrieben, aber sie
zeichnen genau den Eindruck der Revolution in den Produktionsverhältnissen auf die Zeitgenossen selbst. Ein Vergleich zwischen
den Schriften der Kanzler Fortescue und Thomas Morus veranschaulicht die Kluft zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert. Aus ihrem
goldnen Zeitalter, wie Thornton richtig sagt, stürzte die englische Arbeiterklasse ohne alle Zwischenübergänge in das eiserne.
Die Gesetzgebung erschrak vor dieser Umwälzung. Sie stand noch
nicht auf der Zivilisationshöhe, wo "Wealth of the Nation" 1*),
d.h. Kapitalbildung und rücksichtslose Exploitation und Verarmung
der Volksmasse als ultima
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Thule aller Staatsweisheit gelten. In seiner Geschichte Heinrichs
VIl. sagt Baco:
"Um diese Zeit" (1489) "mehrten sich die Klagen über Verwandlung
von Ackerland in Weide" (zur Schaftrift usw.), "leicht zu versehn
durch wenige Hirten; und Pachtungen auf Zeit, auf Lebzeit und auf
jährliche Kündigung (wovon ein großer Teil der Yeomen lebte) wurden in Deminialgüter verwandelt. Dies brachte einen Verfall des
Volks hervor und infolgedessen einen Verfall von Städten, Kirchen, Zehnten... In der Kur dieses Mißstandes war die Weisheit
des Königs und des Parlaments zu dieser Zeit bewundernswert...
Sie ergriffen Maßregeln wider diese entvölkernde Usurpation der
Gemeindeländereien (depopulating inclesures) und die ihr auf dem
Fuß folgende entvölkernde Weidewirtschaft (depopulating pasture)."
Ein Akt Heinrich des Siebenten, 1489, c. 19, verbot die Zerstörung aller Bauernhäuser, zu denen wenigstens 20 Acres Land gehörten. In einem Akt 25, Heinrich VIII., wird dasselbe Gesetz erneuert. Es heißt u.a., daß
"viele Pachtungen und große Viehherden, besonders Schafe, sich in
wenigen Händen aufhäufen, wodurch die Grundrenten sehr gewachsen
und der Ackerbau (tillage) sehr verfallen, Kirchen und Häuser
niedergerissen, wunderbare Volksmassen verunfähigt seien, sich
selbst und Familien zu erhalten".
Das Gesetz verordnet daher den Wiederbau der verfallnen Hofstätten, bestimmt das Verhältnis zwischen Kornland und Weideland usw.
Ein Akt von 1533 klagt, daß manche Eigentümer 24 000 Schafe besitzen, und beschränkt deren Zahl auf 2000. 193) Die Volksklage
und die seit Heinrich dem VII. an 150 Jahre fortdauernde Gesetzgebung wider die Expropriation der kleinen Pächter und Bauern waren gleich fruchtlos. Das Geheimnis ihrer Erfolglosigkeit verrät
uns Baco wider Wissen.
"Der Akt Heinrichs des Siebenten", sagt er in seinen "Essays, civil and moral", Sect. 29, "war tief und bewunderungswürdig, indem
er Landwirtschaften und Ackerbauhäuser von bestimmtem Normalmaß
schuf, d.h. eine Proportion von nd für sie erhielt, die sie befähigte, Untertanen von genügendem Reichtum und ohne servile Lage
auf die Welt zu setzen und den Pflug in der Hand von Eigentümern,
nicht von Mietlingen zu halten (to keep the plough in the hand of
the owners and not hirelings)." 193a)
#748# VII. Abschnitt - Der Akkmnulationsprozeß des Kapitals
Was das kapitalistische System erheischte, war umgekehrt servile
Lage der Volksmasse, ihre eigne Verwandlung in Mietlinge und Verwandlung ihrer Arbeitsttel in Kapital. Während dieser Übergangsperiode suchte die Gesetzgebung auch die 4 Acres Land bei
der Cottage des ländlichen Lohnarbeiters zu erhalten und verbot
ihm die Aufnahme von Mietsleuten in seine Cottage. Noch 1627, unter Karl I., wurde Roger Crocker von Fontmill verurteilt wegen
Baus einer Cottage im Manor von Fontmill ohne 4 Acres Land als
beständiges Annex an dieselbe; noch 1638, unter Karl I., wurde
eine königliche Kommission ernannt, um die Durchführung der alten
Gesetze, namentlich auch über die 4 Acres Land, zu erzwingen;
noch Cromwell verbot Erbauung eines Hauses in 4 Meilen weitem Umkreis von London ohne Ausstattung desselben mit 4 Acres Land.
Noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird geklagt, wenn
die Cottage des ndarbeiters kein Zubehör von 1 bis 2 Acres hat.
Heutzutag ist er glücklich, wenn sie mit einem Gärtchen ausgestattet ist oder wenn er weitab von ihr ein Paar Ruten Land mieten kann.
"Grundherren und Pächter", sagt Dr. Hunter, "handeln hier Hand in
Hand. Wenige Acres zur Cottage wurden den Arbeiter zu unabhängig
machen." 194)
Einen neuen furchtbaren Anstoß erhielt der gewaltsame Expropriationsprozeß der Volksmasse im 16. Jahrhundert durch die Reformation und, in
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ihrem Gefolge, den kolossalen Diebstahl der Kirchengüter. Die katholische Kirche war zur Zeit der Reformation Feudaleigentümerin
eines großen Teils des englischen Grund und Bodens. Die Unterdrückung der Klöster usw. schleuderte deren Einwohner ins Proletariat. Die Kirchengüter selbst wurden großenteils an raubsüchtige königliche Günstlinge verschenkt oder zu einem Spottpreis an
spekulierende Pächter und Stadtbürger verkauft, welche die alten
erblichen Untersassen massenhaft verjagten und ihre Wirtschaften
zusammenwarfen. Das gesetzlich garantierte Eigentum verarmter
Landleute an einem Teil der Kirchenzehnten ward stillschweigend
konfisziert. 195) "Pauper ubique jacet" [164], rief Königin Elisabeth nach einer Rundreise durch England. Im 43. Jahre ihrer Regierung war man endlich gezwungen, den Pauperismus offiziell anzuerkennen durch Einführung der Armensteuer.
"Die Urheber dieses Gesetzes schämten sich, seine Gründe auszusprechen, und schickten es daher, wider alles Herkommen, ohne irgendein preamble (Eingangsmotivierung) in die Welt." 196)
Durch 16. Car. I., 4 1*) wurde es perpetuell erklärt und erhielt
in der Tat erst 1834 eine neue härtere Form. 197) Diese unmittelbaren Wirkungen der Reformation waren nicht ihre nachhaltigsten.
Das Kircheneigentum bildete
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das religiöse Bollwerk der altertümlichen Grundeigentumsverhältnisse. Mit seinem Fall waren sie nicht länger haltbar. 198)
Noch in den letzten Dezennien des 17. Jahrhunderts war die Yeomanry, eine unabhängige Bauerschaft, zahlreicher als die Klasse
der Pächter. Sie hatte die Hauptstärke Cromwells gebildet und
stand, selbst nach Macaulays Geständnis, in vorteilhaftem Gegensatz zu den versonnen Mistjunkern und ihren Bedienten, den Landpfaffen, welche die herrschaftliche "Lieblingsmagd" unter die
Haube bringen mußten. Noch waren selbst die ländlichen Lohnarbeiter Mitbesitzer am Gemeindeeigentum. 1750 ungefähr war die Yeomanry verschwunden 199), und in den letzten Dezennien des 18.
Jahrhunderts
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die letzte Spur von Gemeindeeigentum der Ackerhauer. Wir sehn
hier ab von den rein ökonomischen Triebfedern der Agrikulturrevolution. Wir fragen nach ihren gewaltsamen Hebeln. Unter der Restauration der Stuarts setzten die Grundeigentümer eine Usurpation gesetzlich durch, die sich überall auf dem Kontinent auch
ohne gesetzliche Weitläufigkeit vollzog. Sie hoben die Feudalverfassung des Bodens auf, d.h.. sie schüttelten seine Leistungspflichten an den Staat ab, "entschädigten" den Staat durch Steuern auf die Bauerschaft und übrige Volksmasse, vindizierten modernes Privateigentum an Gütern, worauf sie nur Feudaltitel besaßen, und oktroyierten schließlich jene Niederlassungsgesetze
(laws of settlement), die, mutatis mutandis, auf die englischen
Ackerbauer wirkten wie des Tataren Boris Godunow Edikt auf die
russische Bauerschaft. [165]
Die "glorious Revolution" (glorreiche Revolution) [166] brachte
mit dem Oranier Wilhelm III. 200) die grundherrlichen und kapitalistischen Plusmacher zur Herrschaft. Sie weihten die neue Ära
ein, indem sie den bisher nur bescheiden betriebenen Diebstahl an
den Staatsdomänen auf kolossaler Stufenleiter ausübten. Diese
Ländereien wurden verschenkt, zu Spottpreisen verkauft oder auch
durch direkte Usurpation an Privatgüter annexiert. 201) Alles das
geschah ohne die geringste Beobachtung gesetzlicher
#752# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Etikette. Das so fraudulent angeeignete Staatsgut samt dem Kirchenraub, soweit er während der republikanischen Revolution nicht
abhanden gekommen, bildet die Grundlage der heutigen fürstlichen
Domänen der englischen Oligarchle. 202) Die bürgerlichen Kapitalisten begünstigten die Operation, u.a. um den Grund und Boden in
einen reinen Handelsartikel zu verwandeln, das Gebiet des agrikolen Großbetriebs auszudehnen, ihre Zufuhr vogelfreier Proletarier
vom Lande zu vermehren usw. Zudem war die neue Grundaristokratie
die natürliche Bundesgenossin der neuen Bankokratie, der eben aus
dem Ei gekrochnen hohen Finanz und der damals auf Schutzzölle
sich stutzenden großen Manufakturisten. Die englische Bourgeoisie
handelte für ihr Interesse ganz so richtig wie die schwedischen
Stadtbürger, die umgekehrt, Hand in Hand mit ihrem ökonomischen
Bollwerk, der Bauerschaft, die Könige in der gewaltsamen Resumption der Kronländereien von der Oligarchie (seit 1604, später unter Karl X. und Karl XI.) unterstützten.
Das Gemeindeeigentum - durchaus verschieden von dem eben betrachteten Staatseigentum - war eine altgermanische Einrichtung, die
unter der Decke der Feudalität fortlebte. Man hat gesehn, wie die
gewaltsame Usurpation desselben, meist begleitet von Verwandlung
des Ackerlands in Viehweide, Ende des 15. Jahrhunderts beginnt
und im 16. Jahrhundert fortdauert. Aber damals vollzog sich der
Prozeß als individuelle Gewalttat, wogegen die Gesetzgebung 150
Jahre lang vergeblich ankämpft. Der Fortschritt des 18. Jahrhunderts offenbart sich darin, daß das Gesetz selbst jetzt zum Vehikel des Raubs am Volksland wird, obgleich die großen Pächter nebenbei auch ihre kleinen unabhängigen Privatmethoden anwenden.
203) Die parlamentarische Form des Raubs ist die der "Bills for
Inclosures of
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Commons" (Gesetze für Einhegung des Gemeindelandes), in andren
Worten Dekrete, wodurch die Grundherrn Volksland sich selbst als
Privateigentum schenken, Dekrete der Volksexpropriation. Sir F.
M. Eden widerlegt sein pfiffiges Advokatenplädoyer, worin er das
Gemeindeeigentum als Privateigentum der an die Stelle der Feudalen getretenen großen Grundeigentümer darzustellen sucht, indem
er selbst einen "allgemeinen Parlamentsakt für Einhegung der Gemeindeländereien" verlangt, also zugibt, daß ein parlamentarischer Staatsstreich zu ihrer Verwandlung in Privateigentum nötig
ist, andrerseits aber von der Legislatur "Schadenersatz" für die
expropriierten Armen fordert. 204)
Während an die Stelle der unabgen Yeomen tenants-at-will traten,
kleinere Pächter auf einjährige Kündigung, eine servile und von
der Willkür der Landlords abhängige Rotte, half, neben dem Raub
der Staatsdomänen, namentlich der systematisch betriebne Diebstahl des Gemeindeeigentums jene großen Pachten anschwellen, die
man im 18. Jahrhundert Kapital-Pachten 205) oder Kaufmanns-Pachten 206) nannte, und das Landvolk als Proletariat für die Industrie "freisetzen".
Das 18. Jahrhundert begriff jedoch noch nicht in demselben Maß
wie das 19. die Identität zwischen Nationalreichtum und Volksarmut. Daher heftigste Polemik in der ökonomischen Literatur jener
Zeit über die "inclosure of commons". Ich gebe aus dem massenhaften Material, das mir vorliegt, einige wenige Stellen, weil dadurch lebhaft die Zustände veranschaulicht werden.
"In vielen Pfarreien von Hertfordshire", schreibt eine entrüstete
Feder, "sind 24 im Durchschnitt 50-150 Acres zählende Pachten in
3 Pachten zusammengeschmolzen." 207) "In Northamptonshire und
Lincolnshire hat die Einhegung der Gemeindeländereien sehr vorgeherrscht und die meisten aus den Einhegungen entsprungnen neuen
Lordschaften sind in Weide verwandelt; infolge davon haben viele
Lordschaften jetzt nicht 50 Acres unter dem Pflug, wo früher 1500
gepflügt wurden... Ruinen früherer Wohnhäuser, Scheunen, Ställe
usw. sind die einzigen Spuren der früheren Einwohner. Hundert
Häuser und Familien sind an manchen Plätzen zusammengeschrumpft... auf 8 oder 10... Der Grundeigentümer in den meisten
Pfarreien, wo
#754# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
die Einhegung erst seit 15 oder 20 Jahren vorging, sind sehr wenige in Vergleich zu den Zahlen, von denen das Land im offnen
Feldzustand bebaut wurde. Es ist nichts Ungewöhnliches, 4 oder 5
reiche Viehmäster große, jüngst eingehegte Lordschaften usurpieren zu sehn, die sich früher in der Hand von 20-30 Pächtern und
von ebenso vielen kleineren Eigentümern und Insassen befanden.
Alle diese sind mit ihren Familien aus ihrem Besitztum herausgeworfen nebst vielen andren Familien, die durch sie beschäftigt
und erhalten wurden." 208)
Es war nicht nur brachliegendes, sondern oft, unter bestimmter
Zahlung an die Gemeinde, oder gemeinschaftlich, bebautes Land,
das unter dem Vorwand der Einhegung vom angrenzenden Landlord annexiert wurde.
"Ich spreche hier vom Einschluß offner Felder und Ländereien, die
bereits bebaut sind. Selbst die Schriftsteller, welche die Inclosures verteidigen, geben zu, daß letztre das Monopol großer
Pachtungen vermehren, die Preise der Lebensmittel erhöhen und
Entvölkerung produzieren... und selbst die Einhegung wüster Ländereien, wie jetzt betrieben, raubt dem Armen einen Teil seiner
Subsistenzmittel und schwellt Pachtungen auf, die bereits zu groß
sind." 209) "Wenn", sagt Dr. Price, "das Land in die Hände einiger weniger großen Pächter gerät, werden die kleinen Pächter"
(früher von ihm bezeichnet als "eine Menge kleiner Eigentümer und
Pächter, die sich selbst und Familien erhalten durch das Produkt
des von ihnen bestellten Landes, durch Schafe, Geflügel, Schweine
usw., die sie auf das Gemeindeland schicken, so daß sie wenig Anlaß zum Kauf von Subsistenzmitteln haben") "verwandelt in Leute,
die ihre Subsistenz durch Arbeit für andre gewinnen müssen und
gezwungen sind, für alles, was sie brauchen, zu Markt zu gehn...
Es wird vielleicht mehr Arbeit verrichtet, weil mehr Zwang dazu
herrscht... Städte und Manufakturen werden wachsen, weil mehr
Leute zu ihnen verjagt werden, welche Beschäftigung suchen. Dies
ist der Weg, worin die Konzentration der Pachtungen naturgemäß
wirkt und worin sie, seit vielen Jahren, in diesem Königreich
tatsächlich gewirkt hat." 210)
Er faßt die Gesamtwirkung der inclosures so zusammen:
"Im ganzen hat sich die Lage der niederen Volksklassen fast in
jeder Hinsicht verschlechtert, die kleineren Grundbesitzer und
Pächter sind herabgedrückt auf den Stand von Taglöhnern und Mietlingen; und zur selben Zeit ist der Lebensgewinn in diesem Zustand schwieriger geworden." 211)
208) Rev. Addington, "Enquiry into the Reasons (or or against enclosing open fields", Lond. 1772, p. 37-43 passim.
209) Dr. R. Price, l.c., v. II, p. 155, 156. Man lese Forster,
Addington, Kent, Price and James Anderson und vergleiche das
elende Sykophantengeschwätz MacCullochs in seinem Katalog, "The
Literature of Political Economy", Lond. 1845. l.c.p. 147, 148.
l.c.p. 159, 160. Man erinnert sich an das alte Rom. Die Reichen
hatten sich des größten Teils der ungeteilten Ländereien bemächtigt. Sie vertrauten den Zeitumständen,
#755# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
In der Tat wirkten Usurpation des Gemeindelands und die sie begleitende Revolution der Agrikultur so akut auf die Ackerbauarbeiter, daß, nach Eden selbst, zwischen 1765 und 1780 ihr Lohn
anfing, unter das Minimum zu fallen und durch offizielle Armenunterstützung ergänzt zu werden. Ihr Arbeitslohn, sagt er, "genügte
nur noch eben für die absoluten Lebensbedürfnisse".
Hören wir noch einen Augenblick einen Verteidiger der enclosures
und Gegner des Dr. Price.
"Es ist kein richtiger Schluß, daß Entvölkerung vorhanden, weil
man Leute nicht länger ihre Arbeit im offnen Feld verschwenden
sieht... Wenn nach Verwandlung kleiner Bauern in Leute, die für
andre arbeiten müssen, mehr Arbeit flüssig gemacht wird, so ist
das ja ein Vorteil, den die Nation" (wozu die Verwandelten natürlich nicht gehören) "wünschen muß... Das Produkt wird größer
sein, wenn ihre kombinierte Arbeit auf einer Pachtung angewandt
wird: so wird Surplusprodukt für die Manufakturen gebildet, und
dadurch werden Manufakturen, eine der Goldgruben dieser Nation,
im Verhältnis zum produzierten Kornquantum vermehrt. 212)
#756# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Die stoische Seelenruhe, womit der politische Ökonom frechste
Schändung des "heiligen Rechts des Eigentums" und gröbste Gewalttat wider Personen betrachtet, sobald sie erheischt sind, um die
Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise herzustellen,
zeigt uns u.a. der überdem noch torystisch gefärbte und
"philanthropische" Sir F. M. Eden. Die ganze Reihe von Raubtaten,
Greueln und Volksdrangsalen, welche die gewaltsame Volksexpropriation vom letzten Drittel des 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts begleiten, treibt ihn nur zur "komfortablen" Schlußreflexion:
"Die richtige (due) Proportion zwischen Acker- und Viehland mußte
hergestellt werden. Noch im ganzen 14. und größten Teil des 15.
Jahrhunderts kam 1 Acre Viehweide auf 2, 3 und selbst 4 Acres Ackerland. In Mitte des 16. Jahrhunderts verwandelte sich die Proportion in 2 Acres Viehland auf 2, später von 2 Acres Vieh. weide
auf 1 Acre Ackerland, bis endlich die richtige Proportion von 3
Acres Viehland auf 1 Acre Adcerland herauskam."
Im 19. Jahrhundert verlor sich natürlich selbst die Erinnerung
des Zusammenhangs zwischen Ackerbauer und Gemeindeeigentum. Von
späterer Zeit gar nicht zu reden, welchen Farthing Ersatz erhielt
das Landvolk jemals für die 3 511 770 Acres Gemeindeland, die ihm
zwischen 1810 und 1831 geraubt und parlamentarisch den Landlords
von den Landlords geschenkt wurden?
Der letzte große Expropriationsprozeß der Ackerbauer von Grund
und Boden endlich ist das sog. Clearing of Estates (Lichten der
Güter, in der Tat Wegfegung der Menschen von denselben). Alle
bisher betrachteten englischen Methoden kulminierten im
"Lichten". Wie man bei der Schilderung des modernen Zustands im
vorigen Abschnitt sah, geht es jetzt, wo keine unabhängigen Bauern mehr wegzufegen sind, bis zum "Lichten" der Cottages fort, so
daß die Ackerbauarbeiter auf dem von ihnen bestellten Boden
selbst nicht mehr den nötigen Raum zur eignen Behausung finden.
Was aber "Clearing of Estates" im eigentlichen Sinne bedeutet,
das lernen wir nur kennen im gelobten Lande der modernen Romanliteratur, in Hochschottland. Dort zeichnet sich der Vorgang aus
durch seinen systematischen Charakter, durch die Größe der Stufenleiter, worauf er mit einem Schlag vollzogen wird (in Irland
haben Grundherrn es dahin gebracht, mehrere Dörfer gleichzeitig
wegzufegen; in Hochschottland handelt es sich um Bodenflächen von
der Größe deutscher Herzogtümer) - und endlich durch die besondre
Form des unterschlagenen Grundeigentums.
Die Kelten Hochschottlands bestanden aus Clans, deren jeder Eigentümer des von ihm besiedelten Bodens war. Der Repräsentant des
Clans, sein Chef oder "großer Mann", war nur Titulareigentümer
dieses Bodens,
#757# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
ganz wie die Königin von England Titulareigentümerin des nationalen Gesamtbodens ist. Als der englischen Regierung gelungen war,
die inneren Kriege dieser "großen Männer" und ihre fortwährenden
Einfälle in die niederschottischen Ebenen zu unterdrücken, gaben
die Clanchefs ihr altes Räuberhandwerk keineswegs auf; sie änderten nur die Form. Aus eigner Autorität verwandelten sie ihr Titular-Eigentumsrecht in Privateigentumsrecht, und da sie bei den
Clanleuten auf Widerstand stießen, beschlossen sie, diese offner
Gewalt zu vertreiben.
"Ein König von England könnte mit demselben Recht sich anmaßen,
seine Untertanen in die See zu jagen",
ne Professor Newman. 213) Diese Revolution, welche in Schottland
nach der letzten Schilderhebung des Prätendenten [168] begann,
kann man in ihren ersten Phasen verfolgen bei Sir James Steuart
214) und James Anderson 215). Im 18. Jahrhundert wurde zugleich
den vom Land verjagten Gaelen die Auswanderung verboten, um sie
gewaltsam nach Glasgow und andren Fabrikstädten zu treiben. 216)
Als Beispiel der im 19. Jahrhundert herrschenden Methode 217) genügen hier die "Lichtungen" der Herzogin von Suther-
#758# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Diese ökonomisch geschulte Person beschloß gleich bei ihrem Regierungsantritt eine ökonomische Radikalkur vorzunehmen und die
ganze Grafschaft, deren Einwohnerschaft durch frühere, ähnliche
Prozesse bereits auf 15 000 zusammengeschmolzen war, in
Schaftrift zu verwandeln. Von 1814 bis 1820 wurden diese 15 000
Einwohner, ungefähr 3000 Familien, systematisch verjagt und ausgerottet. Alle ihre Dörfer wurden zerstört und niedergebrannt,
alle ihre Felder in Weide verwandelt. Britische Soldaten wurden
zur Exekution kommandiert und kamen zu Schlägen mit den Eingebornen. Eine alte Frau verbrannte in den Flammen der Hütte, die sie
zu verlassen sich weigerte. So eignete sich diese Madame 794 000
Acres Land an, das seit undenklichen Zeiten dem Clan gehörte. Den
vertriebnen Eingebornen wies sie am Seegestad ungefähr 6000 Acres
zu, 2 Acres per Familie. Die 6000 Acres hatten bisher wüst gelegen und den Eigentümern kein Einkommen abgeworfen. Die Herzogin
ging in ihrem Nobelgefühl so weit, den Acre im Durchschnitt zu 2
sh. 6 d. Rente zu verpachten an die Clanleute, die seit Jahrhunderten ihr Blut für die Familie vergossen hatten. Das ganze geraubte Clanland teilte sie in 29 große Schachtungen, jede bewohnt
von einer einzigen Familie, meist englische Pächterknechte. Im
Jahre 1825 waren die 15 000 Gaelen bereits ersetzt durch 131 000
Schafe. Der an das Seegestad geworfne Teil der Aborigines 1*)
suchte vom Fischfang zu leben. Sie wurden Amphibien und lebten,
wie ein englischer Schriftsteller sagt, halb auf dem Land und
halb auf dem Wasser und lebten mit alledem nur halb von beiden.
218)
#759# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
Aber die braven Gaelen sollten noch schwerer ihre bergromantische
Idolatrie für die "großen Männer" des Clans abbüßen. Der Fischgeruch stieg den großen Männern in die Nase. Sie witterten etwas
Profitliches dahinter und verpflichteten das Seegestade den
großen Fischhändlern von London. Die Gaelen wurden zum zweitenmal
verjagt. 219)
Endlich aber wird ein Teil der Schaftriften rückverwandelt in
Jagdrevier. Man weiß, daß es keine eigentlichen Wälder in England
gibt. Das Wild in den Parks der Großen ist konstitutionelles
Hausvieh, fett wie Londoner Aldermen. Schottland ist daher das
letzte Asyl der "noblen Passion".
"In den Hochlanden", sagt Somers 1848, "sind die Waldungen sehr
ausgedehnt worden. Hier auf der einen Seite von Gaick habt ihr
den neuen Wald von Glenfeshie und dort auf der andren Seite den
neuen Wald von Ardverikie. In derselben Linie habt ihr den BleakMount, eine ungeheure Wüste, neulich errichtet. Von Ost zu West,
von der Nachbarschaft von Aberdeen bis zu den Klippen von Oban,
habt ihr jetzt eine fortlaufende Waldlinie, während sich in andren Teilen der Hochlande die neuen Wälder von Loch Archaig, Glengarry, Glenmoriston etc. befinden... Die Verwandlung ihres Landes
in Schafweide... trieb die Gaelen auf unfruchtbarem Boden. Jetzt
fängt Rotwild an, das Schaf zu ersetzen, und treibt jene in noch
zermalmenderes Elend... Die Wildwaldungen 219a) und das Volk können nicht nebeneinander existieren. Eins oder das andre muß jedenfalls den Platz räumen. Laßt die Jagden in Zahl und Umfang im
nächsten Vierteljahrhundert wachsen wie im vergangenen, und ihr
werdet keinen Gaelen mehr auf seiner heimischen Erde finden.
Diese Bewegung unter den Hochlands-Eigentümern ist teils der Mode
geschuldet, aristokratischem Kitzel, Jagdliebhaberei usw.. teils
aber betreiben sie den Wildhandel ausschließlich mit einem Auge
auf den Profit. Denn es ist Tatsache, daß ein Stück Bergland, in
Jagdung angelegt, in vielen Fällen ungleich profitabler ist denn
als Schaftrift... Der Liebhaber, der ein Jagdrevier sucht, beschränkt sein Angebot nur durch die Weite seiner Börse... Leiden
sind über die
#760# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Hochlande verhängt worden nicht minder grausam, als die Politik
normännischer Könige sie über England verhing. Rotwild hat freieren Spielraum erhalten, während die Menschen in engen und engern
Zirkel gehetzt wurden... Eine Freiheit des Volks nach der andren
ward ihm geraubt... Und die Unterdrückung wächst noch täglich.
Lichtung und Vertreibung des Volks werden von den Eigentümern als
festes Prinzip verfolgt, als eine agrikole Notwendigkeit, ganz
wie Bäume und Gesträuch in den Wildnissen Amerikas und Australiens wewfegt werden, und die Operation geht ihren ruhigen, geschäftsmägigen Gang." 220)
Der Raub der Kirchengüter, die fraudulente Veräußerung der
Staatsdomänen, der Diebstahl des Gemeindeeigentums, die usurpatorische und mit rücksichtslosem Terrorismus vollzogne Verwandlung
von feudalem und Claneigentum in modernes Privateigentum, es waren ebenso viele
#761# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
idyllische Methoden der ursprünglichen Akkumulation. Sie eroberten das Feld für die kapitalistische Agrikultur, einverleibten
den Grund und Boden dem Kapital und schufen der städtischen Industrie die nötige Zufuhr von vogelfreiem Proletariat.
3. Blutgesetzgebung gegen die Expropriierten seit Ende des 15.
Jahrhunderts. Gesetze zur Herabdrückung des Arbeitslohns
Die durch Auflösung der feudalen Gefolgschaften und durch stoßweise, gewaltsame Expropriation von Grund und Boden Verjagten,
dies vogelfreie Proletariat konnte unmöglich ebenso rasch von der
aufkommenden Manufaktur absorbiert werden, als es auf die Welt
gesetzt ward. Andrerseits
#762# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
konnten die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebensbahn Herausgeschleuderten sich nicht ebenso plötzlich in die Disziplin des
neuen Zustandes finden. Sie verwandelten sich massenhaft in Bettler, Räuber, Vagabunden, zum Teil aus Neigung, in den meisten
Fällen durch den Zwang der Umstände. Ende des 15. und während des
ganzen 16. Jahrhunderts daher in ganz Westeuropa eine Blutgesetzgebung wider Vagabundage. Die Väter der jetzigen Arbeiterklasse
wurden zunächst gezüchtigt für die ihnen angetane Verwandlung in
Vagabunden und Paupers. Die Gesetzgebung behandelte sie als
"freiwillige" Verbrecher und unterstellte, daß es von ihrem guten
Willen abhänge, in den nicht mehr existierenden alten Verhältnissen fortzuarbeiten.
In England begann jene Gesetzgebung unter Heinrich VII.
Heinrich VIII., 1530: Alte und arbeitsunfähige Bettler erhalten
eine Bettellizenz. Dagegen Auspeitschung und Einsperrung für
handfeste Vagabunden. Sie sollen an einen Karren hinten angebunden und gegeißelt werden, bis das Blut von ihrem Körper strömt,
dann einen Eid schwören, zu ihrem Geburtsplatz oder dorthin, wo
sie die letzten drei Jahre gewohnt, zurückzukehren und "sich an
die Arbeit zu setzen" (to put himself to labour). Welche grausame
Ironie! 27 Heinrich VIII. 1*) wird vorige
#763# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
Statut wiederholt, aber durch neue Zusätze verschärft. Bei zweiter Ertappung auf Vagabundage soll die Auspeltschung wiederholt
und das halbe Ohr abgeschnitten, bei drittem Rückfall aber der
Betroffne als schwerer Verbrecher und Feind des Gemeinwesens hingerichtet werden.
Edward VI.: Ein Statut aus seinem ersten Regierungsjahr, 1547,
verordnet, daß, wenn jemand zu arbeiten weigert, soll er als
Sklave der Person zugeurteilt werden, die ihn als Müßiggänger denunziert hat. Der Meister soll seinen Sklaven mit Brot und Wasser
nähren, schwachem Getränk und solchen Fleischabfällen, wie ihm
passend dünkt. Er hat das Recht, ihn zu jeder auch noch so eklen
Arbeit durch Auspeitschung und Ankettung zu treiben. Wenn sich
der Sklave für 14 Tage entfernt, ist er zur Sklaverei auf Lebenszeit verurteilt und soll auf Stirn oder Backen mit dem Buchstaben
S gebrandmarkt, wenn er zum drittenmal fortläuft, als Staatsverräter hingerichtet werden. Der Meister kann ihn verkaufen, vermachen, als Sklaven ausklingen, ganz wie andres bewegliches Gut und
Vieh. Unternehmen die Sklaven etwas gegen die Herrschaft, so sollen sie ebenfalls hingerichtet werden. Friedensrichter sollen auf
Information den Kerls nachspüren. Findet sich, daß ein Herumstreicher drei Tage gelungert hat, so soll er nach seinem Geburtsort gebracht, mit rotglühendem Eisen auf die Brust mit dem
Zeichen V gebrandmarkt, und dort in Ketten auf der Straße oder zu
sonstigen Diensten verwandt werden. Gibt der Vagabund einen
falschen Geburtsort an, so soll er zur Strafe der lebenslängliche
Sklave dieses Orts, der Einwohner oder Korporation sein und mit S
gebrandmarkt werden. Alle Personen haben das Recht, den Vagabunden ihre Kinder wegzunehmen und als Lehrlinge, Jungen bis zum 24.
Jahr, Mädchen bis zum 20. Jahr, zu halten. Laufen sie weg, so
sollen sie bis zu diesem Alter die Sklaven der Lehrmeister sein,
die sie in Ketten legen, geißeln etc. können, wie sie wollen. Jeder Meister darf einen eisernen Ring um Hals, Arme oder Beine
seines Sklaven legen, damit er ihn besser kennt und seiner sicherer ist. 221) Der letzte Teil dieses Status sieht vor, daß gewisse Arme von dem Ort oder den Individuen beschäftigt werden
sollen, die ihnen zu essen und zu trinken geben und Arbeit für
sie finden wollen. Diese Sorte Pfarreisklaven hat sich bis tief
ins 19. Jahrhundert in England erhalten unter dem Namen roundsmen
(Umgeher).
#764# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Elisabeth, 1572: Bettler ohne Uzenz und über 14 Jahre alt sollen
hart gepeitscht und am linken Ohrlappen gebrandmarkt werden,
falls sie keiner für zwei Jahre in Dienst nehmen will; im Wiederholungsfall, wenn über 18 Jahre alt, sollen sie - hingerichtet
werden, falls sie niemand für zwei Jahre in Dienst nehmen will,
bei dritter Rezidive aber ohne Gnade als Staatsverräter hingerichtet werden. Ähnliche Statute: 18 Elisabeth c. 13 und 1597.
221a)
Jakob I.: Eine herumwandernde und bettelnde Person wird für einen
Landstreicher und Vagabunden erklärt. Die Friedensrichter in den
Petty Sessions [170] sind bevollmächtigt, sie öffentlich auspeitschen zu lassen und bei erster Ertappung 6 Monate, bei zweiter 2
Jahre ins Gefängnis zu sperren.
#765# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
Während des Gefängnisses soll sie so oft und soviel gepeitscht
werden, als die Friedensrichter für gut halten... Die unverbesserlichen und gefährlichen Landstreicher sollen auf der linken
Schulter mit R gebrandmarkt und an die Zwangsarbeit gesetzt, und
wenn man sie wieder auf dem Bettel ertappt, ohne Gnade hingerichtet werden. Diese Anordnungen, gesetzlich bis in die erste Zeit
des 18. Jahrhunderts, wurden erst aufgehoben durch 12 Anna c. 23.
Ähnliche Gesetze in Frankreich, wo sich Mitte des 17. Jahrhunderts ein Vagabundenkönigreich (royaume des truands) zu Paris
etabliert hatte. Noch in der ersten Zeit Ludwigs XVI. (Ordonnanz
vom 13. Juli 1777) sollte jeder gesund gebaute Mensch vom 16. bis
60. Jahr, wenn ohne Existenzmittel und Ausübung einer Profession,
auf die Galeeren geschickt werden. Ähnlich das Statut Karls V.
für die Niederlande vom Oktober 1537, das erste Edikt der Staaten
und Städte von Holland vom 19. März 1614, das Plakat der Vereinigten Provinzen vom 25. Juni 1649 usw.
So wurde das von Grund und Boden gewaltsam expropriierte, verjagte und zum Vagabunden gemachte Landvolk durch grotesk-terroristische Gesetze in eine dem System der Lohnarbeit notwendige Disziplin hineingepeitscht, -gebrandmarkt, -gefoltert.
Es ist nicht genug, daß die Arbeitsbedingungen auf den einen Pol
als Kapital treten und auf den andren Pol Menschen, welche nichts
zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft. Es genügt auch nicht,
sie zu zwingen, sich freiwillig zu verkaufen. Im Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelt sich eine Arbeiterklasse,
die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen jener
Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt.
Die Organisation des ausgebildeten kapitalistischen Produktionsprozesses bricht jeden Widerstand, die beständige Erzeugung einer
relativen Übervölkerung hält das Gesetz der Zufuhr von und Nachfrage nach Arbeit und daher den Arbeitslohn in einem den Verwertungsbedürfnissen des Kapitals entsprechenden Gleise, der stumme
Zwang der ökonomischen Verhältnisse besiegelt die Herrschaft des
Kapitalisten über den Arbeiter. Außerökonomische, unmittelbare
Gewalt wird zwar immer noch angewandt, aber nur ausnahmsweise.
Für den gewöhnlichen Gang der Dinge kann der Arbeiter den
"Naturgesetzen der Produktion" überlassen bleiben, d.h. seiner
aus den Produktionsbedingungen selbst entspringenden, durch sie
garantierten und verewigten Abhängigkeit vom Kapital. Anders während der historischen Genesis der kapitalistischen Produktion.
Die aufkommende Bourgeoisie braucht und verwendet die Staatsgewalt, um den Arbeitslohn zu "regulieren", d.h. innerhalb der
#766# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Plusmacherei zusagender Schranken zu zwängen, um den Arbeitstag
zu verlängern und den Arbeiter selbst in normalem Abhängigkeitsgrad zu erhalten. Es ist dies ein wesentliches Moment der sog.
ursprünglichen Akkumulation.
Die Klasse der Lohnarbeiter, die in der letzten Hälfte des 14.
Jahrhunderts entstand, bildete damals und im folgenden Jahrhundert nur einen sehr geringen Volksbestandteil, der in seiner
Stellung stark beschützt war durch die selbständige Bauernwirtschaft auf dem Land und die Zunftorganisation der Stadt. In Land
und Stadt standen sich Meister und Arbeiter sozial nahe. Die Unterordnung der Arbeit unter das Kapital war nur formell, d.h. die
Produktionsweise selbst besaß noch keinen spezifisch kapitalistischen Charakter. Das variable Element des Kapitals wog sehr vor
über sein konstantes. Die Nachfrage nach Lohnarbeit wuchs daher
rasch mit jeder Akkumulation des Kapitals, während die Zufuhr von
Lohnarbeit nur langsam nachfolgte. Ein großer Teil des nationalen
Produkts, später in Akkumulationsfonds des Kapitals verwandelt,
damals noch ein in den Konsumtionsfonds des Arbeiters.
Die Gesetzgebung über die Lohnarbeit, von Haus aus auf Exploitation des Arbeiters gemünzt und ihm in ihrem Fortgang stets gleich
feindlich 222), wird in England eröffnet durch das Statute of Labourers 1*) Edwards III., 1349. Ihm entspricht in Frankreich die
Ordonnanz von 1350, erlassen im Namen des Königs Jean. Die englische und französische Gesetzgebung laufen parallel und sind dem
Inhalt nach identisch. Soweit die Arbeiterstatuten Verlängerung
des Arbeitstags zu erzwingen suchen, komme ich nicht auf sie zurück, da dieser Punkt früher (8. Kapitel, 5) erörtert.
Das Statute of Labourers wurde erlassen auf dringende Klage des
Hauses der Gemeinen.
"Früher", sagt naiv ein Tory, "verlangten die Armen so hohen ArbeitsIohn, daß sie Industrie und Reichtum bedrohten. Jetzt ist
ihr Lohn so niedrig, daß er ebenfalls Industrie und Reichtum bedroht, aber anders und vielleicht gefährlicher als damals." 223)
--
222) "Wann immer die Gesetzgebung versucht, die Differenzen zwischen Unternehmern und ihren Arbeitern zu regeln, sind ihre Ratgeber immer die Unternehmer" sagt A. Smith. [149] "Der Geist der
Gesetze ist das Eigentum", sagt Linguet. [148]
223) [J. B. Byles,] "Sophisms of Free Trade. By a Barrister",
Lond. 1850, p. 206. Er setzt maliziös hinzu: "Wir waren stets bei
der Hand, für den Anwender einzuschreiten. Kann nichts geschehn
für den Angewandten?"
#767# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
Ein gesetzlicher Lohntarif ward festgesetzt für Stadt und Land,
für Stückwerk und Tagwerk. Die ländlichen Arbeiter sollen sich
aufs Jahr, die städtischen "auf offnem Markt" verdingen. Es wird
bei Gefängnisstrafe untersagt, höheren als den statutarischen
Lohn zu zahlen, aber der Empfang höheren Lohns wird stärker bestraft als seine Zahlung. So wird auch noch in Sect. 18 und 19
des Lehrlingsstatuts von Elisabeth zehntägige Gefängnisstrafe
über den verhängt, der höheren Lohn zahlt, dagegen einundzwanzigtägige Gefängnisstrafe über den, der ihn nimmt. Ein Statut von
1360 verschärfte die Strafen und ermächtigte den Meister sogar,
durch körperlichen Zwang Arbeit zum gesetzlichen Lohntarif zu erpressen. Alle Kombinationen, Verträge, Eide usw., wodurch sich
Maurer und Zimmerleute wechselseitig banden, werden für null und
nichtig erklärt. Arbeiterkoalition wird als schweres Verbrechen
behandelt vom 14. Jahrhundert bis 1825, dem Jahr der Abschaffung
der Antikoalitionsgesetze [126]. Der Geist des Arbeiterstatuts
von 1349 und seiner Nachgeburten leuchtet hell daraus hervor, daß
zwar ein Maximum des Arbeitslohns von Staats wegen diktiert wird,
aber beileibe kein Minimum.
Im 16. Jahrhundert hatte sich, wie man weiß, die Lage der Arbeiter sehr verschlechtert. Der Geldlohn stieg, aber nicht im Verhältnis zur Depreziation des Geldes und dem entsprechenden Steigen der Warenpreise. Der Lohn fiel also in der Tat. Dennoch dauerten die Gesetze zum Behuf seiner Herabdrückung fort zugleich
mit dem Ohrenabschneiden und Brandmarken derjenigen, die niemand
in Dienst nehmen wollte". Durch das Lehrlingsstatut 5 Elisabeth
c. 3 wurden die Friedensrichter ermächtigt, gewisse Löhne festzusetzen und nach Jahreszeiten und Warenpreisen zu modifizieren.
Jakob I. dehnte diese Arbeitsregulation auch auf Weber, Spinner
und alle möglichen Arbeiterkategorien aus 224), Georg II. die Gesetze gegen Arbeiterkoalition auf alle Manufakturen.
#768# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
In der eigentlichen Manufakturperiode war die kapitalistische
Produktionsweise hinreichend erstarkt, um gesetzliche Regulation
des Arbeitslohns ebenso unausführbar als überflüssig zu machen,
aber man wollte für den Notfall die Waffen des alten Arsenals
nicht entbehren. Noch 8 George II. verbot für Schneidergesellen
in London und Umgegend mehr als 2 sh. 7 1/2 d. Taglohn, außer in
Fällen allgemeiner Trauer; noch 13 George III. c. 68 überwies die
Reglung des Arbeitslohns der Seidenwirker den Friedensrichtern;
noch 1796 bedurfte es zweier Urteile der höheren Gerichtshöfe zur
Entscheidung, ob friedensrichterliche Befehle über Arbeitslohn
auch für Nichtagrikulturarbeiter gültig seien; noch 1799 bestätigte ein Parlamentsakt, daß der Lohn der Grubenarbeiter von
Schottland durch ein Statut der Elisabeth und zwei schottische
Akte von 1661 und 1671 reguliert sei. Wie sehr sich unterdes die
Verhältnisse umgewälzt, bewies ein im englischen Unterhaus unerhörter Vorfall. Hier, wo man seit mehr als 400 Jahren Gesetze fabriziert hatte über das Maximum, welches der Arbeitslohn platterdings nicht übersteigen dürfe, schlug Whitbread 17% für Ackerbautaglöhner ein gesetzliches Lohnminimum vor. Pitt widersetzte
sich, gab aber zu, die "Lage der Armen sei grausam (cruel)". Endlich, 1813, wurden die Gesetze über Lohnregulation abgeschafft.
Sie waren eine lächerliche Anomalie, seitdem der Kapitalist die
Fabrik durch seine Privatgesetzgebung regulierte und durch die
Armensteuer den Lohn des Landarbeiters zum unentbehrlichen Minimum ergänzen ließ. Die Bestimmungen der Arbeiterstatute 1*), über
Kontrakte zwischen Meister und Lohnarbeiter, über Terminkündigungen u. dergl., welche nur eine Zivilklage gegen die kontraktbrüchigen Meister, aber Kriminalklage gegen den kontraktbrüchigen
Arbeiter erlauben, stehn bis zur Stunde in voller Blüte.
Die grausamen Gesetze gegen die Koalitionen fielen 1825 vor der
drohenden Haltung des Proletariats. Trotzdem fielen sie nur zum
Teil. Einige schöne Überbleibsel der alten Statute verschwanden
erst 1859. Endlich beanspruchte
#769# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
der Parlamentsakt vom 29. Juni 1871 die letzten Spuren dieser
Klassengesetzgebung zu beseitigen durch gesetzliche Anerkennung
der Trades' Unions. Aber ein Parlamentsakt vom selben Datum (An
act to amend the criminal law relating to violence, threats and
molestation 1*)) stellte tatsächlich den vorigen Stand in neuer
Form wieder her. Durch diese parlamentarische Eskamotage wurden
die Mittel, deren sich die Arbeiter bedienen können bei einem
Strike oder Lock-out (Strike der verbündeten Fabrikanten durch
gleichzeitigen Schluß ihrer Fabriken), dem gemeinen Recht entzogen und unter eine Ausnahms-Strafgesetzgebung gestellt, deren Interpretation den Fabrikanten selbst, in ihrer Eigenschaft als
Friedensrichter, anheimfiel. Zwei Jahre vorher hatten dasselbe
Unterhaus und derselbe Herr Gladstone in bekannter ehrlicher
Weise einen Gesetzentwurf eingebracht zur Abschaffung aller Ausnahms-Strafgesetze gegen die Arbeiterklasse. Aber weiter als zur
zweiten Lesung ließ man es nie kommen, und so schleppte man die
Sache in die Länge, bis endlich die "große liberale Partei" durch
eine Allianz mit den Tories den Mut gewann, sich entschieden gegen dasselbe Proletariat zu wenden, das sie zur Herrschaft gebracht hatte. Nicht zufrieden mit diesem Verrat, erlaubte die
"große liberale Partei" den im Dienst der herrschenden Klassen
allzeit schweifwedelnden englischen Richtern, die verjährten Gesetze über "Konspirationen" wieder auszugraben und sie auf Arbeiterkoalltionen anzuwenden. Man sieht, nur widerwillig und unter
dem Druck der Massen verzichtete das englische Parlament auf die
Gesetze gegen Strikes und Trades' Unions, nachdem es selbst, fünf
Jahrhunderte hindurch, mit schamlosem Egoismus die Stellung einer
permanenten Trades' Union der Kapitalisten gegen die Arbeiter behauptet hatte.
Gleich im Beginn des Revolutionssturms wagte die französische
Bourgeoisie das eben erst eroberte Assoziationsrecht den Arbeitern wieder zu entziehn. Durch Dekret vom 14. Juni 1791 erklärte
sie alle Arbeiterkoalition für ein Attentat auf die Freiheit und
die Erklärung der Menschenrechte strafbar mit 500 Livres nebst
einjähriger Entziehung der aktiven Bürgerrechte. 225) Dies Gesetz, welches den Konkurrenzkampf zwischen Kapital
#770# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
und Arbeit staatspolizeilich innerhalb dem Kapital bequemer
Schranken einzwängt, überlebte Revolutionen und Dynastiewechsel.
Selbst die Schreckensregierung [171] ließ es unangetastet. Es
ward erst ganz neulich aus dem Code Pénal gestrichen. Nichts charakteristischer als der Vorwand dieses bürgerlichen Staatsstreichs. "Obgleich", Le Chapelier, der Berichterstatter, "es
wünschenswert, daß der Arbeitslohn höher steige, als er jetzt
steht, damit der, der ihn empfängt, außerhalb der durch die Entbehrung der notwendigen Lebensmittel bedingten absoluten Abhängigkeit sei, welche fast die Abhängigkeit der Sklaverei ist",
dürfen dennoch die Arbeiter sich nicht über ihre Interessen verständigen, gemeinsam handeln und dadurch ihre "absolute Abhängigkeit, welche fast Sklaverei ist", mäßigen, weil sie eben dadurch
"die Freiheit ihrer ci-devant maîtres 1*), der jetzigen Unternehmer", verletzen (die Freiheit, die Arbeiter in der Sklaverei zu
erhalten!) und weil eine Koalition gegen die Despotie der ehemaligen Meister der Korporationen - man rate! - eine Herstellung
der durch die französische Konstitution abgeschafften Korporationen ist 226)
#771# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
In England ist die erste Form des Pächters der selbst leibeigne
Bailiff. Seine Stellung ist ähnlich der des altrömischen Villicus, nur in engerer Wirkungssphäre. Während der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts wird er ersetzt durch einen Pächter, den der
Landlord mit Samen, Vieh und Ackerwerkzeug versieht. Seine Lage
ist nicht sehr verschieden von der des Bauern. Nur beutet er mehr
Lohnarbeit aus. Er wird bald Metayer, Halbpächter. Er stellt
einen Teil des Ackerhaukapitals, der Landlord den andren. Beide
teilen das Gesamtprodukt in kontraktlich bestimmter Proportion.
Diese Form verschwindet in England rasch, um der des eigentlichen
Pächters Platz zu machen, welcher sein eignes Kapital durch Anwendung von Lohn. Arbeitern verwertet und einen Teil des Mehrprodukts, in Geld oder in natura, dem Landlord als Grundrente zahlt.
Solange, während des 15. Jahrhunderts, der unabhängige Bauer und
der neben dem Lohndienst zugleich selbstwirtschaftende Ackerknecht sich selbst durch ihre Arbeit bereichern, bleiben die Umstände des Pächters und sein Produktionsfeld gleich mittelmäßig.
Die Agrikulturrevolution im letzten Dritteil des 15. Jahrhunderts, die fast während des ganzen 16. Jahrhunderts (jedoch mit
Ausnahme seiner letzten Dezennien) fortwährt, bereichert ihn
ebenso rasch, als sie das Landvolk verarmt. 227) Die Usurmtion
von Gemeindeweiden usw. erlaubt ihm große Vermehrung seines Viehstands fast ohne Kosten, während ihm das Vieh reichlichere Düngungsmittel zur Bestellung des Bodens liefert. Im 16. Jahrhundert
kommt ein entscheidend wichtiges Moment hinzu. Damals waren die
Pachtkontrakte lang, oft für 99 Jahre laufend. Der fortdauernde
Fall im Wert der edlen Metalle und daher des Geldes trug den
Pächtern goldne Früchte. Er senkte, von allen andren, früher erörterten Umständen abgesehn, den Arbeitslohn. Ein Bruchstück desselben wurde zum Pachtprofit geschlagen. Das fortwährende Steigen
der Preise von Korn, Wolle, Fleisch, kurz sämtlicher Agrikulturprodukte, schwellte das Geldkapital des Pächters ohne sein Zutun,
während die Grundrente, die er zu zahlen hatte, im veralteten
Geldwert kontrahiert war. 228) So bereicherte er
#772# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
sich gleichzeitig auf Kosten seiner Lohnarbeiter und seines
Landlords. Kein Wunder also, wenn England Ende des 16. Jahrhundens eine Klasse für die damaligen Verhältnisse reicher
"Kapitalpächter" besaß. 229)
#773# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
5. Rückwirkung der agrikolen Revolution auf die Industrie. Herstellung des innern Markts für das industrielle Kapital
Die stoßweise und stets erneuerte Expropriation und Verjagung des
Landvolks lieferte, wie man sah, der städtischen Industrie wieder
und wieder Massen ganz außerhalb der Zunftverhältnisse stehender
Proletarier, ein weiser Umstand, der den alten A. Anderson (nicht
zu verwechseln mit James Anderson) in seiner Handelsgeschichte an
direkte Intervention der Vorsehung glauben läßt. Wir müssen noch
einen Augenblick bei diesem Element der ursprünglichen Akkumulation verweilen. Der Verdünnung des unabhängigen, selbstwirtschaftenden Landvolks entsprach nicht nur die Verdichtung des industriellen Proletariats, wie Geoffroy Saint-Hilaire die Verdichtung der Weltmaterie hier durch ihre Verdünnung dort erklärt.
230) Trotz der verminderten Zahl seiner Bebauer trug der Boden
nach wie vor gleich viel oder mehr Produkt, weil die Revolution
in den Grundeigentumsverhältnissen von verbesserten Methoden der
Kultur, größerer Kooperation, Konzentration der Produktionsmittel
usw. begleitet war und weil die ländlichen Lohnarbeiter nicht nur
intensiver angespannt Wurden 231), sondern auch das Produktionsfeld, worauf sie für sich selbst arbeiteten, mehr und mehr zusammenschmolz. Mit dem freigesetzten Teil des Landvolks werden also
auch seine frühern Nahrungsmittel freigesetzt. Sie verwandeln
sich jetzt in stoffliches Element des variablen Kapitals. Der an
die Luft gesetzte Bauer muß ihren Wert von seinem neuen Herrn,
dem industriellen Kapitalisten, in der Form des Arbeitslohns erkaufen. Wie mit den
#774# VII. Abschnitt - Der Akkumulation des Kapitals
Lebensmitteln verhielt es sich mit dem heimischen agrikolen
Rohmaterial der Industrie. Es verwandelte sich in ein Element des
konstanten Kapitals.
Man unterstelle z.B. einen Teil der westfälischen Bauern, die zu
Friedrichs II. Zeit alle Flachs, wenn auch keine Seide spannen,
gewaltsam expropriiert und von Grund und Boden verjagt, den andren zurückbleibenden Teil aber in Taglöhner großer Pächter verwandelt. Gleichzeitig erheben sich große Machsspinnereien und Webereien, worin die "Freigesetzten" nun lohnarbeiten. Der Machs
sieht grad aus wie vorher. Keine Fiber an ihm ist verändert, aber
eine neue soziale Seele ist ihm in den Leib gefahren. Er bildet
jetzt einen Teil des konstanten Kapitals der Manufakturherrn.
Früher verteilt unter eine Unmasse kleiner Produzenten, die ihn
selbst bauten und in kleinen Portionen mit ihren Familien verspannen, ist er jetzt konzentriert in der Hand eines Kapitalisten, der andre für sich spinnen und weben läßt. Die in der
Flachsspinnerei verausgabte Extraarbeit realisierte sich früher
in Extraeinkommen zahlloser Bauernfarmilien oder auch, zu Friedrichs II. Zeit, in Steuern pour le roi de Prusse 1*). Sie realisiert sich jetzt im Profit weniger Kapitalisten. Die Spindeln und
Webstühle, früher verteilt über das flache Land, sind jetzt in
wenig große Arbeitskasernen zusammengerückt, wie die Arbeiter,
wie das Rohmaterial. Und Spindeln und Webstühle und Rohmaterial
sind aus Mitteln unabhängiger Existenz für Spinner und Weber von
nun an verwandelt in Mittel, sie zu kommandieren 232) und ihnen
unbezahlte Arbeit auszusaugen. Den großen Manufakturen, wie den
großen Pachtungen, sieht man es nicht an, daß sie aus vielen
kleinen Produktionsstätten zusammengeschlagen und durch die Exproptiation vieler kleinen unabhängigen Produzenten gebildet
sind. Jedoch läßt sich die unbefangne Anschauung nicht beirren.
Zur Zeit Mirabeaus, des Revolutionslöwen, hießen die großen Manufakturen noch manufactures réunies, zusammengeschlagne Werkstätten, wie wir von zusammengeschlagnen Äckern sprechen.
"Man sieht nur", wie Mirabeau, die großen Manufakturen, wo Hunderte von Menschen unter einem Direktor arbeiten und die man gewöhnlich vereinigte Manufakturen
#775# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
(manufactures réunies) nennt. Diejenigen dagegen, wo eine sehr
große Anzahl Arbeiter zersplittert und jeder für seine eigne
Rechnung arbeitet, werden kaum eines Blicks gewürdigt. Man stellt
sie ganz in den Untergrund. Dies ist ein sehr großer Irrtum, denn
sie allein bilden einen wirklich wichtigen Bestandteil des Volksreichtums... Die vereinigte Fabrik (fabrique réunie) wird einen
oder zwei Unternehmer wunderbar bereichern, aber die Arbeiter
sind nur besser oder schlechter bezahlte Taglöhner und nehmen in
nichts am Wohlsein des Unternehmers teil. In der getrennten Fabrik (fabrique séparée) dagegen wird niemand reich, aber eine
Menge Arbeiter befindet sich im Wohlstand... Die Zahl der fleißigen und wirtschaftlichen Arbeiter wird wachsen, weil sie in weiser Lebensart, in Tätigkeit ein Mittel erblicken, ihre wesentlich zu verbessern, mit eine kleine Lohnerhöhung zu gewinnen, die
niemals ein wichtiger Gegenstand für die Zukunft sein kann, sondern die Leute höchstens befähigt, etwas besser von der Hand in
den Mund zu leben. Die getrennten indivisuellen Manufakturen,
meist mit kleiner Landwirtschaft verbunden, sind die freien."
233)
Die Expropriation und Verjagung eines Teils des Landvolks setzt
mit den Arbeitern nicht nur ihre Lebensmittel und ihr Arbeitsmaterial für das industrielle Kapital frei, sie schafft den innern
Markt.
In der Tat, die Ereignisse, die die Kleinbauern in Lohnarbeiter
und ihre Lebens- und Arbeitsmittel in sachliche Elemente des Kapitals verwandeln, schaffen gleichzeitig diesem Letztem seinen
inneren Markt. Früher erzeugte und bearbeitete die Bauernfamille
die Lebensmittel und Rohstoffe, die sie nachher größtenteils
selbst verzehrte. Diese Rohstoffe und Lebensmittel sind jetzt Waren geworden; der Großpächter verkauft sie, in den Manufakturen
findet er seinen Markt. Garn, Leinwand, grobe Wollenzeuge, Dinge
deren Rohstoffe sich im Bereich jeder Bauernfamilie vorfanden und
von ihr zum Selbstgebrauch versponnen und verweht wurden - verwandeln sich jetzt in Manufakturartikel, deren Absatzmarkt grade
die Landdistrikte bilden. Die zahlreiche zerstreute Kundschaft,
bisher bedingt durch eine Menge kleiner, für eigne Rechnung arbeitender Produzenten, konzentriert sich jetzt zu einem großen,
vom industriellen Kapital versorgten Markt. 234)
#776# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
So geht Hand in Hand mit der Expropriation früher selbstwirtschaftender Bauern und ihrer Losscheidung von ihren Produktionsmitteln die Vernichtung der ländlichen Nebenindustrie, der Scheidungsprozeß von Manufaktur und Agrikultur. Und nur die Vernichtung des ländlichen Hausgewerbes kann dem innern Markt eines Landes die Ausdehnung und den festen Bestand geben, deren die kapitalistische Produktionsweise bedarf.
Jedoch bringt es die eigentliche Manufakturperiode zu keiner radikalen Umgestaltung. Man erinnert sich, daß sie sich der nationalen Produktion nur sehr stückweis bemächtigt und immer auf
städtischem Handwerk und häuslich-ländlicher Nebenindustrie als
breitem Hntergrund ruht. Wenn sie letztre unter einer Form, in
besondren Geschäftszweigen, auf gewissen Punkten vernichtet, ruft
sie dieselbe auf andren wieder hervor, weil sie derselben zur Bearbeitung des Rohmaterials bis zu einem bestimmten Grad bedarf.
Sie produziert daher eine neue Klasse kleiner Landleute, welche
die Bodenbestellung als Nebenzweig und die industrielle Arbeit
zum Verkauf des Produkts an die Manufaktur - direkt, oder auf dem
Umweg des Kauf manns - als Hauptgeschäft treiben. Dies ist ein
Grund, wenn auch nicht der Hauptgrund, eines Phänomens, welches
den Forscher der englischen Geschichte zunächst verwirrt. Vom
letzten Dritteil des 15. Jahrhunderts an findet er fortlaufende,
nur in gewissen Intervallen unterbrochne Klage über die zunehmende Kapitalwirtschaft auf dem Land und die progressive Vernichtung der Bauerschaft. Andrerseits findet er stets diese Bauerschaft wieder von neuem vor, wenn auch in verminderter Zahl und
unter stets verschlechterter Form. 235) Der Hauptgrund ist: England ist vorzugsweise bald Kornbauer, bald Viehzüchter, in Wechselperioden, und mit ihnen schwankt der Umfang des bäuerlichen
Betriebs. Erst die große Industrie liefert mit den Maschinen die
konstante Grundlage der kapitalistischen Agrikultur, exproprilert
radikal die ungeheure Mehrzahl des Landvolks und vollendet die
Scheidung zwischen Ackerbau und häuslich-ländlichem Gewerbe,
#777# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
dessen Wurzeln sie ausreißt - Spinnerei und Weberei. 236) Sie erobert daher auch erst dem industriellen Kapital den ganzen innern
Markt. 237)
#778# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Städtewesens, wo die Frage, wer von den entlaufenen Leibeignen
soll Meister sein und wer Diener, großenteils durch das frühere
oder spätere Datum ihrer Flucht entschieden wurde. Indes entsprach der Schneckengang dieser Methode in keiner Weise den Handelsbedürfnissen des neuen Weltmarkts, welchen die großen Entdeckungen Ende des 15. Jahrhunderts geschaffen hatten. Aber das Mittelalter hatte zwei verschiedne Formen des Kapitals überliefert,
die in den verschiedensten ökonomischen Gesellschaftsformationen
reifen und, vor der Ära der kapitalistischen Produktionsweise,
als Kapital "quand même" gelten - das Wucherkapital und das Kaufmannskapital.
"Gegenwärtig geht aller Reichtum der Gesellschaft erst in die
Hand des Kapitalisten... er zahlt dem Grundeigentümer die Rente,
dem Arbeiter den Lohn, dem Steuer- und Zehntenkollektor ihre Ansprache und behält einen großen, in der Tat den größten und täglich anwachsenden Teil des jährlichen Produkts der Arbeit für
sich selbst. Der Kapitalist kann jetzt als der Eigner des ganzen
gesellschaftlichen Reichtums in erster Hand betrachtet werden,
obgleich kein Gesetz ihm das Recht auf dies Eigentum übertragen
hat... Dieser Wechsel im Eigentum wurde durch das Zinsnehmen auf
Kapital bewirkt... und es ist nicht wenig merkwürdig, daß die Gesetzgeber von ganz Europa dies durch Gesetze wider den Wucher
verhindern wollten... Die Macht des Kapitalisten über allen
Reichtum des Landes ist eine vollständige Revolution im Eigentumsrecht, und durch welches Gesetz oder welche Reihe von Gesetzen wurde sie bewirkt?" 239)
Der Verfasser hätte sich sagen sollen, daß Revolutionen nicht
durch Gesetze gemacht werden.
Das durch Wucher und Handel gebildete Geldkapital wurde durch die
Feudalverfassung auf dem Land, durch die Zunftverfassung in den
Städten an seiner Verwandlung in industrielles Kapital behindert.
240) Diese Schranken fielen mit der Auflösung der feudalen Gefolgschaften, mit der Expropriation und teilweisen Verjagung des
Landvolks. Die neue Manufaktur ward in See-Exporthäfen errichtet
oder auf Punkten des flachen Landes, außerhalb der Kontrolle des
alten Städtewesens und seiner Zunftverfassung. In England daher
erbitterter Kampf der corporate towns gegen diese neuen industriellen Pflanzschulen.
#779# 24. Kapitel - Die mpnannte uropliche Akkumulation
Die Entdeckung der Gold- und Silberländer in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingebornen Bevölkerung in
die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Ausplünderung von
Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Geheg zur Handelsjagd auf Schwarzhäute bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation. Auf dem Fuß folgt der Handelskrieg der europäischen Nationen, mit dem Erdrund als Schauplatz. Er wird eröffnet durch den Abfall der Niederlande von Spanien, nimmt Riesenumfang an in Englands Antijakobinerkrieg,
spielt noch fort in den Opiumkriegen gegen China usw.
Die verschiednen Momente der ursprünglichen Akkumulation verteilen sich nun, mehr oder minder in zeitlicher Reihenfolge, namentlich auf Spanien, Portugal, Holland, Frankreich und England. In
England werden sie Ende des 17. Jahrhunderts systematisch zusammengefaßt im Kolonialsystem, Staatsschuldensystem, modernen Steuersystem und Protektionssystem. Diese Methoden beruhn zum Teil
auf brutalster Gewalt, z.B. das Kolonialsystem. Alle aber benutzten die Staatsmacht, die konzentrierte und organisierte Gewalt
der Gesellschaft, um den Verwandlungsprozeß der feudalen in die
kapitalistische Produktionsweise treibhausmäßig zu fördern und
die Übergänge abzukürzen. Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder
alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht. Sie
selbst ist eine ökonomische Potenz.
Von dem christlichen Kolonialsystem sagt ein Mann, der aus dem
Christentum eine Spezialität macht, W. Howitt:
"Die Barbareien und ruchlosen Greueltaten der zog. christlichen
Racen, in jeder Region der Welt und gegen jedes Volk, das sie unterjochen konnten, finden keine Parallele in irgendeiner Ära der
Weltgeschichte, bei irgendeiner Race, ob noch so wild und ungebildet, mitleidlos und schamlos." 241)
Die Geschichte der holländischen Kolonialwirtschaft - und Holland
war die kapitalistische Musternation des 17. Jahrhunderts "entrollt ein unübertreffbares Gemälde von Verrat, Bestechung,
Meuchelmord und
#780# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Niedertracht" 242) Nichts charakteristischer als ihr System des
Menschendiebstahls in Celebes, um Sklaven für Java zu erhalten.
Die Menschenstehler wurden zu diesem Zweck abgerichtet. Der Dieb,
der Dolmetscher und der Verkäufer waren die Hauptagenten in diesem Handel, eingeborne Prinzen die Hauptverkäufer. Die weggestohlne Jugend wurde in den Geheimgefängnissen von Celebes versteckt, bis reif zur Verschickung auf die Sklavenschliffe. Ein
offizieller Bericht sagt:
"Diese eine Stadt von Makassar z.B. ist voll von geheimen Gefängnissen, eins schauderhafter als das andre, gepfropft mit Elenden,
Opfern der Habsucht und Tyrannei, in Ketten gefesselt, ihren Familien gewaltsam entrissen."
Um sich Malakkas zu bemächtigen, bestachen die Holländer den portugiesischen Gouverneur. Er ließ sie 1641 in die Stadt ein. Sie
eilten sofort zu seinem Hause und meuchelmordeten ihn, um auf die
Zahlung der Bestechungssumme von 21 875 Pfd. St. zu "entsagen".
Wo sie die Füße hinsetzten, folgte Verödung und Entvölkerung.
Banjuwangi, eine Provinz von Java, zählte 1750 aber 80 000 Einwohner, 1811 nur noch 8000. Das ist der doux commerce 1*)!
Die Englisch-Ostindische Kompanie [47] erhielt bekanntlich, außer
der politischen Herrschaft in Ostindien, das ausschließliche Monopol des Teehandels wie des chinesischen Handels überhaupt und
des Gütertransports von und nach Europa. Aber die Küstenschiffahrt von Indien und zwischen den Inseln wie der Handel im Innern
Indiens wurden Monopol der höhern Beamten der Kompanie. Die Monopole von Salz, Opium, Betel und andren Waren waren unerschöpfliche Minen des Reichtums. Die Beamten selbst setzten die Preise
fest und schanden nach Belieben den unglücklichen Hindu. Der Generalgouverneur nahm teil an diesem Privathandel. Seine Günstlinge erhielten Kontrakte unter Bedingungen, wodurch sie, klüger
als die Alchimisten, aus nichts Gold machten. Große Vermögen
sprangen wie die Pilze an einem Tage auf, die ursprüngliche Akkumulation ging vonstatten ohne Vorschuß eines Schillings. Die gerichtliche Verfolgung des Warren Hastings wimmelt von solchen
Beispielen. Hier ein Fall. Ein Opiumkontrakt wird einem gewissen
Sullivan zugetellt, im Augenblick seiner Abreise - in öffentlichem Auftrage - nach einem von den Opiumdistrikten ganz entlegnen
Teil Indiens. Sullivan verkauft seinen Kontrakt für 40 000
Pfd.St. an einen
#781# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
gewissen Binn, Binn verkauft ihn denselben Tag für 60 000 Pfd.
St., und der schließliche Käufer und Ausführer des Kontrakts erklärt, daß er hinterher noch einen ungeheuren Gewinn herausschlug. Nach einer dem Parlament vorgelegten Liste ließen sich
die Kompanie und ihre Beamten von 1757 bis 1766 von den Indiern 6
Millionen Pfd. St. schenken! Zwischen 1769 und 1770 fabrizierten
die Engländer eine Hungersnot durch den Aufkauf von allem Reis
und durch Weigerung des Wiederverkaufs außer zu fabelhaften Preisen. 243)
Die Behandlung der Eingebomen war natürlich am tollsten in den
nur zum Exporthandel bestimmten Pflanzungen, wie Westindien, und
in den dem Raubmord preisgegebenen reichen und dichtbevölkerten
Ländern, wie Mexiko und Ostindien. Jedoch auch in den eigentlichen Kolonien verleugnete sich der christliche Charakter der ursprünglichen Akkumulation nicht. Jene nüchternen Virtuosen des
Protestantismus, die Puritaner Neu-Englands, setzten 1703 durch
Beschlüsse ihrer Assembly eine Prämie von 40 Pfd.St. auf jedes
indianische Skalp und jede gefangne Rothaut, 1720 Prämie von 100
Pfd.St. auf jedes Skalp, 1744, nachdem Massachusetts-Bay einen
gewissen Stamm zum Rebellen erklärt hatte, folgende Preise: für
männliches Skalp, 12 Jahre und darüber, 100 Pfd.St. neuer Währung, für männliche Gefangne 105 Pfd.St., für gefangne Weiber und
Kinder 50 Pfd.St., für Skalps von Weibern und Kindern 50 Pfd.St.!
Einige Dezennien später rächte sich das Kolonialsystem an der unterdes aufrührerisch gewordnen Nachkommenschaft der frommen pilgrim fathers. Unter englischem Antrieb und Sold wurden sie tomahawked. Das britische Parlament erklärte Bluthunde und Skalpieren
für "Mittel, welche Gott und die Natur in seine Hand gegeben".
Das Kolonialsystem reifte treibhausmäßig Handel und Schiffahrt.
Die "Gesellschaften Monopolia" (Luther) waren gewaltige Hebel der
Kapital-Konzentration. Den aufschiebenden Manufakturen sicherte
die Kolonie Absatzmarkt und eine durch das Marktmonopol potenzierte Akkumulation. Der außerhalb Europa direkt durch Plünderung, Versklavung und Raubmord erbeutete Schatz floß ins Mutterland zurück und verwandelte sich hier in Kapital. Holland, welches das Kolonialsystem zuerst völlig entwickelte, stand schon
1648 im Brennpunkt seiner Handelsgröße. Es war
"in fast ausschließlichem Besitz des Westindischen Handels und
des Verkehrs zwischen dem europäischen Südwesten und Nordosten.
Seine Fischereien, Seewesen, Manufakturen
#782# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
übertrafen die eines jeden andren Landes. Die Kapitalien der Republik waren vielleicht bedeutender als die des übrigen Europa
insgesamt." [173]
Gülich vergißt hinzuzusetzen: Hollands Volksmasse war schon 1648
mehr überarbeitet, verarmter und brutaler unterdrückt als die des
übrigen Europas insgesamt.
Heutzutage führt industrielle Suprematie die Handelssuprematie
mit sich. In der eigentlichen Manufakturpetiode dagegen ist es
die Handelssuprematie, die die industrielle Vorherrschaft gibt.
Daher die vorwiegende Rolle, die das Kolonialsystem damals
spielte. Es war "der fremde Gott", der sich neben die alten Götzen Europas auf den Altar stellte und sie eines schönen Tages mit
einem Schub und Bautz sämtlich über den Haufen warf. Es proklamierte die Plusmacherei als letzten und einzigen Zweck der
Menschheit.
Das System des öffentlichen Kredits, d.h. der Staatsschulden,
dessen Ursprünge wir in Genua und Venedig schon im Mittelalter
entdecken, nahm Besitz von ganz Europa während der Manufakturperiode. Das Kolonialsystem mit seinem Seehandel und seinen Handelskriegen diente ihm als Treibhaus. So setzte es sich zuerst in
Holland fest. Die Staatsschuld, d.h. die Veräußerung des Staats ob despotisch, konstitutionell oder republikanisch - drückt der
kapitalistischen Ära ihren Stempel auf. Der einzige Teil des sogenannten Nationalreichtums, der wirklich in den Gesamtbesitz der
modernen Völker eingeht, ist - ihre Staatsschuld. 243a) Daher
ganz konsequent die moderne Doktrin, daß ein Volk um so reicher
wird, je tiefer es sich verschuldet. Der öffentliche Kredit wird
zum Credo des Kapitals. Und mit dem Entstehen der Staatsverschuldung tritt an die Stelle der Sünde gegen den heiligen Geist, für
die keine Verzeihung ist, der Treubruch an der Staatsschuld.
Die öffentliche Schuld wird einer der energischsten Hebel der ursprünglichen Akkumulation. Wie mit dem Schlag der Wünschelrute
begabt sie das unproduktive Geld mit Zeugungskraft und verwandelt
es so in Kapital, ohne daß es dazu nötig hätte, sich der von industrieller und selbst wucherischer Anlage unzertrennlichen Mühwaltung und Gefahr auszusetzen. Die Staatsgläubiger geben in
Wirklichkeit nichts, denn die geliehene Summe wird in öffentliche
leicht übertragbare Schuldscheine verwandelt, die in
#783# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
ihren Händen fortfungieren, ganz als wären sie ebensoviel Bargeld. Aber auch abgesehn von der so geschaffnen Klasse müßiger
Rentner und von dem improvisierten Reichtum der zwischen Regierung und Nation die Mittler spielenden Finanziers - wie auch von
dem der Steuerpächter, Kaufleute, Privatfabrikanten, denen ein
gut Stück jeder Staatsanleihe den Dienst eines vom Himmel gefallenen Kapitals leistet - hat die Staatsschuld die Aktiengesellschaften, den Handel mit negoziablen Effekten aller Art, die
Agiotage emporgebracht, in einem Wort: das Börsensspiel und die
moderne Bankokratie.
Von ihrer Geburt an waren die mit nationalen Titeln aufgestutzten
großen Banken nur Gesellschaften von Privatspekulanten, die sich
den Regierungen an die Seite stellten und, dank den erhaltnen
Privilegien, ihnen Geld vorzuschießen imstande waren. Daher hat
die Akkumulation der Staatsschuld keinen unfehlbareren Gradrnesser als das sukzessive Steigen der Aktien dieser Banken, deren
volle Entfaltung von der Gründung der Bank von England datiert
(1694). Die Bank von England begann damit, der Regierung ihr Geld
zu 8% zu verleihen; gleichzeitig war sie vom Parlament ermächtigt, aus demselben Kapital Geld zu münzen, indem sie es dem Publikum nochmals in Form von Banknoten lieh. Sie durfte mit diesen
Noten Wechsel diskontieren, Waren beleihen und edle Metalle einkaufen. Es dauerte nicht lange, so wurde dies von ihr selbst fabrizierte Kreditgeld die Münze, worin die Bank von England dem
Staat Anleihen machte und für Rechnung des Staats die Zinsen der
öffentlichen Schuld bezahlte. Nicht genug, daß sie mit einer Hand
gab, um mit der andern mehr zurückzuempfangen; sie blieb auch,
während sie empfing, ewige Gläubigerin der Nation bis zum letzten
gegebnen Heller. Allmählich wurde sie der unvermeidliche Behälter
der Metallschätze des Landes und das Gravitationszentrum des gesamten Handelskredits. Um dieselbe Zeit, wo man in England aufhörte, Hexen zu verbrennen, fing man dort an, Banknotenfälscher
zu hängen. Welchen Effekt auf die Zeitgenossen das plötzliche
Auftauchen dieser Brut von Bankokraten, Finanziers, Rentiers,
Maklern, Stockjobbers und Börsenwölfen machte, beweisen die
Schriften jener Zeit, z.B. Bolingbrokes. 243b)
Mit den Staatsschulden entstand ein internationales Kreditsystem,
das häufig eine der Quellen der ursprünglichen Akkumulation bei
diesem oder jenem Volk versteckt. So bilden die Gemeinheiten des
venetianischen Raubsystems
#784# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
eine solche verborgne Grundlage des Kapitalreichtums von Holland,
dem das verfallende Venedig große Geldsummen lieh. Ebenso verhält
es sich zwischen Holland und England. Schon im Anfang des 18.
Jahrhundens sind die Manufakturen Hollands weit überflügelt und
hat es aufgehört, herrschende Handels- und Industrienation zu
sein. Eins seiner Hauptgeschäfte von 1701-1776 wird daher das
Ausleihen ungeheurer Kapitalien, speziell an seinen mächtigen
Konkurrenten England. Ähnliches gilt heute zwischen England und
den Vereinigten Staaten. Manch Kapital, das heute in den Vereinigten Staaten ohne Geburtsschein auftritt, ist erst gestern in
England kapitalisiertes Kinderblut.
Da die Staatsschuld ihren Rückhalt in den Staatseinkünften hat,
die die jährlichen Zins- usw. Zahlungen decken müssen, so wurde
das moderne Steuersystem notwendige Ergänzung des Systems der Nationalanleihen. Die Anleihen befähigen die Regierung, außerordentliche Ausgaben zu streiten, ohne daß der Steuerzahler es sofort fühlt, aber sie erfordern doch für die Folge erhöhte Steuern. Andrerseits zwingt die durch Anhäufung nacheinander kontrahierter Schulden verursachte Steuererhöhung die Regierung, bei
neuen außerordentlichen Ausgaben stets neue Anleihen aufzunehmen.
Die moderne Fiskalität, deren Drehungsachse die Steuern auf die
notwendigsten Lebensmittel (also deren Verteuerung) bilden, trägt
daher in sich selbst den Keim automatischer Progression. Die
Überbesteuerung ist nicht ein Zwischenfall, sondern vielmehr
Prinzip. In Holland, wo dies System zuerst inauguriert, hat daher
der große Patriot de Witt es in seinen Maximen gefeiert als das
beste System, um den Lohnarbeiter unterwürfig, frugal, fleißig
und... mit Arbeit überladen zu machen. Der zerstörende Einfluß,
den es auf die Lage der Lohnarbeiter ausübt, geht uns hier jedoch
weniger an als die durch es bedingte gewaltsame Expropriation des
Bauern, des Handwerkers, kurz aller Bestandteile der kleinen Mittelklasse. Darüber bestehn keine zwei Meinungen, selbst nicht bei
den bürgerlichen Ökonomen. Verstärkt wird seine expropriierende
Wirksamkeit noch durch das Protektionssystem, das einer seiner
integrierenden Teile ist.
Der große Anteil an der Kapitalisation des Reichtums und der Expropriation der Massen, der auf die öffentliche Schuld und das
ihr entsprechende Fiskalitätssystem fällt, hat eine Menge
Schriftsteller, wie Cobbett, Doubleday und andre, dahin geführt,
mit Unrecht hierin die Grundursache des Elends der modernen Völker zu suchen.
Das Protektionssystem war ein Kunstmittel, Fabrikanten zu fabrizieren, unabhängige Arbeiter zu expropriieren, die nationalen
Produktions- und Lebensmittel zu kapitalisieren, den Übergang aus
der altertümlichen in die
#785# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
moderne Produktionsweise gewaltsam abzukürzen. Die europäischen
Staaten rissen sich um das Patent dieser Erfindung, und einmal in
den Dienst der Plusmacher eingetreten, brandschatzten sie zu
jenem Behuf nicht nur das eigne Volk, indirekt durch Schzölle,
direkt durch Exportprämien usw. In den abhängigen Nebenlanden
wurde alle Industrie gewaltsam ausgerodet, wie z.B. die irische
Wollmanufaktur durch England. Auf dem europäischen Kontinent ward
nach Colberts Vorgang der Prozeß noch sehr vereinfacht. Das ursprüngliche Kapital des Industriellen fließt hier zum Teil direkt
aus dem Staatsschatz.
"Warum", ruft Mirabeau, "so weit die Ursache des Manufakturglanzes Sachsens vor dem Siebenjährigen Krieg suchen gehn? 180 Millionen Staatsschulden!" 244)
Kolonialsystem, Staatsschulden, Steuerwucht, Protektion, Handelskriege usw., diese Sprößlinge der eigentlichen Manufakturperiode,
schwellen riesenhaft während der Kinderperiode der großen Industrie. Die Geburt der letztren wird gefeiert durch den großen herodischen Kinderraub. Wie die königliche Flotte, rekrutieren sich
die Fabriken vermittelst der Presse. So blasiert Sir F. M. Eden
ist über die Greuel der Expropriation des Landvolks von Grund und
Boden seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts bis zu seiner
Zeit, dem Ende des 18. Jahrhunderts, so selbstgefällig er gratuliert zu diesem Prozeß, "notwendig", um die kapitalistische Agrikultur und das wahre Verhältnis von Ackerland und Viehweide
"herzustellen", beweist er dagegen nicht dieselbe ökonomische
Einsicht in die Notwendigkeit des Kinderraubs und der Kindersklaverei für die Verwandlung des Manufakturbetriebs in den Fabrikbetrieb und die Herstellung des wahren Verhältnisses von Kapital
und Arbeitskraft. Er sagt:
"Es mag vielleicht der Tagung des Publikums wert sein, ob irgendeine Manufaktur, die zu ihrer erfolgreichen Ausführung Cottages
und Workhouses von armen Kindern ausplündern muß, damit sie,
truppweis sich ablösend, den größten Teil der Nacht durch abgerackert und der Ruhe beraubt werden; eine Manufaktur, die außerdem Haufen beiderlei Geschlechts, von verschiednen Altersstufen
und Neigungen, so zusammenhudelt, daß die Ansteckung des Beispiels zu Verworfenheit und Liederlichkeit führen muß -, ob solch
eine Manufaktur die Summe des nationalen und individuellen Glücks
vermehren kann?" 245) "In Derbyshire, Nottinghamshire und besonders Lancashire", sagt Fielden, "wurde die jüngst erfundne Maschinerie angewandt in großen
#786# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Fabriken, dicht bei Strömen, fähig, das Wasserrad zu drehn. Tausende von Händen waren plötzlich erheischt an diesen Plätzen,
fern von den Städten; und Lancashire namentlich, bis zu jener
Zeit vergleichungsweis dünn bevölkert und unfruchtbar, bedurfte
jetzt vor allem einer Population. Die kleinen und flinken Finger
waren vor allem in Requisition. Sofort sprang die Gewohnheit auf,
Lehrlinge (!) aus den verschiednen Pfarrei-Workhouses von London,
Birmingham und sonstwo zu beziehn. Viele, viele Tausende dieser
kleinen hilflosen Kreaturen, vom 7. bis zum 13. oder 14. Jahr,
wurden so nach dem Norden spediert. Es war die Gewohnheit für den
Meister" (d.h. den Kinderdieb), "seine Lehrlinge zu kleiden, nähren und logieren in einem Lehrlingshaus nah bei der Fabrik. Aufseher wurden bestellt, um ihre Arbeit zu überwachen. Es war das
Interesse dieser Sklaventreiber, die Kinder aufs äußerste abzuarbeiten, denn ihre Zahlung stand im Verhältnis zum Produktenquantum, das aus dem Kind erpreßt werden konnte. Grausamkeit war natürliche Folge... In vielen Fabrikdistrikten, besonders Lancashires, wurden die herzzerreißendsten Torturen verübt an diesen
harmlosen und freundlosen Kreaturen, die den Fabrikherrn konsigniert waren. Sie wurden zu Tod gehetzt durch Arbeitsexzesse...
sie wurden gepeitscht, gekettet und gefoltert mit dem ausgesuchtesten Raffinement von Grausamkeit; sie wurden in vielen Fällen bis auf die Knochen ausgehungert, während die Peitsche sie an
der Arbeit hielt... Ja, in einigen Fällen wurden sie zum Selbstmord getrieben!... Die schönen und romantischen Täler von Derbyshire, Nottinghamshire und Lancashire, abgeschlossen vom öffentlichen Auge, wurden grause Einöden von Tortur und - oft von
Mord!... Die Profite der Fabrikanten waren enorm. Das wetzte nur
ihren Werwolfsheißhunger. Sie begannen die Praxis der Nachtarbeit, d.h. nachdem sie eine Gruppe Hände durch das Tagwerk gelähmt, hielten sie eine andre Gruppe für das Nachtwerk bereit;
die Tagesgruppe wanderte in die Betten, welche die Nachtgruppe
grade verlassen hatte und vice versa. Es ist Volksüberlieferung
in Lancashire, daß die Betten nie abkühlten." 246)
#787# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion während der
Manufakturperiode hatte die öffentliche Meinung von Europa den
letzten Rest von Schamgefühl und Gewissen eingebüßt. Die Nationen
renommierten zynisch mit jeder Infamie, die ein Mittel zu Kapitalakkumulation. Man lese z.B. die naiven Handelsannalen des Biedermanns A. Anderson. Hier wird es als Triumph englischer Staatsweisheit ausposaunt, daß England im Frieden von Utrecht den Spaniern durch den Asientovertrag [174] das Privilegium abzwang, den
Negerhandel, den es bisher nur zwischen Afrika und dem englischen
Westindien betrieb, nun auch zwischen Afrika und dem spanischen
Amerika betreiben zu dürfen. England erhielt das Recht, das spanische Amerika bis 1743 jährlich mit 4800 Negern zu versorgen.
Dies gewährte zugleich einen offiziellen Deckmantel für den britischen Schmuggel. Liverpool wuchs groß auf der Basis des Sklavenhandels. Er bildet seine Methode der ursprünglichen Akkumulation. Und bis heutzutag blieb die Liverpooler "Ehrbarkeit" Pindar
des Sklavenhandels, welcher - vgl. die zitierte Schrift des Dr.
Aikin von 1795 - "den kommerziellen Unternehmungsgeist bis zur
Leidenschaft steigere, famose Seeleute bilde und enormes Geld
einbringe". Liverpool beschäftigte 1730 im Sklavenhandel 15
Schiffe, 1751: 53, 1760: 74, 1770: 96 und 1792: 132.
Während sie die Kindersklaverei in England einführte, gab die
Baumwollindustrie zugleich den Anstoß zur Verwandlung der früher
mehr oder minder patriarchalischen Sklavenwirtschaft der Vereinigten Staaten in ein kommerzielles Exploitationssystem. Überhaupt bedurfte die verhallte Sklaverei der Lohnarbeiter in Europa
zum Piedestal die Sklaverei sans phrase 1*) in der neuen Welt.
247)
Tantae molis erat [175], die "ewigen Naturgesetze" der kapitalistischen Produktionsweise zu entbinden, den Scheidungsprozeß zwischen Arbeitern und Arbeitsbedingungen zu vollziehn, auf dem
einen Pol die gesellschaftlichen
#788# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Produktions- und Lebensmittel in Kapital zu verwandeln, auf dem
Gegenpol die Volksmasse in Lohnarbeiter, in freie "arbeitende
Arme", dies Kunstprodukt der modernen Geschichte. 248) Wenn das
Geld, nach Augier, "mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe
zur Welt kommt" 249), so das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen
Poren, blut- und schmutztriefend. 250)
#789# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
7. Geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkmulation
Worauf kommt die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals, d.h.
seine historische Genesis, hinaus? Soweit sie nicht unmittelbare
Verwandlung von Sklaven und Leibeignen in Lohnarbeiter, also bloßer Formwechsel ist, bedeutet sie nur die Expropriation der unmittelbaren Produzenten, d.h. die Auflösung des auf eigner Arbeit
beruhenden Privateigentums.
Privateigentum, als Gegensatz zum gesellschaftlichen, kollektiven
Eigentum, besteht nur da, wo die Arbeitsmittel und die äußeren
Bedingungen der Arbeit Privatleuten gehören. Je nachdem aber
diese Privatleute die Arbeiter oder die Nichtarbeiter sind, hat
auch das Privateigentum einen andern Charakter. Die unendlichen
Schattierungen, die es auf den ersten Blick darbietet, spiegeln
nur die zwischen diesen beiden Extremen liegenden Zwischenzustände wider.
Das Privateigentum des Arbeiters an seinen Produktionsmitteln ist
die Grundlage des Kleinbetriebs, der Kleinbetrieb eine notwendige
Bedingung für die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion
und der freien Individualität des Arbeiters selbst. Allerdings
existiert diese Produktionsweise auch innerhalb der Sklaverei,
Leibeigenschaft und andrer Abhängigkeitsverhältnisse. Aber sie
blüht nur, schnellt nur ihre ganze Energie, erobert nur die adäquate klassische Form, wo der Arbeiter freier Privateigentümer
seiner von ihm selbst gehandhabten Arbeitsbedingungen ist, der
Bauer des Ackers, den er bestellt, der Handwerker des Instruments, worauf er als Virtuose spielt.
Diese Produktionsweise unterstellt Zersplitterung des Bodens und
der übrigen Produktionsmittel. Wie die Konzentration der letztren, so schließt sie auch die Kooperation, Teilung der Arbeit
innerhalb derselben Produktionsprozesse, gesellschaftliche Beherrschung und Reglung der Natur, freie Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte aus. Sie ist nur verträglich mit engen naturwüchsigen Schranken der Produktion und der Gesellschaft.
Sie verewigen wollen hieße, wie Pecqueur mit Recht sagt, die allgemeine Mittelmäßigkeit dekretieren" [176]. Auf einem gewissen
Höhegrad bringt sie die materiellen Mittel ihrer eignen Vernichtung zur Welt. Von diesem Augenblick regen sich Kräfte und Leidenschaften im Gesellschaftsschoße, welche sich von ihr gefesselt
fühlen. Sie muß vernichtet werden, sie wird vernichtet. Ihre Vernichtung, die Verwandlung der individuellen und zersplitterten
Produktionsmittel in gesellschaftlich konzentrierte, daher des
zwerghaften Eigentums vieler in das massenhafte Eigentum weniger,
daher die Expropriation der großen Volksmasse von Grund und Boden
und
#790# VII. Abschnitt - Der Akkumulationsprozeß des Kapitals
Lebensmitteln und Arbeitsinstrumenten, diese furchtbare und
schwierige Expropriation der Volksmasse bildet die Vorgeschichte
des Kapitals. Sie umfaßt eine Reihe gewaltsamer Methoden, wovon
wir nur die epochemachenden als Methoden der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals Revue passieren ließen. Die Expropriation
der unmittelbaren Produzenten wird mit schonungslosestem Vandalismus und unter dem Trieb der infamsten, schmutzigsten, kleinlichst gehässigsten Leidenschaften vollbracht. Das selbsterarbeitete, sozusagen auf Verwachsung des einzelnen, unabhängigen Arbeitsindividuums mit seinen Arbeitsbedingungen beruhende Privateigentum wird verdrängt durch das kapitalistische Privateigentum,
welches auf Exploitation fremder, aber formell freier Arbeit beruht. 251)
Sobald dieser Umwandlungsprozeß nach Tiefe und Umfang die alte
Gesellschaft hinreichend zersetzt hat, sobald die Arbeiter in
Proletarier, ihre Arbeitsbedingungen in Kapital verwandelt sind,
sobald die kapitalistische Produktionsweise auf eignen Füßen
steht, gewinnt die weitere Vergesellschaftung der Arbeit und weitere Verwandlung der Erde und andrer Produktionsmittel in gesellschaftlich ausgebeutete, also gemeinschaftliche Produktionsmittel, daher die weitere Expropriation der Privateigentümer, eine
neue Form. Was jetzt zu expropriieren, ist nicht länger der
selbstwirtschaftende Arbeiter, sondern der viele Arbeiter exploitierende Kapitalist.
Diese Expropriation vollzieht sich durch das Spiel der immanenten
Gesetze der kapitalistischen Produktion selbst, durch die Zentralisation der Kapitale. Je ein Kapitalist schlag viele tot. Hand
in Hand mit dieser Zentralisation oder der Expropriation vieler
Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die kooperative Form
des Arbeitsprozesses auf stets wachsender Stufenleiter, die bewußte technische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßige Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam verwendbare Arbeitsmittel, die Ökonomisierung aller Produktionsmittel durch ihren Gebrauch als Produktionsmittel kombinierter, gesellschaftlicher Arbeit, die Verschlingung aller Völker in das Netz des Weitmarkts und damit der internationale Charakter des kapitalistischen Regimes. Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche alle Vorteile dieses Umwandlungsprozesses usurpieren und monopolisieren, wächst die Masse
des Elends, des Drucks, der Knechtschaft, der Entartung, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden
#791# 24. Kapitel - Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation
und durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse. Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise,
die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen
einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen
Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert.
Die aus der kapitalistischen Produktionsweise hervorgehende kapitalistische Aneignungsweise, daher das kapitalistische Privateigentum, ist die erste Negation des individuellen, auf eigne Arbeit gegründeten Privateigentums. Aber die kapitalistische Produktion erzeugt mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses ihre
eigne Negation. Es ist Negation der Negation. Diese stellt nicht
das Privateigentum wieder her, wohl aber das individuelle Eigentum auf Grundlage der Errungenschaft der kapitalistischen Ära:
der Kooperation und des Gemeinbesitzes der Erde und der durch die
Arbeit selbst produzierten Produktionsmittel. Die Verwandlung des
auf eigner Arbeit der Individuen beruhenden, zersplitterten Privateigentums in kapitalistisches ist natürlich ein Prozeß, ungleich mehr langwierig, hart und schwierig als die Verwandlung
des tatsächlich bereits auf gesellschaftlichem Produktionsbetrieb
beruhenden kapitalistischen Eigentums in gesellschaftliches. Dort
handelte es sich um die Expropriation der Volksmasse durch wenige
Usurpatoren, hier handelt es sich um die Expropriation weniger
Usurpatoren durch die Volksmasse. 262)