DRITTES KAPITEL
Das Geld oder die Warenzirkulation
1. Maß der Werte
Ich setze überall in dieser Schrift, der Vereinfachung halber,
Gold als die Geldware voraus.
Die erste Funktion des Goldes besteht darin, der Warenwelt das
Material ihres Wertausdrucks zu liefern oder die Warenwerte als
gleichnamige Größen, qualitativ gleiche und quantitativ vergleichbare, darzustellen. So funktioniert es als allgemeines Maß
der Werte, und nur durch diese Funktion wird Gold, die spezifische Äquivalentware, zunächst Geld.
Die Waren werden nicht durch das Geld kommensurabel. Umgekehrt.
Weil alle Waren als Werte vergegenständlichte menschliche Arbeit,
daher an und für sich kommensurabel sind, können sie ihre Werte
gemeinschaftlich in derselben spezifischen Ware messen und diese
dadurch in ihr gemeinschaftliches Wertmaß oder Geld verwandeln.
Geld als Wertmaß ist notwendige Erscheinungsform des immanenten
Wertmaßes der Waren, der Arbeitszeit. 50)
#110# I. Abschnitt - Ware und Geld
Der Wertausdruck einer Ware in Gold - x Ware A - y Geldware - ist
ihre Geldform oder ihr Preis. Eine vereinzelte Gleichung, wie 1
Tonne Eisen = 2 Unzen Gold, genügt jetzt, um den Eisenwert gesellschaftlich gültig darzustellen. Die Gleichung braucht nicht
länger in Reih und Glied mit den Wertgleichungen der andren Waren
aufzumarschieren, weil die Äquivalentware, das Gold, bereits den
Charakter von Geld besitzt. Die allgemeine relative Wertform der
Waren hat daher jetzt wieder die Gestalt ihrer ursprünglichen,
einfachen oder einzelnen relativen Wertform. Andrerseits wird der
entfaltete relative Wertausdruck oder die endlose Reihe relativer
Wertausdrücke zur spezifisch relativen Wertform der Geldware.
Diese Reihe ist aber jetzt schon gesellschaftlich gegeben in den
Warenpreisen. Man lese die Quotationen eines Preiskurants rückwärts und man findet die Wertgröße des Geldes in allen möglichen
Waren dargestellt. Geld hat dagegen keinen Preis. Um an dieser
einheitlichen relativen Wertform der andren Waren teilzunehmen,
müßte es auf sich selbst als sein eignes Äquivalent bezogen werden.
Der Preis oder die Geldform der Waren ist, wie ihre Wertform
überhaupt, eine von ihrer handgreiflich reellen Körperform unterschiedne, also nur ideelle oder vorgestellte Form. Der Wert von
Eisen, Leinwand, Weizen usw. existiert, obgleich unsichtbar, in
diesen Dingen selbst; er wird vorgestellt durch ihre Gleichheit
mit Gold, eine Beziehung zum Gold, die sozusagen nur in ihren
Köpfen spukt. Der Warenhüter muß daher seine Zunge in ihren Kopf
stecken oder ihnen Papierzettel umhängen, um ihre Preise der Außenwelt mitzuteilen. 51) Da der Ausdruck der Warenwerte in
#111# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Gold ideell ist, ist zu dieser Operation auch nur vorgestelltes
oder ideelles Gold anwendbar. Jeder Warenhüter weiß, daß er seine
Waren noch lange nicht vergoldet, wenn er ihrem Wert die Form des
Preises oder vorgestellte Goldform gibt, und daß er kein Quentchen wirkliches Gold braucht, um Millionen Warenwerte in Gold zu
schätzen. In seiner Funktion des Wertmaßes dient das Geld daher als nur vorgestelltes oder ideelles Geld. Dieser Umstand hat die
tollsten Theorien veranlaßt. 52) Obgleich nur vorgestelltes Geld
zur Funktion des Wertmaßes dient, hängt der Preis ganz vom reellen Geldmaterial ab. Der Wert, d.h. das Quantum menschlicher Arbeit, das z.B. in einer Tonne Eisen enthalten ist, wird ausgedruckt in einem vorgestellten Quantum der Geldware, welches
gleich viel Arbeit enthält. Je nachdem also Gold, Silber oder
Kupfer zum Wertmaß dienen, erhält der Wert der Tonne Eisen ganz
verschiedne Preisausdrücke oder wird in ganz verschiednen Quantitäten Gold, Silber oder Kupfer vorgestellt.
Dienen daher zwei verschiedne Waren, z.B. Gold und Silber,
gleichzeitig als Wertmaße, so besitzen alle Waren zweierlei verschiedne Preisausdrücke, Goldpreise und Silberpreise, die ruhig
nebeneinander laufen, solange das Wertverhältnis von Silber zu
Gold unverändert bleibt, z.B. = 1:15. Jede Veränderung dieses
Wertverhältnisses stört aber das Verhältnis zwischen den Goldpreisen und den Silberpreisen der Waren und beweist so tatsächlich, daß die Verdopplung des Wertmaßes seiner Funktion widerspricht. 53)
#112# I. Abschnitt - Ware und Geld
Die preisbestimmten Waren stellen sich alle dar in der Form: a
Ware A = x Gold, b Ware B = z Gold, c Ware C = y Gold usw., wo a,
b, c bestimmte Massen der Warenarten A, B, C vorstellen, x, z, y
bestimmte Massen des Goldes. Die Warenwerte sind daher verwandelt
in vorgestellte Goldquanta von verschiedner Größe, also, trotz
der wirren Buntheit der Warenkörper, in gleichnamige Größen,
Goldgrößen. Als solche verschiedne Goldquanta vergleichen und
messen sie sich untereinander, und es entwickelt sich technisch
die Notwendigkeit, sie auf ein fixiertes Quantum Gold als ihre
Maßeinheit zu beziehn. Diese Maßeinheit selbst wird durch weitere
Einteilung in aliquote Teile zum Maßstab fortentwickelt. Vor ihrer Geldwerdung besitzen Gold, Silber, Kupfer bereits solche Maßstäbe in ihren Metallgewichten, so daß z.B. ein Pfund als Maßeinheit dient und nach der einen Seite wieder in Unzen usw. abgeteilt, nach der andren in Zentner usw. zusammenaddiert wird. 54)
Bei aller metallischen Zirkulation bilden daher die vorgefundenen
Namen des Gewichtsmaßstabs auch die ursprünglichen Namen des
Geldmaßstabs oder Maßstabs der Preise.
#113# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Als Maß der Werte und als Maßstab der Preise verrichtet das Geld
zwei ganz verschiedne Funktionen. Maß der Werte ist es als die
gesellschaftliche Inkarnation der menschlichen Arbeit, Maßstab
der Preise als ein festgesetztes Metallgewicht. Als Wertmaß dient
es dazu, die Werte der bunt verschiednen Waren in Preise zu verwandeln, in vorgestellte Goldquanta; als Maßstab der Preise mißt
es diese Goldquanta. Am Maß der Werte messen sich die Waren als
Werte, der Maßstab der Preise mißt dagegen Goldquanta an einem
Goldquantum, nicht den Wert eines Goldquantums am Gewicht des andren. Für den Maßstab der Preise muß ein bestimmtes Goldgewicht
als Maßeinheit fixiert werden. Hier, wie in allen andren Maßbestimmungen gieichnamiger Größen, wird die Festigkeit der Maßverhältnisse entscheidend. Der Maßstab der Preise erfüllt daher
seine Funktion um so besser, je unveränderlicher ein und dasselbe
Quantum Gold als Maßeinheit dient. Als Maß der Werte kann Gold
nur dienen, weil es selbst Arbeitsprodukt, also der Möglichkeit
nach ein veränderlicher Wert ist. 55)
Es ist zunächst klar, daß ein Wertwechsel des Goldes seine Funktion als Maßstab der Preise in keiner Weise beeinträchtigt. Wie
auch der Goldwert wechsle, verschiedne Goldquanta bleiben stets
in selbem Wertverhältnis zueinander. Fiele der Goldwert um 1000%,
so würden nach wie vor 12 Unzen Gold 12mal mehr Wert besitzen als
eine Unze Gold, und in den Preisen handelt es sich nur um das
Verhältnis verschiedner Goldquanta zueinander. Da andrerseits
eine Unze Gold mit dem Fallen oder Steigen ihres Werts keineswegs
ihr Gewicht verändert, verändert sich ebensowenig das ihrer aliquoten Teile, und so tut das Gold als fixer Maßstab der Preise
stets denselben Dienst, wie immer sein Wert wechsle.
Der Wertwechsel des Goldes verhindert auch nicht seine Funktion
als Wertmaß. Er trifft alle Waren gleichzeitig, läßt also caeteris paribus ihre
#114# I. Abschnitt - Ware und Geld
wechselseitigen relativen Werte unverändert, obgleich sie sich
nun alle in höheren oder niedrigeren Goldpreisen als zuvor ausdrücken. Wie bei der Darstellung des Werts einer Ware im Gebrauchswert irgendeiner andren Ware, ist auch bei der Schätzung
der Waren in Gold nur vorausgesetzt, daß zur gegebnen Zeit die
Produktion eines bestimmten Goldquantums ein gegebnes Quantum Arbeit kostet. In bezug auf die Bewegung der Warenpreise überhaupt
gelten die früher entwickelten Gesetze des einfachen relativen
Wertausdrucks.
Die Warenpreise können nur allgemein steigen, bei gleichbleibendem Geldwert, wenn die Warenwerte steigen; bei gleichbleibenden
Warenwerten, wenn der Geldwert fällt. Umgekehrt. Die Warenpreise
können nur allgemein fallen, bei gleichbleibendem Geldwert, wenn
die Warenwerte fallen; bei gleichbleibenden Warenwerten, wenn der
Geldwert steigt. Es folgt daher keineswegs, daß steigender Geldwert proportionelles Sinken der Warenpreise und fallender Geldwert proportionelles Steigen der Warenpreise bedingt. Dieses gilt
nur für Waren von unverändertem Wert. Solche Waren z.B., deren
Wert gleichmäßig und gleichzeitig steigt mit dem Geldwert, behalten dieselben Preise. Steigt ihr Wert langsamer oder rascher als
der Geldwert, so wird der Fall oder das Steigen ihrer Preise bestimmt durch die Differenz zwischen ihrer Wertbewegung und der
des Geldes usw.
Kehren wir nun zur Betrachtung der Preisform zurück. Die Geldnamen der Metallgewichte trennen sich nach und nach von ihren ursprünglichen Gewichtnamen aus verschiednen Gründen, darunter historisch entscheidend: 1. Einführung fremden Geldes bei minder
entwickelten Völkern, wie z.B. im alten Rom Silber- und Goldmünzen zuerst als ausländische Waren zirkulierten. Die Namen dieses
fremden Geldes sind von den einheimische Gewichtnamen verschieden. 2. Mit der Entwicklung des Reichtums wird das minder edle
Metall durch das edlere aus der Funktion des Wertmaßes verdrängt.
Kupfer durch Silber, Silber durch Gold, sosehr diese Reihenfolge
aller poetischen Chronologie [37] widersprechen mag. 56) Pfund
war nun z.B. Geldname für ein wirkliches Pfund Silber. Sobald
Gold das Silber als Wertmaß verdrängt, hängt sich derselbe Name
vielleicht an 1/15 usw. Pfund Gold, je nach dem Wertverhältnis
von Gold und Silber. Pfund als Geldname und als gewöhnlicher Gewichtname des Goldes sind jetzt getrennt. 57) 3. Die Jahrhunderte
fortgesetzte
#115# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Geldfälschung der Fürsten, welche vom ursprünglichen Gewicht der
Geldmünzen in der Tat nur den Namen zurückließ. 58)
Diese historischen Prozesse machen die Trennung des Geldnamens
der Metallgewichte von ihrem gewöhnlichen Gewichtsnamen zur
Volksgewohnheit. Da der Geldmaßstab einerseits rein konventionell
ist, andrerseits allgemeiner Gültigkeit bedarf, wird er zuletzt
gesetzlich reguliert. Ein bestimmter Gewichtsteil des edlen Metalls, z.B. eine Unze Gold, wird offiziell abgeteilt in aliquote
Teile, die legale Taufnamen erhalten, wie Pfund, Taler usw. Solcher aliquote Teil, der dann als die eigentliche Maßeinheit des
Geldes gilt, wird untergetellt in andre aliquote Teile mit gesetzlichen Taufnamen, wie Shilling, Penny etc. 59) Nach wie vor
bleiben bestimmte Metallgewichte Maßstab des Metallgeldes. Was
sich geändert, ist Einteilung und Namengebung.
Die Preise, oder die Goldquanta, worin die Werte der Waren ideell
verwandelt sind, werden jetzt also ausgedruckt in den Geldnamen
oder gesetzlich gültigen Rechennamen des Goldmaßstabs. Statt also
zu sagen, der Quarter Weizen ist gleich einer Unze Gold, würde
man in England sagen, er ist gleich 3 Pfd.St. 17 sh. 10 1/2 d.
Die Waren sagen sich so in ihren Geldnamen, was sie wert sind,
und das Geld dient als Rechengeld, sooft es gilt, eine Sache als
Wert und daher in Geldform zu fixieren. 60)
Der Name einer Sache ist ihrer Natur ganz äußerlich. Ich weiß
nichts vom Menschen, wenn ich weiß, daß ein Mensch Jacobus heißt.
Ebenso verschwindet in den Geldnamen Pfund, Taler, Franc, Dukat
usw. jede Spur des Wertverhältnisses. Die Wirre über den Geheimsinn dieser kabbalistischen Zeichen ist um so größer, als die
Geldnamen den Wert der Waren und zugleich aliquote Teile eines
Metallgewichts, des Geldmaßstabs,
#116# I. Abschnitt - Ware und Geld
ausdrücken. 61) Andrerseits ist es notwendig, daß der Wert im
Unterschied von den bunten Körpern der Warenwelt sich zu dieser
begriffslos sachlichen, aber auch einfach gesellschaftlichen Form
fortentwickle. 62)
Der Preis ist der Geldname der in der Ware vergegenständlichten
Arbeit. Die Äquivalenz der Ware und des Geldquantums, dessen Name
ihr Preis ist, ist daher eine Tautologie 63), wie ja überhaupt
der relative Wertausdruck einer Ware stets der Ausdruck der Äquivalenz zweler Waren ist. Wenn aber der Preis als Exponent der
Wertgröße der Ware Exponent ihres Austauschverhältnisses mit
Geld, so folgt nicht umgekehrt, daß der Exponent ihres Austauschverhältnisses mit Geld notwendig der Exponent ihrer Wertgröße
ist. Gesellschaftlich notwendige Arbeit von gleicher Größe stelle
sich in 1 Quarter Weizen und in 2 Pfd.St. (ungefähr 1/2 Unze
Gold) dar. Die 2 Pfd.St. sind Geldausdruck der Wertgröße des
Quarter Weizens, oder sein Preis. Erlauben nun die Umstände, ihn
zu 3 Pfd.St., oder zwingen sie, ihn zu 1 Pfd.St. zu notieren, so
sind 1 Pfd.St. und 3 Pfd.St. als Ausdrücke
#117# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
der Wertgröße des Weizens zu klein oder zu groß, aber sie sind
dennoch Preise desselben, denn erstens sind sie seine Wertform,
Geld, und zweitens Exponenten seines Austauschverhältnisses mit
Geld. Bei gleichbleibenden Produktionsbedingungen oder gleichbleibender Produktivkraft der Arbeit muß nach wie vor zur Reproduktion des Quarter Weizen gleich viel gesellschaftliche Arbeitszeit verausgabt werden. Dieser Umstand hängt vom Willen weder des
Weizenproduzenten noch der andren Warenbesitzer ab. Die Wertgröße
der Ware drückt also ein notwendiges, ihrem Bildungsprozeß immanentes Verhältnis zur gesellschaftlichen Arbeitszeit aus. Mit der
Verwandlung der Wertgröße in Preis erscheint dies notwendige Verhältnis als Austauschverhältnis einer Ware mit der außer ihr existierenden Geldware. In diesem Verhältnis kann sich aber ebensowohl die Wertgröße der Ware ausdrücken, als das Mehr oder Minder, worin sie unter gegebnen Umständen veräußerlich ist. Die
Möglichkeit quantitativer Inkongruenz zwischen Preis und Wertgröße, oder der Abweichung des Preises von der Wertgröße, liegt
also in der Preisform selbst. Es ist dies kein Mangel dieser
Form, sondern macht sie umgekehrt zur adäquaten Form einer Produktionsweise, worin sich die Regel nur als blind wirkendes
Durchschnittsgesetz der Regellosigkeit durchsetzen kann.
Die Preisform läßt jedoch nicht nur die Möglichkeit quantitativer
Inkongruenz zwischen Wertgröße und Preis, d.h. zwischen der Wertgröße und ihrem eignen Geldausdruck zu, sondern kann einen qualitativen Widerspruch beherbergen, so daß der Preis überhaupt aufhört, Wertausdruck zu sein, obgleich Geld nur die Wertform der
Waren ist. Dinge, die an und für sich keine Waren sind, z.B. Gewissen, Ehre usw., können ihren Besitzern für Geld feil sein und
so durch ihren Preis die Warenform erhalten. Ein Ding kann daher
formell einen Preis haben, ohne einen Wert zu haben. Der Preisausdruck wird hier imaginär wie gewisse Größen der Mathematik.
Andrerseits kann auch die imaginäre Preisform, wie z.B. der Preis
des unkultivierten Bodens, der keinen Wert hat, weil keine menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht ist, ein wirkliches
Wertverhältnis oder von ihm abgeleitete Beziehung verbergen.
Wie die relative Wertform überhaupt, drückt der Preis den Wert
einer Ware, z. B. einer Tonne Eisen, dadurch aus, daß ein bestimmtes Quantum Äquivalent, z.B. eine Unze Gold, unmittelbar
austauschbar mit Eisen, aber keineswegs umgekehrt, daß seinerseits das Eisen unmittelbar austauschbar mit Gold ist. Um also
praktisch die Wirkung eines Tauschwerts auszuüben, muß die Ware
ihren natürlichen Leib abstreifen, sich aus nur vorgestelltem
Gold in wirkliches Gold verwandeln, obgleich diese Transsubstantiation
#118# I. Abschnitt - Ware und Geld
ihr "saurer" ankommen mag als dem Hegelschen "Begriff" der Übergang aus der Notwendigkeit in die Freiheit oder einem Hummer das
Sprengen seiner Schale oder dem Kirchenvater Hieronymus das Abstreifen des alten Adam. 64) Neben ihrer reellen Gestalt, Eisen
z.B., kann die Ware im Preise ideelle Wertgestalt oder vorgestellte Goldgestalt besitzen, aber sie kann nicht zugleich wirklich Eisen und wirklich Gold sein. Für ihre Preisgebung genügt
es, vorgestelltes Gold ihr gleichzusetzen. Durch Gold ist sie zu
ersetzen, damit sie ihrem Besitzer den Dienst eines allgemeinen
Äquivalents leiste. Träte der Besitzer des Eisens z.B. dem Besitzer einer weltlustigen Ware gegenüber und verwiese ihn auf den
Eisenpreis, der Geldform sei, so würde der Weltlustige antworten,
wie im Himmel der heilige Petrus dem Dante, der ihm die Glaubensformel hergesagt [40]:
"Assai bene è trascorsa
D'esta moneta già la lega e'l peso,
Ma dimmi se tu l'hai nella tua borsa." 1*)
Die Preisform schließt die Veräußerlichkeit der Waren gegen Geld
und die Notwendigkeit dieser Veräußerung ein. Andrerseits funktioniert Gold nur als ideelles Wertmaß, weil es sich bereits im
Austauschprozeß als Geldware unitreibt. Im ideellen Maß der Werte
lauert daher das harte Geld.
#119# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
beständig in einen andren fällt und ebenso beständig von ihm wegflieht. Die Ellipse ist eine der Bewegungsformen, worin dieser
Widerspruch sich ebensosehr verwirklicht als löst.
Soweit der Austauschprozeß Waren aus der Hand, worin sie NichtGebrauchswerte, in die Hand überträgt, worin sie Gebrauchswerte,
ist er gesellschaftlicher Stoffwechsel. Das Produkt einer nützlichen Arbeitsweise ersetzt das der andren. Einmal angelangt zur
Stelle, wo sie als Gebrauchswert dient, fällt die Ware in die
Sphäre der Konsumtion aus der Sphäre des Warenaustauschs. Letztre
allein interessiert uns hier. Wir haben also den ganzen Prozeß
nach der Formseite zu betrachten, also nur den Formwechsel oder
die Metamorphose der Waren, welche den gesellschaftlichen Stoffwechsel vermittelt.
Die durchaus mangelhafte Auffassung dieses Formwechsels ist, abgesehn von Unklarheit über den Wertbegriff selbst, dem Umstand
geschuldet, daß jeder Formwechsel einer Ware sich vollzieht im
Austausch zweier Waren, einer gemeinen Ware und der Geldware.
Hält man an diesem stofflichen Moment, dem Austausch von Ware mit
Gold, allein fest, so übersieht man grade, was man sehn soll,
nämlich was sich mit der Form zuträgt. Man übersieht, daß Gold
als bloße Ware nicht Geld ist und daß die andren Waren sich
selbst in ihren Preisen auf Gold als ihre eigne Geldgestalt beziehn.
Die Waren gehn zunächst unvergoldet, unverzuckert, wie der Kamm
ihnen gewachsen ist, in den Austauschprozeß ein. Er produziert
eine Verdopplung der Ware in Ware und Geld, einen äußeren Gegensatz, worin sie ihren immanenten Gegensatz von Gebrauchswert und
Wert darstellen.
In diesem Gegensatz treten die Waren als Gebrauchswerte dem Geld
als Tauschwert gegenüber. Andrerseits sind beide Seiten des Gegensatzes Waren, also Einheiten von Gebrauchswert und Wert. Aber
diese Einheit von Unterschieden stellt sich auf jedem der beiden
Pole umgekehrt dar und stellt dadurch zugleich deren Wechselbeziehung dar. Die Ware ist reell Gebrauchswert, ihr Wertsein erscheint nur ideell im Preis, der sie auf das gegenüberstehende
Gold als ihre reelle Wertgestalt bezieht. Umgekehrt gilt das
Goldmaterial nur als Wertmateriatur, Geld. Es ist reell daher
Tauschwert. Sein Gebrauchswert erscheint nur noch ideell in der
Reihe der relativen Wertausdrücke, worin es sich auf die gegenüberstehenden Waren als den Umkreis seiner reellen Gebrauchsgestalten bezieht. Diese gegensätzlichen Formen der Waren sind die
wirklichen Bewegungsformen ihres Austauschprozesses.
Begleiten wir nun irgendeinen Warenbesitzer, unsren altbekannten
Leinweber z.B., zur Szene des Austauschprozesses, dem Warenmarkt.
#120# I. Abschnitt - Ware und Geld
Seine Ware, 20 Ellen Leinwand, ist preisbestimmt. Ihr Preis ist 2
Pfd.St. Er tauscht sie aus gegen 2 Pfd.St. und, Mann von altem
Schrot und Korn, tauscht die 2 Pfd.St. wieder aus gegen eine Familienbibel vom selben Preis. Die Leinwand, für ihn nur Ware,
Wertträger, wird entäußert gegen Gold, ihre Wertgestalt, und aus
dieser Gestalt rückveräußert gegen eine andre Ware, die Bibel,
die aber als Gebrauchsgegenstand ins Weberhaus wandern und dort
Erbauungsbedürfnisse befriedigen soll. Der Austauschprozeß der
Ware vollzieht sich also in zwei entgegengesetzten und einander
ergänzenden Metamorphosen - Verwandlung der Ware in Geld und ihre
Rückverwandlung aus Geld in Ware. 65) Die Momente der Warenmetamorphose sind zugleich Händel des Warenbesitzers - Verkauf, Austausch der Ware mit Geld; Kauf, Austausch des Gelds mit Ware, und
Einheit beider Akte: verkaufen, um zu kaufen.
Besieht sich der Leinweber nun das Endresultat des Handels, so
besitzt er Bibel statt Leinwand, statt seiner ursprünglichen Ware
eine andre vom selben Wert, aber verschiedner Nützlichkeit. In
gleicher Weise eignet er sich seine andren Lebens- und Produktionsmittel an. Von seinem Standpunkt vermittelt der ganze Prozeß
nur den Austausch seines Arbeitsprodukts mit fremdem Arbeitsprodukt, den Produktenaustausch.
Der Austauschprozeß der Ware vollzieht sich also in folgendem
Formwechsel:
Ware - Geld - Ware.
W - G - W.
Nach ihrem stofflichen Inhalt ist die Bewegung W - W, Austausch
von Ware gegen Ware, Stoffwechsel der gesellschaftlichen Arbeit,
in dessen Resultat der Prozeß selbst erlischt.
W-G. Erste Metamorphose der Ware oder Verkauf. Das Überspringen
des Warenwerts aus dem Warenleib in den Goldleib ist, wie ich es
anderswo bezeichnet 1*), der Salto mortale der Ware. Mißlingt er,
so ist zwar nicht die Ware geprellt, wohl aber der Warenbesitzer.
Die gesellschaftliche Teilung der Arbeit macht seine Arbeit
ebenso einseitig als seine Bedürfnisse vielseitig. Ebendeswegen
dient ihm sein Produkt nur als Tauschwert. Allgemeine gesellschaftlich gültige Äquivalentform erhält es aber nur im Geld,
#121# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
und das Geld befindet sich in fremder Tasche. Um es herauszuziehn, muß die Ware vor allem Gebrauchswert für den Geldbesitzer
sein, die auf sie verausgabte Arbeit also in gesellschaftlich
nützlicher Form verausgabt sein oder sich als Glied der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit bewähren. Aber die Teilung der
Arbeit ist ein naturwüchsiger Produktionsorganismus, dessen Fäden
hinter dem Rücken der Warenproduzenten gewebt wurden und sich
fortweben. Vielleicht ist die Ware Produkt einer neuen Arbeitsweise, die ein neu aufgekommenes Bedürfnis zu befriedigen vorgibt
oder auf eigne Faust ein Bedürfnis erst hervorrufen will. Gestern
noch eine Funktion unter den vielen Funktionen eines und desselben Warenproduzenten, reißt sich eine besondre Arbeitsverrichtung
heute vielleicht los von diesem Zusammenhang, verselbständigt
sich und schickt ebendeswegen ihr Tellprodukt als selbständige
Ware zu Markt. Die Umstände mögen reif oder unreif sein für diesen Scheidungsprozeß. Das Produkt befriedigt heute ein gesellschaftliches Bedürfnis. Morgen wird es vielleicht ganz oder teilweise von einer ähnlichen Produktenart aus seinem Platze verdrängt. Ist auch die Arbeit, wie die unsres Leinwebers, patentiertes Glied der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, so ist damit
noch keineswegs der Gebrauchswert grade seiner 20 Ellen Leinwand
garantiert. Wenn das gesellschaftliche Bedürfnis für Leinwand,
und es hat sein Maß wie alles andre, bereits durch nebenbuhlerische Leinweber gesättigt ist, wird das Produkt unsres Freundes
überschüssig, überflüssig und damit nutzlos. Einem geschenkten
Gaul sieht man nicht ins Maul, aber er beschreitet nicht den
Markt, um Präsente zu machen. Gesetzt aber, der Gebrauchswert
seines Produkts bewähre sich und Geld werde daher angezogen von
der Ware. Aber nun fragt sich's, wieviel Geld? Die Antwort ist
allerdings schon antizipiert im Preis der Ware, dem Exponenten
ihrer Wertgröße. Wir sehn ab von etwaigen rein subjektiven Rechenfehlern des Warenbesitzers, die auf dem Markt sofort objektiv
korrigiert werden. Er soll auf sein Produkt nur den gesellschaftlich notwendigen Durchschnitt von Arbeitszeit verausgabt haben.
Der Preis der Ware ist also nur Geldname des in ihr vergegenständlichten Quantums gesellschaftlicher Arbeit. Aber ohne Erlaubnis und hinter dem Rücken unsres Leinwebers gerieten die altverbürgten Produktionsbedingungen der Leinweberei in Gärung. Was
gestern zweifelsohne gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur
Produktion einer Elle Leinwand war, hört heute auf, es zu sein,
wie der Geldbesitzer eifrigst demonstriert aus den Preisquotationen verschiedner Nebenbuhler unsres Freundes. Zu seinem Unglück
gibt's viele Weber auf der Welt. Gesetzt endlich, jedes auf dem
Markt vorhandne Stück Leinwand enthalte nur gesellschaftlich notwendige
#122# I. Abschnitt - Ware und Geld
Arbeitszeit. Trotzdem kann die Gesamtsumme dieser Stücke überflüssig verausgabte Arbeitszeit enthalten. Vermag der Marktmagen
das Gesamtquantum Leinwand, zum Normalpreis von 2 sh. per Elle,
nicht zu absorbieren, so beweist das, daß ein zu großer Teil der
gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit in der Form der Leinweberei
verausgabt wurde. Die Wirkung ist dieselbe, als hätte Jeder einzelne Leinweber mehr als die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit auf sein individuelles Produkt verwandt. Hier heißt's: Mitgefangen, mitgehangen. Alle Leinwand auf dem Markt gilt nur als
ein Handelsartikel, jedes Stück nur als aliquoter Teil. Und in
der Tat ist der Wert jeder individuellen Elle ja auch nur die Materiatur desselben gesellschaftlich bestimmten Quantums gleichartiger menschlicher Arbeit. 1*)
Man sieht, die Ware liebt das Geld, aber "the course of true love
never does run smooth" [41]. Ebenso naturwüchsig zufällig wie die
qualitative ist die quantitative Gliederung des gesellschaftlichen Produktionsorganismus, der seine membra disjecta im System
der Teilung der Arbeit darstellt. Unsre Warenbesitzer entdecken
daher, daß dieselbe Teilung der Arbeit, die sie zu unabhängigen
Privatproduzenten, den gesellschaftlichen Produktionsprozeß und
ihre Verhältnisse in diesem Prozeß von ihnen selbst unabhängig
macht, daß die Unabhängigkeit der Personen voneinander sich in
einem System allseitiger sachlicher Abhängigkeit ergänzt.
Die Teilung der Arbeit verwandelt das Arbeitsprodukt in Ware und
macht dadurch seine Verwandlung in Geld notwendig. Sie macht es
zugleich zufällig, ob diese Transsubstantiation gelingt. Hier ist
jedoch das Phänomen rein zu betrachten, sein normaler Vorgang
also vorauszusetzen. Wenn es übrigens überhaupt vorgeht, die Ware
also nicht unverkäuflich ist, findet stets ihr Formwechsel statt,
obgleich abnormal in diesem Formwechsel Substanz - Wertgröße eingebüßt oder zugesetzt werden mag.
Dem einen Warenbesitzer ersetzt Gold seine Ware und dem andren
Ware sein Gold. Das sinnfällige Phänomen ist der Hände- oder
Stellenwechsel von Ware und Gold, von 20 Ellen Leinwand und 2
Pfd.St., d.h. ihr Austausch. Aber womit tauscht sich die Ware
aus? Mit ihrer eignen allgemeinen Wertgestalt. Und womit das
Gold? Mit einer besondren Gestalt
#123# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
seines Gebrauchswerts. Warum tritt Gold der Leinwand als Geld gegenüber? Weil ihr Preis von 2 Pfd.St. oder ihr Geldname sie bereits auf Gold als Geld bezieht. Die Entäußerung der ursprünglichen Warenform vollzieht sich durch die Veräußerung der Ware,
d.h. in dem Augenblicke, wo ihr Gebrauchswert das in ihrem Preis
nur vorgestellte Gold wirklich anzieht. Die Realisierung des
Preises oder der nur ideellen Wertform der Ware ist daher
zugleich umgekehrt Realisierung des nur ideellen Gebrauchswerts
des Geldes, die Verwandlung von Ware in Geld zugleich Verwandlung
von Geld in Ware. Der eine Prozeß ist zweiseitiger Prozeß, vom
Pol des Warenbesitzers Verkauf, vom Gegenpol des Geldbesitzers
Kauf. Oder Verkauf ist Kauf, W-G zugleich G-W. 66)
Wir kennen bisher kein ökonomisches Verhältnis der Menschen außer
dem von Warenbesitzern, ein Verhältnis, worin sie fremdes Arbeitsprodukt nur aneignen, indem sie eignes entfremden. Einem Warenbesitzer kann der andre daher nur als Geldbesitzer gegenübertreten, entweder weil sein Arbeitsprodukt von Natur die Geldform
besitzt, also Geldmaterial ist, Gold usw., oder weil seine eigne
Ware sich bereits gehäutet und ihre ursprüngliche Gebrauchsform
abgestreift hat. Um als Geld zu funktionieren, muß das Gold natürlich an irgendeinem Punkt in den Warenmarkt eintreten. Dieser
Punkt liegt an seiner Produktionsquelle, wo es sich als unmittelbares Arbeitsprodukt mit andrem Arbeitsprodukt von demselben Wert
austauscht. Aber von diesem Augenblick stellt es beständig realisierte Warenpreise vor. 67) Abgesehn vom Austausch des Golds mit
Ware an seiner Produktionsquelle, ist das Gold in der Hand jedes
Warenbesitzers die entäußerte Gestalt seiner veräußerten Ware,
Produkt des Verkaufs oder der ersten Warenmetamorphose W-G. 68)
Ideelles Geld oder Wertmaß wurde das Gold, weil alle Waren ihre
Werte in ihm maßen und es so zum vorgestellten Gegenteil ihrer
Cebrauchsgestalt, zu ihrer Wertgestalt machten. Reelles Geld wird
es, weil die Waren durch ihre allseitige Veräußerung es zu ihrer
wirklich entäußerten oder verwandelten Gebrauchsgestalt und daher
zu ihrer wirklichen Wertgestalt machen. In ihrer Wertgestalt
streift die Ware jede Spur ihres naturwüchsigen Gebrauchswerts
und der
#124# I. Abschnitt - Ware und Geld
besondren nützlichen Arbeit ab, welcher sie den Ursprung verdankt, um sich in die gleichförmige gesellschaftliche Materiatur
unterschiedsloser menschlicher Arbeit zu verpuppen. Man sieht dem
Geld daher nicht an, welchen Schlags die in es verwandelte Ware.
Eine sieht in ihrer Geldform grade aus wie die andre. Geld mag
daher Dreck sein, obgleich Dreck nicht Geld ist. Wir wollen annehmen, daß die zwei Goldfüchse, wogegen unser Leinweber seine
Ware veräußert, die verwandelte Gestalt eines Quarters Weizen
sind. Der Verkauf der Leinwand, W-G, ist zugleich ihr Kauf, G-W.
Aber als Verkauf der Leinwand beginnt dieser Prozeß eine Bewegung, die mit seinem Gegentell endet, mit dem Kauf der Bibel; als
Kauf der Leinwand endet er eine Bewegung, die mit seinem Gegenteil begann, mit dem Verkauf des Weizens. W-G (Leinwand - Geld),
diese erste Phase von W-G-W (Leinwand - Geld - Bibel), ist
zugleich G-W (Geld - Leinwand), die letzte Phase einer andren Bewegung W-G-W (Weizen - Geld - Leinwand). Die erste Metamorphose
einer Ware, ihre Verwandlung aus der Warenform in Geld, ist stets
zugleich zweite entgegengesetzte Metamorphose einer andren Ware,
ihre Rückverwandlung aus der Geldform in Ware. 69)
G-W. Zweite oder Schlußmetamorphost der Ware: Kauf. - Weil die
entäußerte Gestalt aller andren Waren oder das Produkt ihrer allgemeinen Veräußerung, ist Geld die absolut veräußerliche Ware. Es
liest alle Preise rückwärts und spiegelt sich so in allen Warenleibern als dem hingebenden Material seiner eignen Warenwerdung.
Zugleich zeigen die Preise, die Liebesaugen, womit ihm die Waren
winken, die Schranke seiner Verwandlungsfähigkeit, nämlich seine
eigne Quantität. Da die Ware in ihrer Geldwerdung verschwindet,
sieht man dem Geld nicht an, wie es in die Hände seines Besitzers
gelangt oder was in es verwandelt ist. Non olet [43], wessen Ursprungs auch immer. Wenn es einerseits verkaufte Ware repräsentiert, so andrerseits kaufbare Waren. 70)
G-W, der Kauf ist zugleich Verkauf, W-G; die letzte Metamorphose
einer Ware daher zugleich die erste Metamorphose einer andren
Ware. Für unsren Leinweber schließt der Lebenslauf seiner Ware
mit der Bibel, worin er die 2 Pfd.St. rückverwandelt hat. Aber
der Bibelverkäuf er setzt die vom
#125# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Leinweber gelösten 2 Pfd.St. in Kornbranntwein um. G-W, die
Schlußphase von W-G-W (Leinwand - Geld - Bibel), ist zugleich WG, die erste Phase von W-G-W (Bibel - Geld - Kornbranntwein). Da
der Warenproduzent nur ein einseitiges Produkt liefert, verkauft
er es oft in größeren Massen, während seine vielseitigen Bedürfnisse ihn zwingen, den realisierten Preis oder die gelöste Geldsumme beständig in zahlreiche Käufe zu zersplittern. Ein Verkauf
mündet daher in viele Käufe verschiedner Waren. Die Schlußmetamorphose einer Ware bildet so eine Summe von ersten Metamorphosen andrer Waren.
Betrachten wir nun die Gesamtmetamorphose einer Ware, z.B. der
Leinwand, so sehn wir zunächst, daß sie aus zwei entgegengesetzten und einander ergänzenden Bewegungen besteht, W-G und G-W.
Diese zwei entgegengesetzten Wandlungen der Ware vollziehn sich
in zwei entgegengesetzten gesellschaftlichen Prozessen des Warenbesitzers und reflektieren sich in zwei entgegengesetzten ökonomischen Charakteren desselben. Als Agent des Verkaufs wird er
Verkäufer, als Agent des Kaufs Käufer. Wie aber in jeder Wandlung
der Ware ihre beiden Formen, Warenform und Geldform, gleichzeitig
existieren, nur auf entgegengesetzten Polen, so steht demselben
Warenbesitzer als Verkäufer ein andrer Käufer und als Käufer ein
andrer Verkäufer gegenüber. Wie dieselbe Ware die zwei umgekehrten Wandlungen sukzessiv durchläuft, aus Ware Geld und aus Geld
Ware wird, so wechselt derselbe Warenbesitzer die Rollen von Verkäufer und Käufer. Es sind dies also keine festen, sondern innerhalb der Warenzirkulation beständig die Personen wechselnden Charaktere.
Die Gesamtmetamorphose einer Ware unterstellt, in ihrer einfachsten Form, vier Extreme und drei personae dramatis 1*). Erst
tritt der Ware das Geld als ihre Wert-Gestalt gegenüber, die jenseits, in fremder Tasche, sachlich harte Realität besitzt. So
tritt dem Warenbesitzer ein Geldbesitzer gegenüber. Sobald die
Ware nun in Geld verwandelt, wird letztres zu ihrer verschwindenden Äquivalentform, deren Gebrauchswert oder Inhalt diesseits in
andren Warenkörpern existiert. Als Endpunkt der ersten Warenwandlung ist das Geld zugleich Ausgangspunkt der zweiten. So wird der
Verkäufer des ersten Akts Käufer im zweiten, wo ihm ein dritter
Warenbesitzer als Verkäufer gegenübertritt. 71)
#126# I. Abschnitt - Ware und Geld
Die beiden umgekehrten Bewegungsphasen der Warenmetamorphose bilden einen Kreislauf: Warenform, Abstreifung der Warenform, Rückkehr zur Warenform. Allerdings ist die Ware selbst hier gegensätzlich bestimmt. Am Ausgangspunkt ist sie Nicht-Gebrauchswert,
am Endpunkt Gebrauchswert für ihren Besitzer. So erscheint das
Geld erst als der feste Wertkristall, worin sich die Ware verwandelt, um hinterher als ihre bloße Äquivalentform zu zerrinnen.
Die zwei Metamorphosen, die den Kreislauf einer Ware, bilden
zugleich die umgekehrten Teilmetamorphosen zweier andren Waren.
Dieselbe Ware (Leinwand) eröffnet die Reihe ihrer eignen Metamorphosen und schließt die Gesamtmetamorphose einer andren Ware (des
Weizens). Während ihrer ersten Wandlung, dem Verkauf, spielt sie
diese zwei Rollen in eigner Person. Als Goldchrysalide dagegen,
worin sie selbst den Weg alles Fleisches wandert, endet sie
zugleich die erste Metamorphose einer dritten Ware. Der Kreislauf, den die Metamorphosenreihe jeder Ware beschreibt, verschlingt sich also unentwirrbar mit den Kreisläufen andrer Waren.
Der Gesamtprozeß stellt sich dar als Warenzirkulation.
Die Warenzirkulation ist nicht nur formell, sondern wesentlich
vom unmittelbaren Produktenaustausch unterschieden. Man werfe nur
einen Rückblick auf den Vorgang. Der Leinweber hat unbedingt
Leinwand mit Bibel vertauscht, eigne Ware mit fremder. Aber dies
Phänomen ist nur wahr für ihn. Der Bibelagent, der dem Kühlen
Heißes vorzieht, dachte nicht daran, Leinwand für Bibel einzutauschen, wie der Leinweber nicht davon weiß, daß Weizen gegen seine
Leinwand eingetauscht worden ist usw. Die Ware des B ersetzt die
Ware des A, aber A und B tauschen nicht wechselseitig ihre Waren
aus. Es kann in der Tat vorkommen, daß A und B wechselweis voneinander kaufen, aber solche besondre Beziehung ist keineswegs
durch die allgemeinen Verhältnisse der Warenzirkulation bedingt.
Einerseits sieht man hier, wie der Warenaustausch die individuellen und lokalen Schranken des unmittelbaren Produktenaustausches
durchbricht und den Stoffwechsel der menschlichen Arbeit entwickelt. Andrerseits entwickelt sich ein ganzer Kreis von den handelnden Personen unkontrollierbarer, gesellschaftlicher Naturzusammenhänge. Der Weber kann nur Leinwand verkaufen, weil der
Bauer Weizen, Heißsporn nur die Bibel, weil der Weber Leinwand,
der Destillateur nur gebranntes Wasser, weil der andre das Wasser
des ewigen Lebens bereits verkauft hat usw.
Der Zirkulationsprozeß erlischt deswegen auch nicht, wie der unmittelbare Produktenaustausch, in dem Stellen- oder Händewechsel
der Gebrauchswerte. Das Geld verschwindet nicht, weil es schließlich aus der
#127# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Metamorphosenreihe einer Ware herausfällt. Es schlägt immer nieder auf eine durch die Waren geräumte Zirkulationsstelle. Z.B. in
der Gesamtmetamorphose der Leinwand: Leinwand - Geld - Bibel
fällt erst die Leinwand aus der Zirkulation, Geld tritt an ihre
Stelle, fällt dann die Bibel aus der Zirkulation, Geld tritt an
ihre Stelle. Der Ersatz von Ware durch Ware läßt zugleich an
dritter Hand die Geldware hängen. 72) Die Zirkulation schwitzt
beständig Geld aus.
Nichts kann alberner sein als das Dogma, die Warenzirkulation bedinge ein notwendiges Gleichgewicht der Verkäufe und Käufe, weil
jeder Verkauf Kauf und vice versa 1*). Meint dies, daß die Zahl
der wirklich vollzogenen Verkäufe gleich derselben Zahl von Käufen, so ist es platte Tautologie. Aber es soll beweisen, daß der
Verkäufer seinen eignen Käufer zu Markt führt. Verkauf und Kauf
sind ein identischer Akt als Wechselbeziehung zwischen zwei polarisch entgegengesetzten Personen, dem Warenbesitzer und dem Geldbesitzer. Sie bilden zwei polarisch entgegengesetzte Akte als
Handlungen derselben Person. Die Identität von Verkauf und Kauf
schließt daher ein, daß die Ware nutzlos wird, wenn sie, in die
alchimistische Retorte der Zirkulation geworfen, nicht als Geld
herauskommt, nicht vom Warenbesitzer verkauft, also vom Geldbesitzer gekauft wird. Jene Identität enthält ferner, daß der Prozeß, wenn er gelingt, einen Ruhepunkt, einen Lebensabschnitt der
Ware bildet, der länger oder kürzer währen kann.
Da die erste Metamorphose der Ware zugleich Verkauf und Kauf, ist
dieser Teilprozeß zugleich selbständiger Prozeß. Der Käufer hat
die Ware, der Verkäufer hat das Geld, d.h. eine Ware, die zirkulationsfähige Form bewahrt, ob sie früher oder später wieder auf
dem Markt erscheine. Keiner kann verkaufen, ohne daß ein andrer
kauft. Aber keiner braucht unmittelbar zu kaufen, weil er selbst
verkauft hat. Die Zirkulation sprengt die zeitlichen, örtlichen
und individuellen Schranken des Produktenaustausches ebendadurch,
daß sie die hier vorhandne unmittelbare Identität zwischen dem
Austausch des eignen und dem Eintausch des fremden Arbeitsprodukts in den Gegensatz von Verkauf und Kauf spaltet. Daßdie selbständig einander gegenübertretenden Prozesse eine innere Einheit
bilden, heißt ebensosehr, daß ihre innere Einheit sich in äußeren
Gegensätzen bewegt. Geht die äußerliche Verselbständigung der innerlich Unselbständigen, weil einander
#128# I. Abschnitt - Ware und Geld
ergänzenden, bis zu einem gewissen Punkt fort, so macht sich die
Einheit gewaltsam geltend durch eine - Krise. Der der Ware immanente Gegensatz von Gebrauchswert und Wert, von Privatarbeit, die
sich zugleich als unmittelbar gesellschaftliche Arbeit darstellen
muß, von besondrer konkreter Arbeit, die zugleich nur als abstrakt allgemeine Arbeit gilt, von Personifizierung der Sache und
Versachlichung der Personen - dieser immanente Widerspruch erhält
in den Gegensätzen der Warenmetamorphose seine entwickelten Bewegungsformen. Diese Formen schließen daher die Möglichkeit, aber
auch nur die Möglichkeit der Krisen ein. Die Entwicklung dieser
Möglichkeit zur Wirklichkeit erfordert einen ganzen Umkreis von
Verhältnissen, die vom Standpunkt der einfachen Warenzirkulation
noch gar nicht existieren. 73)
Als Vermittler der Warenzirkulation erhält das Geld die Funktion
des Zirkulationsmittels.
b) Der Umlauf des Geldes
Der Formwechsel, worin sich der Stoffwechsel der Arbeitsprodukte
voll zieht, W - G - W, bedingt, daß derselbe Wert als Ware den
Ausgangspunkt des Prozesses bildet und zu demselben Punkt zurückkehrt als Ware. Diese Bewegung der Waren ist daher Kreislauf.
Andrerseits schließt dieselbe Form den Kreislauf des Geldes aus.
Ihr Resultat ist beständige Entfernung des Geldes von seinem Ausgangspunkt, nicht Rückkehr zu demselben.
#129# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Solange der Verkäufer die verwandelte Gestalt seiner Ware festhält, das Geld, befindet sich die Ware im Stadium der ersten Metamorphose oder hat nur ihre erste Zirkulationshälfte zurückgelegt. Ist der Prozeß, verkaufen um zu kaufen, vervollständigt, so
ist auch das Geld wieder aus der Hand seines ursprünglichen Besitzers entfernt. Allerdings, wenn der Leinweber, nachdem er die
Bibel gekauft, von neuem Leinwand verkauft, kehrt auch das Geld
in seine Hand zurück. Aber es kehrt nicht zurück durch die Zirkulation der ersten 20 Ellen Leinwand, wodurch es vielmehr aus den
Händen des Leinwebers in die des Bibelverkäufers entfernt ist. Es
kehrt nur zurück durch die Erneuerung oder Wiederholung desselben
Zirkulationsprozesses für neue Ware und endet hier wie dort mit
demselben Resultat. Die dem Geld durch die Warenzirkulation unmittelbar erteilte Bewegungsform ist daher seine beständige Entfernung vom Ausgangspunkt, sein Lauf aus der Hand eines Warenbesitzers in die eines andren, oder sein Umlauf (currency, cours de
la monnaie).
Der Umlauf des Geldes zeigt beständige, eintönige Wiederholung
desselben Prozesses. Die Ware steht stets auf Seite des Verkäufers, das Geld stets auf Seite des Käufers, als Kaufmittel. Es
funktioniert als Kaufmittel, indem es den Preis der Ware realisiert. Indem es ihn realisiert, überträgt es die Ware aus der
Hand des Verkäufers in die Hand des Käufers, während es sich
gleichzeitig aus der Hand des Käufers in die des Verkäufers entfernt, um denselben Prozeß mit einer andren Ware zu wiederholen.
Daß diese einseitige Form der Geldbewegung aus der doppelseitigen
Formbewegung der Ware entspringt, ist verhüllt. Die Natur der Warenzirkulation selbst erzeugt den entgegengesetzten Schein. Die
erste Metamorphose der Ware ist nicht nur als Bewegung des
Geldes, sondern als ihre eigne Bewegung sichtbar, aber ihre
zweite Metamorphose ist nur als Bewegung des Geldes sichtbar. In
ihrer ersten Zirkulationshälfte wechselt die Ware den Platz mit
dem Geld. Damit fällt zugleich ihre Gebrauchsgestalt aus der Zirkulation heraus, in die Konsumtion. 74) Ihre Wertgestalt oder
Geldlarve tritt an ihre Stelle. Die zweite Zirkulationshälfte
durchläuft sie nicht mehr in ihrer eignen Naturalhaut, sondern in
ihrer Goldhaut. Die Kontinuität der Bewegung fällt damit ganz auf
die Seite des Geldes und dieselbe Bewegung, die für die Ware zwei
entgegengesetzte Prozesse einschließt, schließt als eigne Bewegung des Geldes stets denselben Prozeß ein, seinen Stellenwechsel
mit
#130# I. Abschnitt - Ware und Geld
stets andrer Ware. Das Resultat der Warenzirkulation, Ersatz von
Ware durch andre Ware, erscheint daher nicht durch ihren eignen
Formwechsel vermittelt, sondern durch die Funktion des Geldes als
Zirkulationsmittel, welches die an und für sich bewegungslosen
Waren zirkullert, sie aus der Hand, worin sie Nicht-Gebrauchswerte, in die Hand überträgt, worin sie Gebrauchswerte,
stets in entgegengesetzter Richtung zu seinem eignen Lauf. Es
entfernt die Waren beständig aus der Zirkulationssphäre, indem es
beständig an ihre Zirkulationsstelle tritt und sich damit von
seinem eignen Ausgangspunkt entfernt. Obgleich daher die Geldbewegung nur Ausdruck der Warenzirkulation, erscheint umgekehrt die
Warenzirkulation nur als Resultat der Geldbewegung. 75)
Andrerseits kommt dem Geld nur die Funktion des Zirkulationsmittels zu, weil es der verselbständigte Wert der Waren ist. Seine
Bewegung als Zirkulationsmittel ist daher in der Tat nur ihre
eigne Formbewegung. Diese muß sich daher auch sinnlich im Umlauf
des Geldes widerspiegeln. So verwandelt z.B. die Leinwand zuerst
ihre Warenform in ihre Geldform. Das letzte Extrem ihrer ersten
Metamorphose W-G, die Geldform, wird dann das erste Extrem ihrer
letzten Metamorphose G-W, ihrer Rückverwandlung in die Bibel.
Aber jeder dieser zwei Formwechsel vollzieht sich durch einen
Austausch zwischen Ware und Geld, durch ihren gegenseitigen Stellenwechsel. Dieselben Geldstücke kommen als entäußerte Gestalt
der Ware in die Hand des Verkäufers und verlassen sie als absolut
veräußerliche Gestalt der Ware. Sie wechseln zweimal die Stelle.
Die erste Metamorphose der Leinwand bringt diese Geldstücke in
die Tasche des Webers, die zweite holt sie wieder heraus. Die
beiden entgegengesetzten Formwechsel derselben Ware spiegeln sich
also wider im zweimaligen Stellenwechsel des Geldes in entgegengesetzter Richtung.
Finden dagegen nur einseitige Warenmetamorphosen statt, bloße
Verkäufe oder bloße Käufe, wie man will, so wechselt dasselbe
Geld auch nur einmal den Platz. Sein zweiter Stellenwechsel
drückt stets die zweite Metamorphose der Ware aus, ihre Rückverwandlung aus Geld. In der häufigen Wiederholung des Stellenwechsels derselben Geldstücke spiegelt sich wider nicht nur die Metamorphosenreihe einer einzigen Ware, sondern auch die Verschlingung der zahllosen Metamorphosen der Warenwelt überhaupt.
Es versteht sich übrigens ganz von selbst, daß alles dies nur für
die hier betrachtete Form der einfachen Warenzirkulation gilt.
#131# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Jede Ware, bei ihrem ersten Schritt in die Zirkulation, bei ihrem
ersten Formwechsel, fällt aus der Zirkulation heraus, in welche
stets neue Ware eintritt. Das Geld dagegen als Zirkulationsmittel
haust beständig in der Zirkulationssphäre und treibt sich beständig in ihr um. Es entsteht also die Frage, wieviel Geld diese
Sphäre beständig absorbiert.
In einem Lande gehn jeden Tag zahlreiche, gleichzeitige und daher
räumlich nebeneinander laufende einseitige Warenmetamorphosen
vor, oder in anderen Worten, bloße Verkäufe von der einen Seite,
bloße Käufe von der andren. In ihren Preisen sind die Waren bereits bestimmten vorgestellten Geldquantis gleichgesetzt. Da nun
die hier betrachtete, unmittelbare Zirkulationsform Ware und Geld
einander stets leiblich gegenüberstellt, die eine auf den Pol des
Verkaufs, das andre auf den Gegenpol des Kaufs, ist die für den
Zirkulationsprozeß der Warenwelt erheischte Masse von Zirkulationsmitteln bereits durch die Preissumme der Waren bestimmt. In
der Tat stellt das Geld nur reell die in der Preissumme der Waren
bereits ideell ausgedrückte Goldsumme dar. Die Gleichheit dieser
Summen versteht sich daher von selbst. Wir wissen jedoch, daß bei
gleichbleibenden Werten der Waren ihre Preise mit dem Werte des
Goldes (des Geldmaterials) selbst wechseln, verhältnismäßig steigen, wenn er fällt, und fallen, wenn er steigt. Ob die Preissumme
der Waren so steige oder falle. die Masse des zirkulierenden
Geldes muß gleichmäßig steigen oder fallen. Der Wechsel in der
Masse der Zirkulationsmittel entspringt hier allerdings aus dem
Geld selbst, aber nicht aus seiner Funktion als Zirkulationsmittel, sondern aus seiner Funktion als Wertmaß. Der Preis der Waren
wechselt erst umgekehrt wie der Wert des Geldes, und dann wechselt die Masse der Zirkulationsmittel direkt wie der Preis der
Waren. Ganz dasselbe Phänomen würde sich ereignen, wenn z.B.
nicht der Wert des Goldes sänke, sondern Silber es als Wertmaß
ersetzte, oder nicht der Wert des Silbers stiege, sondern Gold es
aus der Funktion des Wertmaßes verdrängte. In dem einen Fall
müßte mehr Silber zirkulieren als vorher Gold, in dem andren weniger Gold als vorher Silber. In beiden Fällen hätte sich der
Wert des Geldmaterials verändert, d.h. der Ware, die als Maß der
Werte funktioniert, daher der Preisausdruck der Warenwerte, daher
die Masse des zirkulierenden Geldes, das zur Realisierung dieser
Preise dient. Man hat gesehn, daß die Zirkulationssphäre der Waren ein Loch hat, wodurch Gold (Silber, kurz das Geldmaterial) in
sie eintritt als Ware von gegebnem Wert. Dieser Wert ist vorausgesetzt bei der Funktion des Geldes als Wertrnaß, also bei der
Preisbestimmung. Sinkt nun z.B. der Wert des Wertmaßes selbst, so
erscheint dies zunächst im Preiswechsel der Waren, die unmittelbar an den Produktionsquellen
#132# I. Abschnitt - Ware und Geld
der edlen Metalle mit ihnen als Waren ausgetauscht werden.
Namentlich in minder entwickelten Zuständen der bürgerlichen Gesellschaft wird ein großer Teil der andren Waren noch längere
Zeit in dem nun illusorisch gewordnen, veralteten Wert des Wertmaßes geschätzt werden. Indes steckt die eine Ware die andre an
durch ihr Wertveirhältnis zu derselben, die Gold- oder Silberpreise der Waren gleichen sich allmählich aus in den durch ihre
Werte selbst bestimmten Proportionen, bis schließlich alle Warenwerte dem neuen Wert des Geldmetalles entsprechend geschätzt werden. Dieser Ausgleichungsprozeß ist begleitet von dem fortwährenden Wachstum der edlen Metalle, welche im Ersatz für die direkt
mit ihnen ausgetauschten Waren einströmen. In demselben Maß daher, worin die berichtigte Preisgebung der Waren sich verallgemeinert, oder ihre Werte dem neuen, gesunkenen und bis zu einem
gewissenpunkt fortsinkenden Wert des Metalls gemäß geschätzt werden, ist auch bereits seine zu ihrer Realisierung notwendige
Mehrmasse vorhanden. Einseitige Beobachtung der Tatsachen, welche
der Entdeckung der neuen Gold- und Silberquellen folgten, verleitete im 17. und namentlich im 18. Jahrhundert zum Trugschluß, die
Warenpreise seien gestiegen, weil mehr Gold und Silber als Zirkulationsmittel funktionierten. Im folgenden wird der Wert des
Goldes als gegeben vorausgesetzt, wie er in der Tat im Augenblick
der Preisschätzung gegeben ist.
Unter dieser Voraussetzung also ist die Masse der Zirkulationsmittel durch die zu realisierende Preissumme der Waren bestimmt.
Setzen wir nun ferner den Preis jeder Warenart als gegeben voraus, so hängt die Preissumme der Waren offenbar von der in Zirkulation befindlichen Warenmasse ab. Es gehört wenig Kopfbrechens
dazu, um zu begreifen, daß, wenn 1 Quarter Weizen 2 Pfd.St., 100
Quarter 200 Pfd.St., 200 Quarter 400 Pfd.St. usw. kosten, mit der
Masse des Weizens daher die Geldmasse wachsen muß, die beim Verkauf den Platz mit ihm wechselt.
Die Warenmasse als gegeben vorausgesetzt, flutet die Masse des
zirkulierenden Geldes auf und ab mit den Preisschwankungen der
Waren. Sie steigt und fällt, weil die Preissumme der Waren infolge ihres Preiswechsels zu, oder abnimmt. Dazu ist keineswegs
nötig, daß die Preise aller Waren gleichzeitig steigen oder fallen. Die Preissteigerung einer gewissen Anzahl leitender Artikel
in dem einen oder ihre Preissenkung in dem andren Fall reicht
hin, um die zu realisierende Preissumme aller zirkullerenden Waren zu erhöhn oder zu senken, also auch mehr oder weniger Geld in
Zirkulation zu setzen. Ob der Preiswechsel der Waren wirkliche
Wertwechsel widerspiegelt oder bloße Schwankungen der Marktpreise, die Wirkung auf die Masse der Zirkulationsmittel bleibt
dieselbe.
#133# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Es sei gegeben eine Anzahl zusammenhangsloser, gleichzeitiger und
daher räumlich nebeneinander laufender Verkäufe oder Teilmetamorphosen, z.B. von 1 Quarter Weizen, 20 Ellen Leinwand, 1 Bibel, 4
Gallons Kornbranntwein. Wenn der Preis jedes Artikels 2 Pfd.St.,
die zu realisierende Preissumme daher 8 Pfd.St., so muß eine
Geldmasse von 8 Pfd.St. in die Zirkulation eingehn. Bilden dieselben Waren dagegen Glieder der uns bekannten Metamorphosenreihe: 1 Quarter Weizen - 2Pfd.St. - 20 Ellen Leinwand - 2
Pfd.St. - 1 Bibel - 2 Pfd.St. - 4 Gallons Kornbranntwein - 2
Pfd.St., so machen 2 Pfd.St. die verschiednen Waren der Reihe
nach zirkulieren, indem sie deren Preise der Reihe nach, also
auch die Preissumme von 8 Pfd.St., realisieren, um schließlich in
der Hand des Destillateurs auszuruhn. Sie vollbringen vier Umläufe. Dieser wiederholte Stellenwechsel derselben Geldstücke
stellt den doppelten Formwechsel der Ware dar, ihre Bewegung
durch zwei entgegengesetzte Zirkulationsstadien und die Verschlingung der Metamorphosen verschiedner Waren. 76) Die gegensätzlichen und einander ergänzenden Phasen, wodurch dieser Prozeß
verläuft, können nicht räumlich nebeneinander fallen, sondern nur
zeitlich aufeinander folgen. Zeitabschnitte bilden daher das Maß
seiner Dauer, oder die Anzahl der Umläufe derselben Geldstücke in
gegebner Zeit mißt die Geschwindigkeit des Geldumlaufs. Der Zirkulationsprozeß jener vier Waren dauere z.B. einen Tag. So beträgt die zu realisierende Preissumme: 8 Pfd.St., die Anzahl der
Umläufe derselben Geldstücke während des Tags: 4 und die Masse
des zirkullerenden Geldes: 2 Pfd.St., oder für einen gegebnen
Zeitabschnitt des Zirkulationsprozesses: Preissumme der Waren /
Umlaufsanzahl gleichnamiger Geldstücke = Masse des als Zirkulationsmittel funktionierenden Geldes. Dies Gesetz gilt allgemein.
Der Zirkulationsprozeß eines Landes in einem gegebnen Zeitabschnitt umfaßt zwar einerseits viele zersplitterte, gleichzeitige
und räumlich nebeneinander fallende Verkäufe (resp. Käufe) oder
Tellmetamorphosen, worin dieselben Geldstücke nur einmal die
Stelle wechseln oder nur einen Umlauf vollziehn, andrerseits
viele teils nebeneinander herlaufende, teils sich ineinander verschlingende mehr oder minder gliederreiche Metamorphosenreihen,
worin dieselben Geldstücke mehr oder minder zahlreiche Umläufe
zurücklegen.
Die Gesamtzahl der Umläufe aller in Zirkulation befindlichen
gleichnamigen
#134# I. Abschnitt - Ware und Geld
Geldstücke ergibt jedoch die Durchschnittsanzahl der Umläufe des
einzelnen Geldstücks oder die Durchschnittsgeschwindigkeit des
Geldumlaufs. Die Geldmasse, die bei Beginn z.B. des täglichen
Zirkulationsprozesses in ihn hineingeworfen wird, ist natürlich
bestimmt durch die Preissumme der gleichzeitig und räumlich nebeneinander zirkulierenden Waren. Aber innerhalb des Prozesses
wird ein Geldstück sozusagen für das andre verantwortlich gemacht. Beschleunigt das eine seine Umlaufsgeschwindigkeit, so erlahmt die des andren, oder es fliegt ganz aus der Zirkulationssphäre heraus, da diese nur eine Goldmasse absorbieren kann, welche, multipliziert mit der mittlern Umlaufsanzahl ihres einzelnen
Elements, gleich der zu realisierenden Preissumme ist. Wächst daher die Anzahl der Umläufe der Geldstücke, so nimmt ihre zirkullerende Masse ab. Nimmt die Anzahl ihrer Umläufe ab, so wächst
ihre Masse. Weil die Masse des Geldes, die als Zirkulationsmittel
funktionieren kann, bei gegebner Durchschnittsgeschwindigkeit gegeben ist, hat man daher z.B. nur eine bestimmte Quantität von
Ein-Pfund-Noten in die Zirkulation hineinzuwerfen, um ebenso
viele Sovereigns hinauszuwerfen, ein allen Banken wohlbekanntes
Kunststück.
Wie im Geldumlauf überhaupt nur der Zirkulationsprozeß der Waren,
d.h. ihr Kreislauf durch entgegengesetzte Metamorphosen erscheint, so in der Geschwindigkeit des Geldumlaufs die Geschwindigkeit ihres Formwechsels, das kontinuierliche Ineinandergreifen
der Metamorphosenreihen, die Hast des Stoffwechsels, das rasche
Verschwinden der Waren aus der Zirkulationssphäre und ihr ebenso
rascher Ersatz durch neue Waren. In der Geschwindigkeit des Geldumlaufs erscheint also die flüssige Einheit der entgegengesetzten
und sich ergänzenden Phasen, Verwandlung der Gebrauchsgestalt in
Wertgestalt und Rückverwandlung der Wertgestalt in Gebrauchsgestalt, oder der beiden Prozesse des Verkaufs und Kaufs. Umgekehrt
erscheint in der Verlangsamung des Geldumlaufs die Trennung und
gegensätzliche Verselbständigung dieser Prozesse, die Stockung
des Formwechsels und daher des Stoffwechsels. Woher diese Stockung entspringt, ist natürlich der Zirkulation selbst nicht anzusehn. Sie zeigt nur das Phänomen selbst. Der populären Anschauung, welche mit verlangsamtem Geldumlauf das Geld minder häufig
auf allen Punkten der Zirkulationsperipherie erscheinen und verschwinden sieht, liegt es nah, das Phänomen aus mangelnder Quantität der Zirkulationsmittel zu deuten. 77)
#135# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Das Gesamtquantum des in jedem Zeitabschnitt als Zirkulationsmittel funktionierenden Geldes ist also bestimmt einerseits durch
die Preissumme der zirkullerenden Warenwelt, andrerseits durch
den langsameren oder rascheren Fluß ihrer gegensätzlichen Zirkulationsprozesse, von dem es abhängt, der wievielte Teil jener
Preissumme durch dieselben Geldstücke realisiert werden kann. Die
Preissumme der Waren hängt aber ab sowohl von der Masse als den
Preisen jeder Warenart. Die drei Faktoren: die Preisbewegung, die
zirkullerende Warenmasse und endlich die Umlaufsgeschwindigkeit
des Geldes, können aber in verschiedner Richtung und verschiednen
Verhältnissen wechseln, die zu realisierende Preissumme, daher
die durch sie bedingte Masse der Zirkulationsmittel, also sehr
zahlreiche Kombinationen durchmachen. Wir zählen hier nur die in
der Geschichte der Warenpreise wichtigsten auf.
Bei gleichbleibenden Warenpreisen kann die Masse der Zirkulationsmittel wachsen, weil die Masse der zirkulierenden Waren zunimmt oder die
#136# I. Abschnitt Ware und Geld
Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes abnimmt oder beides zusammenwirkt. Die Masse der Zirkulationsmittel kann umgekehrt abnehmen
mitabnehmen der Warenmasse oder zunehmender Zirkulationsgeschwindigkeit.
Bei allgemein steigenden Warenpreisen kann die Masse der Zirkulationsmittel gleichbleiben, wenn die Masse der zirkulierenden Waren in demselben Verhältnis abnimmt, worin ihr Preis zunimmt,
oder die Umlaufs. Geschwindigkeit des Geldes ebenso rasch zunimmt
als die Preiserhöhung, während die zirkulierende Warenmasse konstant bleibt. Die Masse der Zirkulationsmittel kann fallen, weil
die Warenmasse rascher ab- oder die Umlaufsgeschwindigkeit rascher zunimmt als die Preise.
Bei allgemein fallenden Warenpreisen kann die Masse der Zirkulationsmittel gleichbleiben, wenn die Warenmasse in demselben Verhältnis wächst, worin ihr Preis fällt, oder die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes in demselben Verhältnis abnimmt wie die
Preise. Sie kann wachsen, wenn die Warenmasse rascher wächst oder
die Zirkulationsgeschwindigkeit rascher abnimmt, als die Warenpreise fallen.
Die Variationen der verschiednen Faktoren können sich wechselseitig kompensieren, so daß ihrer beständigen Unstätigkeit zum Trotz
die zu realisierende Gesamtsumme der Warenpreise konstant bleibt,
also auch die zirkulierende Geldmasse. Man findet daher, namentlich bei Betrachtung etwas längerer Perioden, ein viel konstanteres Durchschnittsniveau der in jedem Lande zirkullerenden Geldmasse und, mit Ausnahme starker Perturbationen, die periodisch
aus den Produktions- und Handelskrisen, seltner aus einem Wechsel
im Geldwert selbst entspringen, viel geringere Abweichungen von
diesem Durchschnittsniveau, als man nach dem Augenschein erwarten
sollte.
Das Gesetz, daß die Quantität der Zirkulationsmittel bestimmt ist
durch die Preissumme der zirkulierenden Waren und die Durchschnittsgeschwindigkeit des Geldumlaufs 78), kann auch so ausgedruckt werden, daß bei gegebner Wertsumme der Waren und gegebner
Durchschnittsgeschwindigkeit
#137# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
ihrer Metamorphosen, die Quantität des umlaufenden Geldes oder
des Geldmaterials von seinem eignen Wert abhängt. Die Illusion,
daß um gekehrt die Warenpreise durch die Masse der Zirkulationsmittel und letztre ihrerseits durch die Masse des in einem Lande
befindlichen Geldmaterials bestimmt werden 79), wurzelt bei ihren
ursprünglichen Vertretern in der abgeschmackten
#138# I. Abschnitt - Ware und Geld
Hypothese, daß Waren ohne Preis und Geld ohne Wert in den Zirkulationsprozeß eingehn, wo sich dann ein aliquoter Teil des Warenbreis mit einem aliquoten Teil des Metallbergs austausche. 80)
c) Die Münze. Das Wertzeichen
Aus der Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel entspringt
seine Münzgestalt. Der in dem Preise oder Geldnamen der Waren
vorgestellte Gewichtsteil Gold muß ihnen in der Zirkulation als
gleichnamiges Goldstück oder Münze gegenübertreten. Wie die Feststellung des Maßstabs der Preise, fällt das Geschäft der Münzung
dem Staat anheim. In den verschiednen
#139# 3. Kapitel - Du Geld oder die Warenzition
Nationaluniformen, die Gold und Silber als Münzen tragen, auf dem
Weltmarkt aber wieder ausziehn, erscheint die Scheidung zwischen
den innern oder nationalen Sphären der Warenzirkulation und ihrer
allgemeinen Weltmarktssphäre.
Goldmünze und Barrengold unterscheiden sich also von Haus aus nur
durch die Figur, und das Gold ist beständig aus einer Form in die
andre verwandelbar. 81) Der Weg aus der Münze ist aber zugleich
der Gang zum Schmelztlegel. Im Umlauf verschleißen nämlich die
Goldmünzen, die eine mehr, die andre weniger. Goldtitel und Goldsubstanz, Nominalgehalt und Realgehalt beginnen ihren Scheidungsprozeß. Gleichnamige Goldmünzen werden von ungleichem Wert, weil
verschiednem Gewicht. Das Gold als Zirkulationsmittel weicht ab
vom Gold als Maßstab der Preise und hört damit auch auf, wirkliches Äquivalent der Waren zu sein, deren Preise es realisiert.
Die Geschichte dieser Wirren bildet die Münzgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert. Die naturwüchsige Tendenz des Zirkulationsprozesses, das Goldsein der Münze in
Goldschein oder die Münze in ein Symbol ihres offiziellen Metallgehalts zu verwandeln, ist selbst anerkannt durch die modernsten
Gesetze über den Grad des Metallverlustes, der ein Goldstück kursunfähig macht oder demonetisiert.
#140# I. Abschnitt - Ware und Geld
Wenn der Geldumlauf selbst den Realgehalt vom Nominalgehalt der
Münze scheidet, ihr Metalldasein von ihrem funktionellen Dasein,
so enthält er die Möglichkeit latent, das Metallgeld in seiner
Münzfunktion durch Marken aus andrem Material oder Symbole zu ersetzen. Die technischen Hindernisse der Münzung ganz diminutiver
Gewichtstelle des Goldes resp. Silbers und der Umstand, daß niedrigere Metalle ursprünglich statt der edleren, Silber statt des
Goldes, Kupfer statt des Silbers, zum Wertmaß dienen und daher
als Geld zirkulieren im Augenblick, wo das edlere Metall sie entthront, erklären historisch die Rolle von Silber- und Kupfermarken als Substituten der Goldmünze. Sie ersetzen das Gold in den
Kreisen der Warenzirkulation, worin die Münze am schnellsten zirkuliert und sich daher am schnellsten abnutzt, d.h., wo Käufe und
Verkäufe unaufhörlich im kleinsten Maßstab erneuert werden. Um
die Festsetzung dieser Trabanten an der Stelle des Goldes selbst
zu verhindern, werden gesetzlich die sehr niedrigen Proportionen
bestimmt, worin sie allein an Zahlungs Statt für Gold angenommen
werden müssen. Die besondren Kreise, worin die verschiednen Münzsorten umlaufen, laufen natürlich ineinander. Die Scheidemünze
erscheint neben dem Gold zur Zahlung von Bruchteilen der kleinsten Goldmünze; das Gold tritt beständig in die Detallzirkulation
ein, wird aber durch Auswechslung mit Scheidemünze ebenso beständig heraus geworfen. 82)
Der Metallgehalt der Silber- oder Kupfermarken ist willkürlich
durch das Gesetz bestimmt. Im Umlauf verschleißen sie noch rascher als die Goldmünze. Ihre Münzfunktion wird daher faktisch
durchaus unabhängig von ihrem Gewicht, d.h. von allem Wert. Das
Münzdasein des Goldes scheidet sich völlig von seiner Wertsubstanz. Relativ wertlose Dinge, Papierzettel, können also an seiner Statt als Münze funktionieren. In den metallischen Geldmarken
ist der rein symbolische Charakter noch einigermaßen
#141# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
versteckt. Im Papiergeld tritt er augenscheinlich hervor. Man
sieht:
Ce n'est que le premier pas qui coûte 1*).
Es handelt sich hier nur von Staatspapiergeld mit Zwangskurs. Es
wächst unmittelbar aus der metallischen Zirkulation heraus. Kreditgeld unterstellt dagegen Verhältnisse, die uns vom Standpunkt
der einfachen Warenzirkulation noch durchaus unbekannt sind. Im
Vorbeigehn sei Jedoch bemerkt, daß, wie eigentliches Papiergeld
aus der Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel entspringt,
das Kreditgeld in der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel
seine naturwüchsige Wurzel besitzt. 83)
Papierzettel, denen Geldnamen, wie 1 Pfd.St., 5 Pfd.St. usw. aufgedruckt sind, werden vom Staat äußerlich in den Zirkulationsprozeß hineingeworfen. Soweit sie wirklich an der Stelle der gleichnamigen Goldsumme zirkulieren, spiegeln sich in ihrer Bewegung
nur die Gesetze des Geldumlaufs selbst wider. Ein spezifisches
Gesetz der Papierzirkulation kann nur aus ihrem Repräsentationsverhältnis zum Gold entspringen. Und dies Gesetz ist einfach
dies, daß die Ausgabe des Papiergelds auf die Quantität zu beschränken ist, worin das von ihm symbolisch dargestellte Gold
(resp. Silber) wirklich zirkulieren müßte. Nun schwankt zwar das
Goldquantum, welches die Zirkulationssphäre absorbieren kann, beständig über oder unter ein gewisses Durchschnittsniveau. Jedoch
sinkt die Masse des zirkulierenden Mediums in einem gegebnen Land
nie unter ein gewisses Minimum, das sich erfahrungsmäßig feststellt. Daß diese Minimalmasse fortwährend ihre Bestandteile
wechselt, d.h. aus stets andren Goldstücken
#142# I. Abschnitt - Ware und Geld
besteht, ändert natürlich nichts an ihrem Umfang und ihrem konstanten Umtrieb in der Zirkulationssphäre. Sie kann daher durch
Papiersymbole ersetzt werden. Werden dagegen heute alle Zirkulationskanäle zum vollen Grad ihrer Geldabsorptionsfähigkeit mit
Papiergeld gefüllt, so können sie infolge der Schwankungen der
Warenzirkulation morgen übervoll sein. Alles Maß geht verloren.
Überschreitet aber das Papier sein Maß, d.h. die Quantität von
Goldmünze gleicher Denomination, welche zirkulieren könnte, so
stellt es, von der Gefahr allgemeiner Diskreditierung abgesehn,
innerhalb der Warenwelt dennoch nur die durch ihre immanenten Gesetze bestimmte, also auch allein repräsentieirbare Goldquantität
vor. Stellt die Papierzettelmasse z.B. je 2 Unzen Gold statt je 1
Unze dar, so wird faktisch 1 Pfd.St. z.B. zum Geldnamen sage etwa
von 1/8 Unze statt von 1/4 Unze. Die Wirkung ist dieselbe, als
wäre das Gold in seiner Funktion als Maß der Preise verändert
worden. Dieselben Werte, die sich daher vorher im Preise von 1
Pfd.St., drucken sich jetzt im Preise von 2 Pfd.St. aus.
Das Papiergeld ist Goldzeichen oder Geldzeichen. Sein Verhältnis
zu den Warenwerten besteht nur darin, daß sie ideell in denselben
Goldquantis ausgedruckt sind, welche vom Papier symbolisch sinnlich dargestellt werden. Nur sofern das Papiergeld Goldquanta repräsentiert, die, wie alle andren Warenquanta, auch Wertquanta,
ist es Wertzeichen."
Es fragt sich schließlich, warum das Gold durch bloße wertlose
Zeichen seiner selbst ersetzt werden kann? Es ist aber, wie man
gesehn, nur so er setzbar, soweit es in seiner Funktion als Münze
oder Zirkulationsmittel isoliert oder verselbständigt wird. Nun
findet die Verselbständigung dieser Funktion zwar nicht für die
einzelnen Goldmünzen statt, obgleich sie in dem Fortzirkulieren
verschlissener Goldstücke erscheint. Bloße Münze
#143# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
oder Zirkulationsmittel sind die Goldstücke grade nur, solang sie
sich wirklich im Umlauf befinden. Was aber nicht für die einzelne
Goldmünze, gilt für die vom Papiergeld ersetzbare Minimalmasse
Gold. Sie haust beständig in der Zirkulationssphäre, funktioniert
fortwährend als Zirkulationsmittel und existiert daher ausschließlich als Träger dieser Funktion. Ihre Bewegung stellt also
nur das fortwährende Ineinanderumschlagen der entgegengesetzten
Prozesse der Warenmetamorphose W-G-W dar, worin der Ware ihre
Wertgestalt nur gegenübertritt, um sofort wieder zu verschwinden.
Die selbständige Darstellung des Tauschwerts der Ware ist hier
nur flüchtiges Moment. Sofort wird sie wieder durch andre Ware
ersetzt. Daher genügt auch die bloß symbolische Existenz des
Geldes in einem Prozeß, der es beständig aus einer Hand in die
andre entfernt. Sein funktionelles Dasein absorbiert sozusagen
sein materielles. Verschwindend objektivierter Reflex der Warenpreise, funktioniert es nur noch als Zeichen seiner selbst und
kann daher auch durch Zeichen ersetzt werden. 85) Nur bedarf das
Zeichen des Geldes seiner eignen objektiv gesellschaftlichen Gültigkeit, und diese erhält das Papiersymbol durch den Zwangskurs.
Nur innerhalb der von den Grenzen eines Gemeinwesens umschriebnen
oder innern Zirkulationssphäre gilt dieser Staatszwang, aber auch
nur hier geht das Geld völlig auf in seine Funktion als Zirkulationsmittel oder Münze und kann daher im Papiergeld eine von seiner Metallsubstanz äußerlich getrennte und bloß funktionelle Existenzweise erhalten.
#144# I. Abschnitt - Ware und Geld
goldnen (resp. silbernen) Leiblichkeit erscheinen muß, daher als
Geldware, also weder bloß ideell, wie im Wertmaß, noch repräsentationsfähig, wie im Zirkulationsmittel; andrerseits wo seine
Funktion, ob es selbe nun in eigner Person oder durch Stellvertreter vollziehe, es als alleinige Wertgestalt oder allein adäquates Dasein des Tauschwerts allen andren Waren als bloßen Gebrauchswerten gegenüber fixiert.
a) Schatzbildung
Der kontinuierliche Kreislauf der zwei entgegengesetzten Warenmetamorphosen oder der flüssige Umschlag von Verkauf und Kauf erscheint im rastlosen Umlauf des Geldes oder seiner Funktion als
perpetuum mobile der Zirkulation. Es wird immobilisiert, oder
verwandelt sich, wie Bolsguillebert sagt, aus meuble in immeuble
[46], aus Münze in Geld, sobald die Metamerphosenreihe unterbrochen, der Verkauf nicht durch nachfolgenden Kauf ergänzt wird.
Mit der ersten Entwicklung der Warenzirkulation selbst entwickelt
sich die Notwendigkeit und die Leidenschaft, das Produkt der ersten Metamorphose, die verwandelte Gestalt der Ware oder ihre
Goldpuppe festzuhalten. 88) Ware wird verkauft, nicht um Ware zu
kaufen, sondern um Warenform durch Geldform zu ersetzen. Aus bloßer Vermittlung des Stoffwechsels wird dieser Formwechsel zum
Selbstzweck. Die entäußerte Gestalt der Ware wird verhindert, als
ihre absolut veräußerliche Gestalt oder nur verschwindende Geldform zu funktionieren. Das Geld versteinert damit zum Schatz, und
der Warenverkäufer wird Schatzbildner.
Grade in den Anfängen der Warenzirkulation verwandelt sich nur
der Überschuß an Gebrauchswerten in Geld. Gold und Silber werden
so von selbst zu gesellschaftlichen Ausdrücken des Überflusses
oder des Reichtums. Diese naive Form der Schatzbildung verewigt
sich bei Völkern, wo der traditionellen und auf Selbstbedarf gerichteten Produktionsweise ein fest abgeschloßner Kreis von Bedürfnissen entspricht. So bei den Asiaten, namentlich den Indern.
Vanderlint, der die Warenpreise durch die Masse des in einem Land
befindlichen Goldes und Silbers bestimmt wähnt, fragt sich, warum
die indischen Waren so wohlfeil? Antwort: Weil die Inder das
#145# 3. Kapitel - Das Geld der die Warenzirkulation
Geld vergraben. Von 1602-1734, bemerkt er, vergruben sie 150 Millionen Pfd.St. Silber, die ursprünglich von Amerika nach Europa
kamen. 87) Von 1856-1866, also in 10 Jahren, exportierte England
nach Indien und China (das nach China exportierte Metall fließt
großenteils wieder nach Indien) 120 Millionen Pfd.St. in Silber,
welches vorher gegen australisches Geld eingewechselt wurde.
Mit mehr entwickelter Warenproduktion muß jeder Warenproduzent
sich den nervus rerum, das "gesellschaftliche Faustpfand" sichern. 88) Seine Bedürfnisse erneuern sich unaufhörlich und gebieten unaufhörlichen Kauf fremder Ware, während Produktion und
Verkauf seiner eignen Ware Zeit kosten und von Zufällen abhängen.
Um zu kaufen, ohne zu verkaufen, muß er vorher verkauft haben,
ohne zu kaufen. Diese Operation, auf allgemeiner Stufenleiter
ausgeführt, scheint sich selbst zu widersprechen. An ihren
Produktionsquellen jedoch tauschen sich die edlen Metalle direkt
mit andren Waren aus. Es findet hier Verkauf (auf Seite der Warenbesitzer) ohne Kauf (auf Seite der Gold- und Silberbesitzer)
statt. 89) Und spätere Verkäufe ohne nachfolgende Käufe vermitteln bloß die weitere Verteilung der edlen Metalle unter alle Warenbesitzer. So entstehn auf allen Punkten des Verkehrs Gold- und
Silberschätze vom verschiedensten Umfang. Mit der Möglichkeit,
die Ware als Tauschwert oder den Tauschwert als Ware festzuhalten, erwacht die Goldgier. Mit der Ausdehnung der Wärenzirkulation wächst die Macht des Geldes, der stets schlagfertigen, absolut gesellschaftlichen Form des Reichtums.
"Gold ist ein wunderbares Ding! Wer dasselbe besitzt, ist Herr
von allem, was er wünscht. Durch Gold kann man sogar Seelen in
das Paradies gelangen lassen." (Columbus, im Brief aus Jamaica,
1503.)
Da dem Celd nicht anzusehn, was in es verwandelt ist, verwandelt
sich alles, Ware oder nicht, in Geld. Alles wird verkäuflich und
kaufbar. Die Zirkulation wird die große gesellschaftliche Retorte, worin alles hineinfliegt, um als Geldkristall wieder herauszukommen.
Dieser Alchimie widerstehn nicht einmal Heiligenknochen und noch
viel weniger minder grobe res sacrosanctae, extra cornmercium
#146# I. Abschnitt - Ware und Geld
hominum 1*). 90) Wie im Geld aller qualltative Unterschied der
Waren ausgelöscht ist, löscht es seinerseits als radikaler Leveller alle Unterschiede aus. 91) Das Geld ist aber selbst Ware, ein
äußerlich Ding, das Privateigentum eines jeden werden kann. Die
gesellschaftliche Macht wird so zur Privatmacht der Privatperson.
Die antike Gesellschaft denunziert es daher als die Scheidernünze
ihrer ökonomischen und sittlichen Ordnung. 92) Die moderne Gesellschaft, die schon in ihren Kinderjahren den Plutus an den
Haaren
#147# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
aus den Eingeweiden der Erde herauszieht 93), begrüßt im Goldgral
die glänzende Inkarnation ihres eigensten Lebensprinzips.
Die Ware als Gebrauchswert befriedigt ein besondres Bedürfnis und
bildet ein besondres Element des stofflichen Reichtums. Aber der
Wert der Ware mißt den Grad ihrer Attraktionskraft auf alle Elemente des stofflichen Reichtums, daher den gesellschaftlichen
Reichtum ihres Besitzers. Dem barbarisch einfachen Warenbesitzer,
selbst einem westeuropäischen Bauer, ist der Wert unzertrennlich
von der Wertform, Vermehrung des Gold- und Silberschatzes daher
Wertvermehrung. Allerdings wechselt der Wert des Geldes, sei es
infolge seines eignen Wertwechsels, sei es des Wertwechsels der
Waren. Dies verhindert aber einerseits nicht, daß 200 Unzen Gold
nach wie vor mehr Wert enthalten als 100, 300 mehr als 200 usw.,
noch andrerseits, daß die metallne Naturalform dieses Dings die
allgemeine Äquivalentform aller Waren bleibt, die unmittelbar gesellschaftliche Inkarnation aller menschlichen Arbeit. Der Trieb
der Schatzbildung ist von Natur maßlos. Qualitativ oder seiner
Form nach ist das Geld schrankenlos, d.h. allgemeiner Repräsentant des stofflichen Reichtums, weil in iede Ware unmittelbar umsetzbar. Aber zugleich ist jede wirkliche Geldsumme quantitativ
beschränkt, daher auch nur Kaufmittel von beschränkter Wirkung.
Dieser Widerspruch zwischen der quantitativen Schranke und der
qualitativen Schrankenlosigkeit des Geldes treibt den Schatzbildner stets zurück zur Sisyphusarbeit der Akkumulation. Es geht ihm
wie dem Welteroberer, der mit jedem neuen Land nur eine neue
Grenze erobert.
Um das Gold als Geld festzuhalten und daher als Element der
Schatzbildung, muß es verhindert werden zu zirkulieren oder als
Kaufmittel sich in Genußmittel aufzulösen. Der Schatzbildner opfert daher dem Goldfetisch seine Fleischeslust. Er macht Ernst
mit dem Evangelium der Entsagung. Andrerseits kann er der Zirkulation nur in Geld entziehn, was er ihr in Ware gibt. Je mehr er
produziert, desto mehr kann er verkaufen.
Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Geiz bilden daher seine
Kardinaltugenden, viel verkaufen, wenig kaufen, die Summe seiner
politischen Ökonomie. 94)
Neben der unmittelbaren Form des Sces läuft seine ästhetische
Form, der Besitz von Gold- und Silberwaren. Er wächst mit dem
Reichtum
#148# I. Abschnitt - Ware und Geld
der bürgerlichen Gesellschaft. "Soyons riches ou paraissons riches." 1*)
(Diderot.) Es bildet sich so teils ein stets ausgedehnterer Markt
für Gold
und Silber, unabhängig von ihren Geldfunktionen, teils eine latente Zufuhrquelle des Geldes, die namentlich in gesellschaftlichen Sturmperloden fließt.
Die Schatzbildung erfüllt verschiedne Funktionen in der Ökonomie
der metallischen Zirkulation. Die nächste Funktion entspringt aus
den Umlaufsbedingungen der Gold- oder Silbermünze. Man hat gesehn, wie mit den beständigen Schwankungen der Warenzirkulation
in Umfang, Preisen und Geschwindigkeit die Umlaufsmasse des
Geldes rastlos ebbt und flutet. Sie muß also der Kontraktion und
Expansion fähig sein. Bald muß Geld als Münze attrahiert, bald
Münze als Geld repelliert werden. Damit die wirklich umlaufende
Geldmasse dem Sättigungsgrad der Zirkulationssphäre stets entspreche, muß das in einem Lande befindliche Gold- oder Silberquantum größer sein als das in Münzfunktion begriffene. Diese Bedingung wird erfüllt durch die Schatzform des Geldes. Die Schatzreservoits dienen zugleich als Abfuhr- und Zufuhrkanäle des zirkulierenden Geldes, welches seine Umlaufskanäle daher nie überfüllt. 95)
b) Zahlungsmittel
In der bisher betrachteten unmittelbaren Form der Warenzirkulation war dieselbe Wertgröße stets doppelt vorhanden, Ware auf dem
einen Pol,
#149# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Geld auf dem Gegenpol. Die Warenbesitzer traten daher nur in Kontakt als Repräsentanten wechselsetig vorhandner Äquivalente. Mit
der Entwicklung der Warenzirkulation entwickeln sich jedoch Verhältnisse, wodurch die Veräußerung der Ware von der Realisierung
ihres Preises zeitlich getrennt wird. Es genügt, die einfachsten
dieser Verhältnisse hier anzudeuten. Die eine Warenart erheischt
längere, die andere kürzere Zeitdauer zu ihrer Produktion. Die
Produktion verschiedner Waren ist an verschiedne Jahreszeiten geknüpft. Die eine Ware wird auf ihrem Marktplatz geboren, die andre muß zu entferntem Markt reisen. Der eine Warenbesitzer kann
daher als Verkäufer auftreten, bevor der andre als Käufer. Bei
steter Wiederkehr derselben Transaktionen unter denselben Personen regeln sith die Verkaufsbedingungen der Waren nach ihren Produktionsbedingungen. Andrergelts wird die Benutzung gewisser Warenarten, z.B. eines Hauses, für einen bestimmten Zeitraum verkauft. Erst nach Ablauf des Termins hat der Käufer den Gebrauchswert der Ware wirklich erhalten.
Er kauft sie daher, bevor er sie zahlt. Der eine Warenbesitzer
verkauft vorhandne Ware, der andre kauft als bloßer Repräsentant
von Geld oder als Repräsentant von künftigem Celde. Der Verkäufer
wird Gläubiger, der Käufer Schuldner. Da die Metamorphose der
Ware oder die Entwicklung ihrer Wertform sich hier verändert, erhält auch das Geld eine andre Funktion. Es wird Zahlungsmittel.
96)
Der Charakter von Gläubiger oder Schuldner entspringt hier aus
der einfachen Warenzirkulation. Ihre Formveränderung drückt dem
Verkäufer und Käufer diese neuen Stempel auf. Zunächst also sind
es ebenso verschwindende und wechselweis von denselben Zirkulationsagenten gespielte Rollen wie die von Verkäufer und Käufer. Jedoch sieht der Gegensatz jetzt von Haus aus minder gemütlich aus
und ist größerer Kristallisation fähig. 97) Dieselben Charaktere
können aber auch von der Warenzirkulation unabhängig auftreten.
Der Klassenkampf der antiken Welt z.B. bewegt sich hauptsächlich
in der Form eines Kampfes zwischen Gläubiger
#150# I. Abschnitt - Ware und Geld
und Schuldner und endet in Rom mit dem Untergang des plebejischen
Schuldners, der durch den Sklaven ersetzt wird. Im Mittelalter
endet der Kampf mit dem Untergang des feudalen Schuldners, der
seine politische Macht mit ihrer ökonomischen Basis einbüßt. Indes spiegelt die Geldform - und das Verhältnis von Gläubiger und
Schuldner besitzt die Form eines Geldverhältnisses - hier nur den
Antagonismus tiefer liegender ökonomischer Lebensbedingungen wider.
Kehren wir zur Sphäre der Warenzirkulation zurück. Die gleichzeitige Erscheinung der Äquivalente Ware und Geld auf den beiden Polen des Verkaufsprozesses hat aufgehört. Das Geld funktioniert
jetzt erstens als Wertmaß in der Preisbestimmung der verkauften
Ware. Ihr kontraktlich festgesetzter Preis mißt die Obligation
des Käufers, d.h. die Geldsumme, che er an bestimmtem Zeittermin
schuldet. Es funktioniert zweitens als ideelles Kaufmittel. Obgleich es nur im Geldversprechen des Käufers existiert, bewirkt
es den Händewechsel der Ware. Erst am fälligen Zahlungstermin
tritt das Zahlungsmittel wirklich in Zirkulation, d.h. geht aus
der Hand des Käufers in die des Verkäufers über. Das Zirkulationsmittel verwandelte sich in Schatz, weil der Zirkulationsprozeß
mit der ersten Phase abbrach oder die verwandelte Gestalt der
Ware der Zirkulation entzogen wurde. Das Zahlungsmittel tritt in
die Zirkulation hinein, aber nachdem die Ware bereits aus ihr
ausgetreten ist. Das Geld vermittelt nicht mehr den Prozeß. Es
schließt ihn selbständig ab, als absolutes Dasein des Tauschwerts
oder allgemeine Ware. Der Verkäufer verwandelte Ware in Geld, um
ein Bedürfnis durch das Geld zu befriedigen, der Schatzbildner,
um die Ware in Geldform zu präservieren, der schuldige Käufer, um
zahlen zu können. Zahlt er nicht, so finden Zwangsverkäufe seiner
Habe statt. Die Wertgestalt der Ware, Geld, wird also jetzt zum
Selbstzweck des Verkaufs durch eine den Verhältnissen des ZirkuIationsprozesses selbst entspringende, gesellschaftliche Notwendigkeit.
Der Käufer verwandelt Geld zurück in Ware, bevor er Ware in Geld
verwandelt hat, oder vollzieht die zweite Warenmetamorphose vor
der ersten. Die Ware des Verkäufers zirkuliert, realisiert ihren
Preis aber nur in einem privatrechtlichen Titel auf Geld. Sie
verwandelt sich in Gebrauchswert, bevor sie sich in Geld verwandelt hat. Die Vollziehung ihrer ersten Metamorphose folgt erst
nachträglich. 98)
#151# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
In jedem bestimmten Zeitabschnitt des Zirkulationsprozesses repräsentieren die fälligen Obligationen die Preissumme der Waren,
deren Verkauf sie hervorrief. Die zur Realisierung dieser Preissumme nötige Geldmasse hängt zunächst ab von der Umlaufsgeschwindigkeit der Zahlungsmittel. Sie ist bedingt durch zwei Umstände:
die Verkettung der Verhältnisse von Gläubiger und Schuldner, so
daß A, der Geld von seinem Schuldner B erhält, es an seinen Gläubiger C fortzahlt usw. - und die Zeitlänge zwischen den verschiednen Zahlungsterminen. Die prozessierende Kette von Zahlungen oder nachträglichen ersten Metamorphosen unterscheidet sich
wesentlich von der früher betrachteten Verschlingung der Metamorphosenreihen. Im Umlauf des Zirkulationsmittels wird der Zusammenhang zwischen Verkäufern und Käufern nicht nur ausgedrückt.
Der Zusammenhang selbst entsteht erst in und mit dem Geldumlauf.
Dagegen drückt die Bewegung des Zahlungsrnittels einen schon vor
ihr fertig vorhandnen gesellschaftlichen Zusammenhang aus.
Gleichzeitigkeit und nebeneinander der Verkäufe beschränken den
Ersatz der Münzmasse durch Umlaufsgeschwindigkeit. Sie bilden umgekehrt einen neuen Hebel in der Ökonomie der Zahlungsmittel. Mit
der Konzentration der Zahlungen an demselben Platz entwickeln
sich naturwüchsig eigne Anstalten und Methoden ihrer Ausgleichung. So z.B. die Virements im mittelaltrigen Lyon. Die Schuldforderungen von A an B, B an C, C an A usw. brauchen bloß konfrontiert zu werden, um sich wechselseitig bis zu einem gewissen
Belauf als positive und negative Größen aufzuheben. So bleibt nur
eine Schuldbilanz zu saldieren. Je massenhafter die Konzentration
der Zahlungen, desto kleiner relativ die Bilanz, also die Masse
der zirkulierenden Zahlungsmittel.
Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel schließt einen unvermittelt ten Widerspruch ein. Soweit sich die Zahlungen ausgleichen, funktioniert es nur ideell als Rechengeld oder Maß der
Werte. Soweit wirkliche Zahlung zu verrichten, tritt es nicht als
Zirkulationsmittel auf, als nur verschwindende
#152# I. Abschnitt - Ware und Geld
und vermittelnde Form des Stoffwechsels, sondern als die individuelle Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit, selbständiges
Dasein des Tauschwerts, absolute Ware. Dieser Widerspruch eklatiert in dem Moment der Produktions- und Handelskrisen, der Geldkrise heißt. 99) Sie ereignet sich nur, wo die prozessierende
Kette der Zahlungen und ein künstliches System ihrer Ausgleichung
völlig entwickelt sind. Mit allgemeineren Störungen dieses Mechanismus, woher sie immer entspringen mögen, schlägt das Geld
plötzlich und unvermittelt um aus der nur ideellen Gestalt des
Rechengeldes in hartes Geld. Es wird unersetzlich durch profane
Waren. Der Gebrauchswert der Ware wird wertlos, und ihr Wert verschwindet vor seiner eignen Wertform. Eben noch erklärte der Bürger in prosperitätstrunknem Aufklärungsdünkel das Geld für leeren
Wahn. Nur die Ware ist Geld. Nur das Geld ist Ware! gellt's jetzt
über den Weltmarkt. Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser,
so schreit seine Seele nach Geld, dem einzigen Reichtum. 100) In
der Krise wird der Gegensatz zwischen der Ware und ihrer Wertgestalt, dem Geld, bis zum absoluten Widerspruch gesteigert. Die
Erscheinungsform des Geldes ist hier daher auch gleich gültig.
Die Geldhungersnot bleibt dieselbe, ob in Gold oder Kreditgeld,
Banknoten etwa, zu zahlen ist. 101)
#153# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Betrachten wir nun die Gesamtsumme des in einem gegebnen Zeitabschnitt umlaufenden Geldes, so ist sie, bei gegebner Umlaufsgeschwindigkeit der Zirkulations- und Zahlungsmittel, gleich der
Summe der zu realisierenden Warenpreise plus der Summe der fälligen Zahlungen, minus der sich ausgleichenden Zahlungen, minus
endlich der Anzahl Umläufe, worin dasselbe Geldstück abwechselnd
bald als Zirkulations-, bald als Zahlungsmittel funktioniert.
Z.B. der Bauer verkauft sein Getreide für 2 Pfd.St., die so als
Zirkulationsmittel dienen. Am Verfalltag zahlt er damit Leinwand,
die ihm der Weber geliefert hat. Dieselben 2 Pfd.St. funktionieren jetzt als Zahlungsmittel. Der Weber kauft nun eine Bibel gegen bar - sie funktionieren von neuem als Zirkulationsmittel usw. Selbst Preise, Geschwindigkeit des Geldumlaufs und Ökonomie
der Zahlungen gegeben, decken sich daher nicht länger die während
einer Periode, eines Tags z.B., umlaufende Geldmasse und zirkulierende Warenmasse. Es läuft Geld um, das der Zirkulation längst
entzogne Waren repräsentiert. Es laufen Waren um, deren Geldäquivalent erst in der Zukunft erscheint. Andrerseits sind die jeden
Tag kontrahierten und die denselben Tag fälligen Zahlungen durchaus inkommensurable Größen." 102)
Das Kreditgeld entspringt unmittelbar aus der Funktion des Geldes
als Zahlungsmittel, indem SchuIdzertifikate für die verkauften
Waren selbst
#154# I. Abschnitt - Ware und Geld
wieder zur Übertragung der Schuldforderungen zirkulieren. Andrerseits,
wie sich das Kreditwesen ausdehnt, so die Funktion des Geldes als
Zahlungsmittel. Als solches erhält es eigne Existenzformen, worin
es die Sphäre der großen Handelstransaktionen behaust, während
die Gold- oder Silbermünze hauptsächlich in die Sphäre des Kleinhandels zurückgedrängt wird. 103)
Bei gewissem Höhegrad und Umfang der Warenproduktion greift die
Funktion des Geldes als Zahlungsmittel über die Sphäre der Warenzirkulation hinaus. Es wird die allgemeine Ware der Kontrakte.
104) Renten, Steuern usw. verwandeln sich aus Naturallieferungen
in Geldzahlungen. Wie sehr diese Umwandlung durch die Gesamtgestalt des Produktionsprozesses bedingt wird, beweist z.B. der
zweimal gescheiterte Versuch des römischen Kaiserreichs, alle Abgaben in Geld zu erheben. Das ungeheure Elend des französischen
Landvolks unter Ludwig XIV., das Boisguillebert,
#155# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
Marschall Vauban usw. so beredt denunzieren, war nicht nur der
Steuerhöhe geschuldet, sondern auch der Verwandlung von Naturalsteuer in Geldsteuer. 105) Wenn andrerseits die Naturalform der
Grundrente, in Asien zugleich das Hauptelement der Staatssteuer,
dort auf Produktionsverhältnissen beruht, welche sich mit der Unwandelbarkeit von Naturverhältnissen reproduzieren, erhält jene
Zahlungsform rückwirkend die alte Produktionsform. Sie bildet eines der Selbsterhaltungsgeheimnisse des türkischen Reichs. Zieht
der durch Europa aufoktroyierte auswärtige Handel in Japan die
Verwandlung von Naturalrente in Geldrente 1*) nach sich, so ist
es um seine musterhafte Agrikultur geschehn. Ihre engen ökonomischen Existenzbedingungen werden sich auflösen.
In jedem Land setzen sich gewisse allgemeine Zahlungstermine
fest. Sie beruhn teilweise von andren Zirkelläufen der Reproduktion abgesehn, auf den an Wechsel der Jahreszeit gebundnen Naturbedingungen der Produktion. Sie regeln ebenso Zahlungen, die
nicht direkt der Warenzirkulation entspringen, wie Steuern, Renten usw. Die Geldmasse, die zu diesen über die ganze Oberfläche
der Gesellschaft zersplitterten Zahlungen an gewissen Tagen des
Jahres erheischt ist, verursacht periodische, aber ganz oberflächliche Perturbationen in der Ökonomie der Zahlungsmittel.
106)
#156# I. Abschnitt - Ware und Geld
Aus dem Gesetz über die Umlaufsgeschwindigkeit der Zahlungsmittel
folgt, daß für alle periodischen Zahlungen, welches immer ihre
Quelle, die notwendige Masse der Zahlungsmittel in geradem 1*)
Verhältnis zur Länge der Zahlungsperioden steht. 107)
Die Entwicklung des Geldes als Zahlungsmittel ernötigt Geldakkumulationen für die Verfalltermine der geschuldeten Summen. Während die Schatzbildung als selbständige Bereicherungsform verschwindet mit dem Fortschritt der bürgerlichen Gesellschaft,
wächst sie umgekehrt mit demselben in der Form von Regervefonds
der Zahlungsmittel.
c) Weltgeld
Mit dem Austritt aus der innern Zirkulationssphäre streift das
Geld die dort aufschiebenden Lokalformen von Maßstab der Preise,
Münze, Scheidemünze und Wertzeichen, wieder ab und fällt in die
ursprüngliche Barrenform der edlen Metalle zurück. Im Welthandel
entfalten die Waren ihren Wert universell. Ihre selbständige
Wertgestalt tritt ihnen daher hier auch gegenüber als Weltgeld.
Erst auf dem Weltmarkt funktioniert das Geld in vollem Umfang als
die Ware, deren Naturalform zugleich unmittelbar gesellschaftliche Verwirklichungsform der menschlichen Arbeit in abstracto ist.
Seine Daseinsweise wird seinem Begriff adäquat.
#157# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
In der innern Zirkulationssphäre kann nur eine Ware zum Wertmaß
und daher als Geld dienen. Auf dem Weltmarkt herrscht doppeltes
Wertmaß, Gold und Silber. 108)
Das Weltgeld funktioniert als allgemeines Zahlungsmittel, allgemeines Kaufmittel und absolut gesellschaftliche Materiatur des
Reichtums überhaupt (universal wealth). Die Funktion als Zahlungsmittel, zur Ausgleichung internationaler Bilanzen, herrscht
vor. Daher das Losungswort des
#158# I. Abschnitt - Ware und Geld
Merkantilsystems - Handelsbilanz! 109) Zum internationalen Kaufmittel dienen Gold und Silber wesentlich, sooft das herkömmliche
Gleichgewicht des Stoffwechsels zwischen verschiednen Nationen
plötzlich gestört wird. Endlich als absolut gesellschaftliche Materiatur des Reichtums, wo es sich weder um Kauf noch Zahlung
handelt, sondern um Übertragung des Reichtums von einem Land zum
andren, und wo diese Übertragung in Warenform entweder durch die
Konjunkturen des Warenmarkts oder den zu erfüllenden Zweck selbst
ausgeschlossen wird. 110)
Wie für seine innere Zirkulation, braucht jedes Land für die
Weltmarktszirkulation einen Reservefonds. Die Funktionen der
Schätze entspringen
#159# 3. Kapitel - Das Geld oder die Warenzirkulation
also teils aus der Funktion des Geldes als inneres Zirkulationsund Zahlungsmittel, teils aus seiner Funktion als Weltgeld. 110a)
In der letzteren Rolle ist stets die wirkliche Geldware, leibhaftes Gold und Silber, erheischt, weswegen James Steuart Gold und
Silber, im Unterschied von ihren nur lokalen Stellvertretern,
ausdrücklich als money of the world 1*) charakterisiert.
Die Bewegung des Gold- und Silberstroms ist eine doppelte. Einerseits wälzt er sich von seinen Quellen über den ganzen Weltmarkt,
wo er von den verschiednen nationalen Zirkulationssphären in verschiednem Umfang abgefangen wird, um in ihre inneren Umlaufskanäle einzugehn, verschlissene Gold- und Silbermünzen zu
ersetzen, das Material von Luxuswaren zu liefern und zu Schätzen
zu erstarren. 111) Diese erste Bewegung ist vermittelt durch direkten Austausch der in Waren realisierten Nationalarbeiten mit
der in edlen Metallen realisierten Arbeit der Gold und Silber
produzierenden Länder. Andrerseits laufen Gold und Silber fortwährend hin und her zwischen den verschiednen nationalen Zirkulationssphären, eine Bewegung, die den unaufhörlichen Oszillationen
des Wechselkurses folgt. 112)
#160# I. Abschnitt - Ware und Geld
Länder entwickelter bürgerlicher Produktion beschränken die in
Bank reservoirs massenhaft konzentrierten Schätze auf das zu ihren spezifischen Funktionen erheischte Minimum. 113) Mit gewisser
Ausnahme zeigt auffallendes Überfüllen der Schatzreservoirs über
ihr Durchschnittsniveau Stockung der Warenzirkulation an oder unterbrochenen Fluß der Warenmetamorphose. 114)